Rede Enno Hagenah: Gesundheitliche und wirtschaftliche Schäden durch Feinstaub verhindern

...

Anrede,
die sichtbaren Staubemissionen aus Industrieanlagen sind in den vergangenen Jahrzehnten deutlich zurückgegangen. Dieser scheinbare Fortschritt ist aber trügerisch. Denn wegen der immer effektiveren Motortechnik bei Dieselkraftfahrzeugen mit höheren Verbrennungs-temperaturen, hat der - für unsere Augen unsichtbare - feine Staub weiter zugenommen. Die nach Aussagen von Medizinern gefährlichsten Anteile im Feinstaub, die Micropartikel, kommen sogar zum weit überwiegenden Teil aus diesen modernen Dieselfahrzeugen.
Dieser feine Staub wird nicht durch unsere Schutzmechanismen in den vorderen Atmungsorganen aufgehalten, sondern geht wie Asbest bis in die Lungen und sogar direkt in die Blutbahn. Das macht den Feinstaub aus verschiedensten Schadstoffen so gefährlich und hat ihn auch wegen der damit verbundenen enormen Folgekosten im Gesundheitsbereich zur 1. Priorität der Luftreinhalteziele auf EU Ebene gemacht.
"Rußfilter sind teuer, Kranke sind teurer" stellte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Berlin vorige Woche klar und fordert eindringlich in Deutschland die Einhaltung der Grenzwerte sicher zu stellen.
Ich möchte daran erinnern: Bei der Grenzwert Festlegung der EU waren Bund und Länder beteiligt. Ursprünglich war von der EU Ende der 90ger sogar vorgeschlagen worden, dass schon in der ersten Phase nur an 14 Tagen im Jahr der Grenzwert überschritten werden darf. Alle Bundesländer haben schließlich der Regelung mit 35 Tagen zugestimmt.
Unter diesen Rahmenbedingungen und angesichts der sonst von niemanden fachlich in Frage gestellten Notwendigkeit von schnellen und wirksamen Gegenmaßnahmen sind die jüngsten Abwiegelungsversuche des, hier für die Feinstaub-Messungen zuständigen Umweltministers Sander und des CDU Fraktionsvorsitzenden McAllister, nur als zynisch und von durchsichtigen Interessen geleitet zu bezeichnen.
Herr McAllister, wenn die CDU geführte Landesregierung es versäumt hat, die notwendige Gesundheitsvorsorge der Bevölkerung fristgerecht umzusetzen, dann liegt das nicht an den Grenzwerten der Verordnung, sondern an den Scheuklappen, mit denen Sie Politik machen.
Herr Minister Sander, Sie wissen genau, dass natürliche Staubbelastung wie z.B. das von Ihnen gerne zitierte sea-spray aus den Messergebnissen herauszurechnen ist, wenn es um die Einhaltung der Grenzwerte geht. Hören Sie auf mit dieser Bagatellisierung!-
Niemand bestreitet, dass der gefährliche Feinstaub aus vielen Quellen stammt, zu Ostern auch mal von Osterfeuern, klar. Obwohl der Straßenverkehr im landesweiten Mittel "nur" etwa ein Viertel der Gesamtbelastung ausmacht, ist dort aber besonders großer Handlungsbedarf.
Die Grenzwerte werden nämlich genau dort überschritten, wo der Straßenverkehr durch entsprechende Intensität im Ergebnis den überwiegenden Anteil der Belastung ausmacht!
Deshalb müssen gerade dort zur Einhaltung der Grenzwerte die Emissionen besonders schnell gemindert.
Kein anderes Bundesland hat sich derart wie Niedersachsen vor der Verantwortung zu Gegenmaßnahmen zu drücken versucht.
Das Schlimmste daran ist, Herr Sander, dass die Fachkenntnis, anders als Ihre öffentlichen Aussagen vermuten lassen, in Ihrem Ministerium seit langem vorhanden ist. Bereits 1996 wurden vom Landesamt für Ökologie zusammen mit Medizinern der Universität Göttingen Untersuchungen gemacht, die nachweisen, dass bei Feinstaubbelastung die Leistungsfähigkeit der Lungen schneller abnimmt als bei bodennahem Ozon. Bei der Untersuchung ging es vor allem um die Belastungen, die aus dem Kraftfahrzeugverkehr für Kinder entstehen.
Die Untersuchungsergebnisse waren schon damals alarmierend.
Besonders hoch sind die Grenzwertüberschreitungen an den Autobahnen. Durch Planfeststellungsunterlagen zum Ausbau der A7, aus ihrem Hause Herr Minister Hirche, wurde vorgerechnet, dass stellenweise an 220 Tagen pro Jahr die Grenzwerte nach dem Ausbau auf 6 Spuren überschritten würden- und das im sonst so klaren Harzvorland.
Differenzierte Untersuchungen in Berlin und München haben ergeben, dass der Feinstaubanteil aus Straßenverkehr an Hauptverkehrsstrassen auf über 50 oder sogar 60 % der gemessenen Feinstäube ansteigt.
Die Landesregierung versucht, sich dem Handlungsdruck offenbar nun zumindest teilweise zu entziehen, indem Sie möglichst wenig messen läßt. In vielen gefährdeten Bereichen an Hauptverkehrsachsen sind bis heute noch keine Messgeräte installiert. An vielen anderen Standorten wie Göttingen oder Lüneburg wird nur in geringer belasteten Bereichen gemessen.
Die Landesregierung zeigt bisher wenig Interesse an einem Überblick über das tatsächliche Gefährdungspotential. Dabei stehen Sie gesetzlich in der Pflicht, allen potentiell stärker belasteten Kommunen ausreichend Meßeinrichtungen zur Verfügung zu stellen.
Stattdessen fordert nun auch Minster Hirche am Dienstag in der Berliner Zeitung Abstriche vom Umweltschutz von der europäischen Union, angeblich, damit Arbeitsplätze in der europäischen Autoindustrie gehalten werden.
Da verkehren Sie Ursache und Wirkung. Die Politik kann nicht Reparaturbetrieb für falsche Konzernentscheidungen einiger Autobauer sein, wenn die Innovationsschritte verschlafen. Im Gegenteil, klare Vorgaben schaffen erst gleiche Wettbewerbsbedingungen und nützen damit unserem Hochtechnologieland.
Die Rücküberweisung der Verantwortung an Bund oder EU dokumentiert letztlich nur ihre eigene Handlungsunwilligkeit. Sie hatten nun schon mehrere Jahre Zeit sich auf die neuen Grenzwerte einzustellen. Es ist Aufgabe der Länder die Steuerungsmöglichkeiten, die der Bund geschaffen hat und zusätzlich bietet, jetzt zügig umzusetzen.
Ich erinnere daran, dass Sie im vorigen Jahr noch mit Ihrer Bundesratsmehrheit die vom Bund vorgeschlagene Möglichkeit zur Kennzeichnung der schadstoffarmen Autos verhindert haben. Jetzt schlägt Berlin aus verständlicher Not erneut eine Verordnung im Bundesrat vor, die das ermöglicht. Stimmen sie diesmal zu!!
Wir fordern von dieser Landesregierung endlich wirksame Maßnahmen gegen den drohenden logistischen Stillstand in den niedersächsischen Kommunen und an den Hauptverkehrsachsen durch das Überschreiten der Feinstaubgrenzwerte.
Es wird nicht mehr lange dauern, bis die ersten Bürger im Klageverfahren gegen die unzulässigen Belastungen die Kommunen zu drakonischen Maßnahmen zwingen. Umleitungen, Bewässerungen und Fahrverbote sind zur Gesundheitsvorsorge unzureichend und wirtschaftspolitisch kontraproduktiv. Der Fehlschlag ihres angeordneten Versuches in Hannover belegt das anschaulich, Herr Sander.
Einzig die Reduktion der Emissionen an der Quelle wird nachhaltig wirksam sein!!
Ihre parteitaktische Ablehnung der, vom Bund vorgeschlagenen, steuerlichen Förderung von Dieselrußfiltern grenzt in unserem von der Fahrzeugindustrie stark abhängigen Land doch schon an wirtschaftliche Selbstzerstümmelung.
Wenn wir angesichts drohender Fahrverbote weiter Zeit verlieren, werden noch mehr potentielle Autokäufer verunsichert und die Konjunktur bricht vollends ein.
Die vom Bund vorgeschlagenen Steuernachlässe würden durch die zu erwartende weitere Zunahme von Dieselzulassungen und die steuerlichen Mehreinnahmen bei Einbau und Vertrieb der Filter für Niedersachsen und die anderen Länder in der Summe ausgeglichen.
Wir schlagen auch vor, dass die Landesregierung bei den Fahrzeugen von Behörden und Landesbetrieben selbst mit gutem Beispiel durch eine Umrüstaktion auf Dieselfilter voran geht. Dazu gehört auch die Umrüstung in den ÖPNV Unternehmen im Land aus den vorhandenen Nahverkehrsmitteln fördert.
Wenn Sie Ihre Blockade aufgeben und alle an einem Strang ziehen, wäre die Förderung des Filtereinbaus ebenso wie die Einführung der LKW Maut auf Umgehungsstrecken in den größeren Städten bereits für diesen Sommer möglich.
Wir schlagen außerdem ab 2006 die Ausweitung der Maut auf LKW ab 3,5 t und die Anhebung der bestehenden LKW-Maut für LKW ohne Filter vor, um auch dem Schwerlastverkehr Anreize zur Umstellung zu geben.
Anrede
Mit diesem Maßnahmenpaket wäre der drohende logistische Stillstand noch zu verhindern und zugleich käme ein kleines Konjunkturprogramm für die deutsche Zulieferindustrie ins Rollen, die heute schon jeden zweiten Partikelfilter, der in Europa fährt, herstellt.
Ich fordere Sie auf, ernsthaft und wirksam für eine Verbesserung der Luftqualität zu sorgen und damit aufzuhören, einen künstlichen Gegensatz zwischen Ökonomie und dem Schutz der Gesundheit der Menschen aufzubauen.

Zurück zum Pressearchiv