Rede Enno Hagenah: Der demografische Wandel erfordert eine andere Politik: Rechtzeitig und koordiniert reagieren, um attraktive Infrastruktur im Land zu erhalten

Anrede,

eineinhalb Jahre Beratung dieses Antrages ohne Ergebnis zeigen uns:

Regierung und Koalition ducken sich weiter in vielen Bereichen vor den Konsequenzen des demografischen Wandels weg, weil ihnen die Antworten unangenehm sind oder aber völlig fehlen.

Mit Hilfe der Enquete Kommission, die immer mehr Anhörungen und interne Zwischenstände anhäuft, soll scheinbar nach dem Kalkül von CDU und FDP erst mal die Kommunalwahl und möglichst auch noch die nächste Landtagswahl ausgesessen werden, ohne den öffentlichen Diskurs zum Beispiel durch einen Zwischenbericht zu eröffnen. 

Wir dagegen sind überzeugt, dass frühes Handeln und Reagieren im demografischen Wandel die notwendigen Einschnitte und negativen Auswirkungen erheblich mildern kann und daher dringend geboten ist.

Die meisten notwendigen Konsequenzen passen der schwarz-gelben Landesregierung aber offenbar nicht ins Konzept, und deshalb werden sie zum Schaden des Landes erst mal verdrängt.

Einige der großen Themenfelder in denen es Kurskorrekturen geben muss machen das deutlich:

  • Die Bindungswirkung der Raumordnung und des zentralen Ortesystems brauchen eine Stärkung
  • Effiziente großräumliche Strukturen müssen durch Förderung herbeigeführt werden, um demokratisch legitimierte regionale Gebietskörperschaften mindestens in der Größe des Emslandes überall in Niedersachsen zu schaffen
  • Das dreigliedrige Schulsystem muss möglichst bald aus pädagogischen und wirtschaftlichen Gründen zu einem eingliedrigen System zusammen geführt werden.
  • Es muss mehr in die Qualifikation und die Integration der MigrantInnen investiert werden. Für Bleiberechtsfragen sollte viel stärker das Integrationskriterium entscheidend sein als bisher.
  • Die immer knapper werdenden Verkehrs- und Infrastrukturmittel müssen angesichts des Instandhaltungsstaues und der beginnenden Schrumpfung auf den Substanzerhalt konzentriert werden, anstatt weiter neue Strassen zu planen. 

Die meisten Punkte erschließen sich im Grunde von selbst, aber am Beispiel Raumordnung will ich das noch einmal konkreter machen, weil das Thema ja nicht so alltäglich und eingängig ist:

Die Absichten der Landesregierung bei der Neufassung der Raumordnung zielen auf das genaue Gegenteil von dem, was sich aus dem demografischen Wandel als Anforderung ergibt. Wir brauchen hier zukünftig nicht weniger, sondern mehr Kompetenzen und Bindungswirkung.

Das Land zieht sich aber mit der vorgeblichen demokratischen Attitüde, Kompetenzen auf die regionale Ebene herunter zu geben, aus der Verantwortung. Man will sich schlicht die Finger nicht schmutzig machen bei der Entscheidung, wer zukünftig die Kernaufgaben anbietet, und wer nur Randaufgaben behalten kann.  

Regionalentwicklung wird auf Kommunen bzw. Kreise und eine wie auch immer geartete Kooperation der Kreise und den Metropolregionen abgeschoben. Dort fehlen dazu aber die Strukturen. Die regionalen Akteure sind dafür weder vorbereitet noch ausgestattet.

Wenn dann trotz  suboptimaler Strukturen tatsächlich versucht wird, sich auf  gemeinsame Zukunftsprojekte zu verständigen, wie in Südniedersachsen, wird das dann auch noch in der Förderpraxis weitgehend ignoriert, statt dem Vorrang zu geben.

Raumordnung muss im demografischen Wandel Stabilisierung und notfalls auch Rückbau in demografischen Schrumpfungsregionen organisieren. Der unaufhaltsame Durchmarsch der Starken im interkommunalen Wettbewerb kann nur so zum Vorteil für alle gestaltet werden.

Der zahnlose Tiger, den die Landesregierung aus der Raumordnung machen will, lässt hingegen die peripheren Bereiche im Stich. Die interkommunale Konkurrenz innerhalb der Regionen läuft ungehindert weiter, wichtige Ressourcen, die eigentlich zur Stabilisierung und zum sozialen Ausgleich gebraucht würden, werden weiter durch Doppelinvestitionen vergeudet. Hier wird durch Zaudern und falsch verstandene Dezentralisierung Zukunft verspielt.

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