Rede Enno Hagenah: Gesetzgebungskompetenz für den Ladenschluss den Bundesländern übertragen

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Auch wir können uns vorstellen, die Regelung der Ladenschlusszeiten an die Länder zu übergeben. Aber wir sagen auch, dass längere Öffnungszeiten kein Allheilmittel für den nachlassenden Konsum und die Wirtschaftskrise im deutschen Einzelhandel sind. Und wir warnen davor, sich mittelfristig die Ladenschlusszeiten von Shopping Malls und Global Playern im Einzelhandel diktieren zu lassen.
Ich muss schon zugeben, dass mich Ihr Antrag anfangs irritierte. Dass ausgerechnet die Partei, auf die Ladenschlussgesetzgebung auf Länderebene drängt, deren eigene Leute die Kompetenzübertragung gerade erst im Dezember verhinderten, darüber wundere ich mich immer noch. Waren es nicht die Ministerpräsidenten aus Hessen und Niedersachsen, die die Föderalismusdebatte zum Scheitern brachten? Jetzt versuchen Sie von der CDU in Niedersachsen, das Pferd von hinten aufzuzäumen, und sich die Rosinen aus dem verdorbenen Kuchen doch noch raus zu holen. Die selbst verschuldete Niederlage auf Bundesebene soll jetzt mit einem Antrag durch die Hintertür abgefedert werden. Das hätten Sie früher und einfacher haben können. Statt vollmundig Forderungen zu stellen, rate ich, dass Sie die Landesregierung auffordern, die neuen Einigungsversuche diesmal konstruktiv zu unterstützen.
Und wenn wir dann über die Ladenöffnungszeiten in Niedersachsen selbst bestimmen können, dann beginnt erst die Debatte über angemessene Lösungen. Laut dem Bundesverfassungsgerichtsurteil vom Juni 2004 sind den Öffnungszeiten weiter Grenzen gesetzt. Nicht nur an Sonn- und Feiertagen, sondern auch werktags zwischen 20 Uhr und 6 Uhr sollen danach Geschäfte geschlossen bleiben. Länderkompetenz oder nicht - damit würde zunächst alles beim Alten bleiben. Ihre Aufregung mit grenzenlosen Ankündigungen bleibt wohl umsonst.
Zu viel sollten wir uns von längeren Ladenschlusszeiten ohnehin nicht versprechen. Es kommt allenfalls zu einer zeitlichen Verschiebung der Konsumentenströme, nicht aber zu einer Steigerung der Nachfrage. Das statistische Bundesamt vermeldete jüngst den stärksten Rückgang der Kaufkraft der Arbeitnehmer in der Geschichte der Bundesrepublik – nämlich um 1,5 Prozent. Trotz der Erhöhung der Produktivität um 1,3 Prozent. Die Massen zieht es weniger in die Läden und auch der gut verdienende Bevölkerungsanteil spart lieber, als dass er mit seinem Geld die Binnennachfrage ankurbelt – die Sparquote beläuft sich hier auf bis zu 25 Prozent.
Jenseits der eindimensionalen Ladenschlussdiskussion müssen wir uns also Gedanken darüber machen, was wir für eine Einzelhandelslandschaft künftig wollen. Wir müssen uns fragen, ob wir die Zukunft des Einzelhandels den Kettenfilialen in Shopping Malls und Global Playern überlassen wollen. Denn die sind die Gewinner, wenn wir – egal ob Bund oder Land - Öffnungszeiten undifferenziert weiter ausdehnen. Wir sollten uns darüber klar sein, dass grenzenlose Einkaufszeiten zur Verödung unserer Innenstädte und Altstädte führen und klassische Fachgeschäfte in Familienbesitz in den Konkurs treiben können. Wir sollten uns überlegen, ob wir nicht besser die Ladenschlusszeiten als Instrument nutzen, um Einfluss auf das Angebot in den Innenstädten und eine attraktive Versorgung in der Fläche zu nehmen. Gerade in Zeiten schrumpfender Bevölkerung und sinkender Konsumnachfrage.
Weil wir Grüne die Lebendigkeit ebenso wie das breite und auch fachlich versierte Spektrum des Einzelhandels in den Innenstädten und Ortskernen erhalten wollen, setzen wir uns für ein City-Privileg mit örtlich angepassten Ladenschlusszeiten ein. Während in Innenstädten und Ortskernen längere Öffnungszeiten erlaubt sein sollen, sind Einzelhandelsstandorte auf der Grünen Wiese aus unserer Sicht aber unbedingt restriktiver zu behandeln.



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