Rede Enno Hagenah: Fortlaufender Ärger und Mehrkosten beim JadeWeserPort – Landesregierung beim Projektmanagement überfordert?

Anrede,

selten erhält man eine so inhaltsarme Antwort auf eine Große Anfrage, die aus einer so offensichtlichen rosaroten Sichtweise formuliert wurde, wie in diesem Fall zum Jade Weser Port. Gnadenlose Lobhudelei, Auslassungen und zum Teil plumpe fehlerhafte Antworten können aber nicht über die tatsächlichen Sachverhalte hinwegtäuschen.

Der Gipfel der Realitätsverweigerung ist die Behauptung des Wirtschaftsministeriums, dass "dieses Großprojekt bis zum heutigen Zeitpunkt überdurchschnittlich erfolgreich verlaufen ist":

Erschreckender Realitätsverlust oder dreister Betrugsversuch, das ist hier die Frage, Herr Minister Bode?

Gut begründete und von Ihrem Vorvorgänger Herrn Hirche schon größtenteils als nachvollziehbar bezeichnete Nachforderungen der Baufirmen in dreistelliger Millionenhöhe werden mit der Begründung des noch ausstehenden Gerichtsverfahrens unter den Teppich gekehrt. Zu den von Ihnen bisher eingestandenen Kostenerhöhungen kommen noch mal eben fast 20 Prozent der Bausumme hinzu, plus die übrigen nur bruchstückhaft eingestandenen Kostenrisiken.

Auf die Frage zu den bisher aufgelaufenen Personal- und Finanzierungskosten reduzieren Sie den Betrag auf die 24,4 Mio €, die bei der JWP-Realisierungsgesellschaft auflaufen. Sie verschweigen, dass neben den Investitionskosten noch viel mehr anfällt, wie zum Beispiel die rund 12 Mio Euro Schuldzinsen pro Jahr, die aus dem Landeshaushalt aufgebracht werden müssen.

In der Antwort auf Frage 3 wird einfach behauptet, durch die neunmonatige Verschiebung des Hafenbetriebs hätten sich "grundsätzlich" keine Kosten erhöht. Tatsächlich fallen aber weitere Kosten an. Nicht nur durch den verspäteten Start, sondern auch weil der Hafen auf der gesamten Kailänge erst 2013 fertig gestellt sein wird. Ja, hat denn Herr Möllring eine kostenfreie Zinsaussetzung für die bis dahin geleisteten Zahlungen für den vorher abgeschlossenen Bau bei der Nord LB erwirkt? Werden die Beschäftigten der JWP-R mit unbezahltem Urlaub frei gesetzt oder wie ist diese anderenfalls eindeutig fehlerhafte Antwort zu verstehen?!

Zu Frage 4 wird in den Raum gestellt, der nun vereinbarte um neun Monate verspätete Starttermin des Hafens sei "ein Erfolg für die Vermarktung und die Ansiedlungsaktivitäten in Wilhelmshaven". Dabei sind im Zuge des Streits um die Verschiebung bis heute, wie man aus Wilhelmshaven hört, ein Großteil der Interessenten für die neu ausgewiesenen Gewerbeflächen wieder abgesprungen. Und die im weiteren Umfeld von Ihnen noch vor Monaten groß gefeierten Milliardeninvestitionen sind inzwischen zurückgezogen worden und haben sich zum Teil sogar ins Gegenteil verkehrt. Einzig in ein zusätzliches Kohlekraftwerk wird noch investiert. Die Raffinerie steht seit Mai wieder still und wird nun von Conocon-Phillips entgültig abgewickelt, wenn sich denn in letzter Minute nicht doch noch ein – hoffentlich solider - Käufer finden sollte. So sieht also bei Ihnen, Minister Bode, eine positive Auswirkung auf Vermarktungs- und Ansiedlungsaktivitäten aus?

Immerhin wird auf Frage 4 in der Antwort verschämt ein rechnerischer Schaden bedingt durch die Verschiebung des Starttermins von 25 Mio € eingestanden. Das verbinden Sie aber gleich mit der Umdeutung, dass die - Eurogate gegenüber zugestandenen - geringeren Hafengebühren in Wirklichkeit Mehreinnahmen bringen, wegen der damit besseren Positionierung zur Konkurrenz. Ja wo leben Sie denn? Glauben Sie, die anderen Häfen könnten in einem solchen Preissenkungswettbewerb nicht mithalten? Da sollten Sie, Herr Bode die Gesetze der Marktwirtschaft doch eigentlich kennen. Am Ende gewinnen bei einem Preiswettlauf nach unten die Großen auf dem Markt und die Kleinen, wie derzeit noch der JWP, zahlen die Zeche. 

Meine Damen und Herren,

zum ersten Mal lesen wir in der Antwort der Landesregierung davon, dass am JWP ein Schlepperhafen für 8 Mio. Euro gebaut wird. Ein Posten, den Sie bisher unterschlagen haben. Ein Tiefwasserhafen ohne Schlepperhafen, so seriös plant diese Landesregierung.

Anrede,

diese sich addierenden Zusatzkosten und Einnahmeverluste aus dem verspäteten Start des Hafenbetriebes erhalten ihre zynische Dimension, wenn man daneben die 8,5 Mio Turboprämie stellt, die sich als völlig nutzlos erweist. Nicht nur, dass Niedersachsen sich diesen Zusatzposten ohne Not allein aufgeladen hat, bis heute  zahlt der Hafenbetreiber, der erst auf die schnellere Inbetriebnahme und dann plötzlich noch heftiger auf das Gegenteil  gedrängt hat, keinen Cent zu diesen überflüssigen Beschleunigungskosten dazu.

Anrede, es ist haarsträubend, wie sich die Landesregierung hier von den "privatwirtschaftlichen Partnern" auf Kosten der niedersächsischen Steuerzahler am Nasenring durch die Arena hat ziehen lassen. Die Verantwortung dafür tragen diejenigen, die die Verträge für die JWP-R und damit für das Land so schlecht verhandelt haben.  Auf einen Streit vor Gericht, den Sie Herr Bode vorher immer mal angekündigt haben, wollten Sie es wegen dieser schlechten Ausgangslage dann doch nicht mehr ankommen lassen. Wer solche Fehler macht, darf sie nicht auch noch als Erfolg verkaufen, das ist doch peinlich.

Obwohl Sie bei den Nachverhandlungen in praktisch allen Punkten Eurogate nachgeben haben und eine deutlich spätere und langsamere Umschlagentwicklung am Hafen akzeptiert haben, behaupten Sie immer noch es wäre Ihr Erfolg, dass der Gesamthafen jetzt zwei Jahre früher als bisher geplant an den Start geht. Das ist an Dreistigkeit nicht mehr zu überbieten, denn der tatsächliche Umschlag mit den daraus resultierenden Hafeneinnahmen, den Eurogate ihnen jetzt zusichert, ist in den kommenden fünf Jahren doch geringer als in der ursprünglichen Planung. Wem nützt da die virtuelle frühere Inbetriebnahme von weiteren gut 700 Metern Kaje? Außer der ausführenden Baufirma, die bekommt ihr Geld eher. Aber damit laufen die Schuldzinsen für diese Ausgabe auch eher auf, ohne dass Einnahmen zur Deckung vorhanden sind. 

Anrede,

Zur versprochenen zweigleisigen, elektrifizierten, schallgeschützten Schienenanbindung, auch hier sind Sie gescheitert:

Die derzeit von Ihnen gefeierten eventuell in Aussicht stehenden 150 Mio € des Bundes zum Bahnausbau würden höchstens auf den beiden kurzen eingleisigen Teilstücken für ein zweites Gleis mit Schallschutz ausreichen. Der überwiegende Teil der Strecke bleibt auf absehbare Zeit ohne Schallschutz mit den alten und nicht ausreichend tragfähigen Gleisen. Damit werden die meisten Anwohner, anders als von Ihnen zugesagt, über eine nicht absehbare Zeit mit dem ab 2012 rasant wachsenden Güterverkehrslärm auf der Schiene leben müssen. Der von Ihnen in der Antwort genannte Termin 2016/17 für den 350 Mio € teuren Restausbau der Schiene ist reines Wunschdenken.

Problematisch daran ist zudem, dass der noch fehlende übrige Streckenausbau, vor allem was die erheblichen Untergrundbauwerke angeht, erst erfolgen kann, wenn der Hafen schon unter Vollauslastung läuft. Die DB hat dafür monatelange Vollsperrungen in Aussicht gestellt. Für den erfolgreichen Betrieb eines Hafens wäre das eine ernste wirtschaftliche Belastung, die man nicht nur wegen der Finanzknappheit beim Bund sicher gerne weiter aufschieben möchte.  

Noch ein kurzer Blick auf die Bauposse um die umgestürzte Lärmschutzwand:

Auch dieses Thema versucht die Landesregierung zu bagatellisieren. In der Ablaufbeschreibung wird ein erheblicher Schlendrian in der Bauaufsicht der JWP-RG erkennbar. Dass dabei die Notbremse erst durch die Verweigerung der Schlussabnahme gezogen werden konnte, lässt noch Überraschungen auch bezüglich der Standfestigkeit bei den übrigen Bauten erwarten. Zur Verantwortung der Bauherren gehört eben auch die genehmigte und geprüfte Ausführung schon während der Bauarbeiten zu kontrollieren, sonst entstehen Kölner Verhältnisse.

In ihrer Antwort drückt sich die Landesregierung vor der Aussage: wer denn die Mehrkosten in Höhe von 1 Mio Euro für die Betonausführung der neuen Lärmschutzwand trägt? Die Tatsache, dass sie sich um diese Aussage drücken kann nur bedeuten, dass die JWP-RG diese 1 Mio Mehrkosten zahlen muss. 

Diese Lärmschutzwand stand und fiel beispielhaft für die vielen übrigen Versäumnisse und Fehler der Landesregierung und ihrer JWP-RG bei den Vertragsvereinbarungen, der Projektsteuerung und der Absicherung der Mitfinanzierung durch EU und Bund.

Der Jade Weser Port wird hoffentlich trotz der vielen Fehler dieser Landesregierung am Ende ein Erfolg, er hätte aber früher in Betrieb gehen können, und wäre deutlich günstiger für die Steuerzahler und verträglicher für die Anwohner an der Bahnstrecke, wenn Sie Ihren Job ordentlich gemacht hätten.

Herr Mc Allister, Herr Bode, Sie und Ihre Vorgänger haben sich da nicht mit Ruhm bekleckert, sondern eine Menge Chancen auf schnelle Ansiedlungen verspielt und jede Menge Steuergeld unnötig vergeudet.

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