Rede Enno Hagenah: CDU/CSU wollen die soziale Marktwirtschaft zerschlagen

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Die Unionsparteien haben sich am Wochenende sehr weit aus dem Fenster gelehnt. Für den taktischen Teil-Rückzug war noch nicht einmal Kritik von Außen nötig. Vielmehr waren es Ihre eigenen Leute, die sich "brutal überfahren" fühlten von den vermeintlichen und selbst ernannten Radikalreformern a la Meyer, Merz und Koch.
Trotz des taktischen Zurückruderns hat uns das Schauspiel am Wochenende einen Vorgeschmack auf die Unions Konzepte der Zukunft geliefert: Mittel- und langfristig planen CDU und CSU den Ausverkauf der sozialen Marktwirtschaft.
Selbst mit dem vorerst abgespeckten Reformpaket höhlen Sie den Arbeitnehmerschutz schon kräftig aus, ohne dabei auch nur einen einzigen Arbeitsplatz zu schaffen oder zu sichern:
Tatsache ist, dass die Unionsparteien den Arbeitsschutz für vier Jahre nach einer Einstellung außer Kraft setzen wollen. Dabei ist es egal, ob der Kündigungsschutz ausgesetzt wird oder aber befristete Arbeitsverhältnisse für die Dauer von vier Jahren zugelassen sein sollen. Der Arbeitnehmer lebt so oder so vier Jahre in Unsicherheit. – In die dringend nötige Konsumfreude wird er dabei sicher nicht kommen.
Ähnlich verhält es sich mit der Stigmatisierung der über 50-Jährigen. In einer Gesellschaft, die verstärkt auf Jugend setzt, haben es ältere Arbeitnehmer ohnehin schwer, einen Arbeitsplatz zu finden. Die Union will ihnen jetzt auch noch den letzten Rest an Anerkennung und Sicherheit nehmen. Ob Aufhebung des Kündigungsschutzes oder Abfindungsregelung – Unternehmen würde es bei der CDU leichter fallen, ihre älteren Arbeitnehmer wieder auf die Straße zu setzen.
Und wozu dient diese Nacht-Aktion, der Frontalangriff auf Arbeitnehmerechte vom vergangenen Wochenende? Zum Abbau der Arbeitslosigkeit? Wohl kaum. Vor acht Jahren wollte einer ihrer Kollegen uns schon einmal weiß machen, dass man mit der Aufweichung von Arbeitnehmerrechten angeblich Arbeitsplätze schafft. Norbert Blüm versprach damals, 300.000 Arbeitsplätze schaffen zu wollen, nachdem er den Kündigungsschutz aufgeweicht hatte. Auf diese Jobs warten wir noch heute.
Die vergangene Woche hat doch gerade in Niedersachsen deutlich gezeigt, dass Arbeitsplatzsicherung oder gar –schaffung keine Frage des zu großen Arbeitnehmerrechtes ist. Otis und Continental machen Produktionsstätten hier dicht und drohen mit Abwanderung, weil sie sich unglaubliche Profitzahlen in den Kopf gesetzt haben.
Otis hat in den vergangenen Jahren schwarze Zahlen geschrieben. Die Rendite lag in Deutschland bei immerhin zwölf Prozent. Dem US-Mutterkonzern ist das zu wenig, 17 Prozent sollen erreicht werden und dafür soll das Werk in Niedersachsen geschlossen werden.
Nicht viel anders beim Stöckener Conti-Werk: Dort sollen Investitionen in nur vier Jahren abgeschrieben sein. Der Konzern fuhr einen operativen Gewinn von 800 Millionen Euro im vergangenen Jahr ein. Und trotzdem: Conti droht mit Abwanderung.
Diesen Unternehmen mit Arbeitsrechtslockerungen hinterherzulaufen, ihnen vielleicht auch noch Steuergeschenke zu machen, das bringt nichts. Wir können im Produktionssektor letztlich nicht mit Billiglohnländern konkurrieren, was den Kostenfaktor Arbeit angeht. – Tchechien, die Ukraine oder gar China sind da bis auf Weiteres uneinhohlbar. Wir müssen mit Qualität, Produktivität, berechenbaren Rahmenbedingungen und vielleicht auch mal mit unserer Handelsmacht als Absatzmarkt punkten.
Unternehmen denken nicht in moralischen Kategorien, sondern wollen ihren Profit maximieren. Das ist verständlich. - Aber umso wichtiger ist es, das die Politik verläßliche Rahmenbedingungen schafft, damit Gerechtigkeit hierzulande nicht unter die Räder gerät. Entgegen der CDU Position sind unsere Arbeitnehmerrechte und starke Gewerkschaften dafür ein unverzichtbarer Beitrag. –
Die stereotype Antwort der CDU auf die Beschäftigungskrise in Deutschland mit immer weiter sinkenden Arbeitnehmerrechten zu reagieren, wird den Menschen ganz sicher nicht helfen. Und auch nicht der Wirtschaft. Oder glauben Sie wirklich, dass die Menschen nach Ihren Ankündigungen in die Geschäfte laufen und die Regale leer kaufen. Einen Teil der Konsumflaute müssen Sie sich wegen Ihrer Verunsicherungspolitik ankreiden lassen. Herzlichen Glückwunsch! Ihr Programm ist ein echter Konjunkturkiller. Wer täglich um seinen Arbeitsplatz fürchtet, der gibt sicher sein Geld nicht konsumfreudig aus.
Und was denken die über ihre Reformen, bei denen Sie sich anbiedern?
Die belächeln ihre Versuche – genau wie Ihr Koalitionspartner, die FDP.
Westerwelle nannte ihre Vorschläge "halbherziges Stückwerk".
Als Rückschritt bezeichnete Hanns-Eberhard Schleyer, Generalsekretär des DIHK, das abgespeckte Reformpaket.
Auch BDI-Präsident Michael Rogowski macht sich lustig: "Das, was heute Nacht herauskam, das ist nun wirklich nicht weltbewegend." Die Union sei als Tiger gesprungen und als Bettvorleger gelandet. - Wie lange wollen Sie dieser Maßlosigkeit noch das Wort reden Herr Wulff?!

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