Rede Enno Hagenah: Beschaffungswesen des Landes Niedersachsen sozial, klimafreundlich und fair gestalten

Anrede,

kaum ein Bereich des politischen Handelns ist von einer derartigen Scheinheiligkeit, einem so starken Widerspruch zwischen verständnisvollen Sonntagsreden und dem konkretem alltäglichen Handeln geprägt, wie das öffentliche Beschaffungswesen. Gern schmückt man sich mit allgemeinen politischen Absichtserklärungen wie z.B. zu den Millenniums-Zielen oder der Agenda 21 zur Verantwortung gegenüber den Arbeitnehmern auch in der globalisierten Wirtschaft. Manchmal kommt sogar der erhobene Zeigefinger auch die Wirtschaft und der private Konsum müssten mehr auf Energieeffizienz beim Kauf von Produkten oder in der Bauwirtschaft achten.

Da aber, wo Staat oder Kommunen selbst zum schlichten Markteilnehmer werden und mit Millionenbeträgen über ihre Nachfrage gegen ausbeuterische Kinderarbeit, krankmachende Arbeitsbedingungen oder vermeidbaren Energie- und Ressourcenverbrauch ganz praktisch etwas tun könnten, versagen die öffentlichen Stellen auf allen Ebenen oft noch kläglich.

Die niedersächsische Landesregierung hat auch offenbar die Bedeutung von Klimaschutz und fairem Handel erkannt.

Umweltminister Hans-Heinrich Sander (FDP) will landeseigene Gebäude mit dem Ziel eines geringeren Energieverbrauchs sanieren und sich nach seinen Worten dabei an die "Spitze der Bewegung" stellen.

Innenminister Uwe Schünemann sprach sich noch im Juli bei einer Veranstaltung des Verbandes Entwicklungspolitik Niedersachsen und InWent hier im Hause für Fairen Handel aus.

Auch Ministerpräsident Christian Wulff erinnerte anlässlich eines Gesprächsabends mit jungen Unternehmen an die gesellschaftliche Verantwortung, sich gegen Kinderarbeit einzusetzen.

Aber: Worten müssen Taten folgen und damit tut sich die Landesregierung bislang schwer.

Ihre Antwort vom 31. Juli diesen Jahres auf den Beschluss des Landtages (DS 15/4351) vom vorigen Jahr gegen ausbeuterische Kinderarbeit verdeutlicht, dass der gute Vorsatz der fairen Beschaffung noch nicht im Handeln der Landesregierung angekommen ist. Dort heißt es nämlich unter anderem, die vom Landtag vorgeschlagenen Maßnahmen gegen Kinderarbeit (Zitat) "sollten [”¦] nicht zum Gegenstand von Vergabeverfahren gemacht werden".

Genauso hatte schon das Wirtschaftsministerium in der Beratung des Antrages vor der Beschlussfassung argumentiert. CDU und FDP trugen dem Rechnung, in dem sie den ursprünglichen grünen Antrag in den Handlungsaussagen so weich spülten, dass am Ende außer einem allgemeinen Wunsch zukünftig möglichst auf Produkte aus Kinderarbeit zu verzichten keine Bindung für die Landesverwaltung mehr übrig geblieben war.

Alles zu aufwändig im Vergabeverfahren und zu teuer angesichts der knappen Kassen. Zudem wenig nachprüfbar, hinsichtlich der Sicherheit der verschiedenen Label.

Anrede,

immer noch arbeiten tausende Kinder unter haarsträubenden Bedingungen in Steinbrüchen um für Plätze und Gebäude hier bei uns Natursteine zu brechen. Immer noch werden Kinder bei der extrem toxischen Produktion von Akkus und anderen Gütern unseres täglichen Lebens industriell eingesetzt. Immer noch werden auch vom Landesbetrieb für Statistik und Kommunikationstechnologie (LSKN) Energie fressende elektronische Geräte neu eingekauft, obwohl es längst leistungsgleiche Spargeräte gibt.  

Anrede,

wenn ich Sie mit dem Eine-Welt-Gedanken, der sozialen Verantwortung oder dem Klimaschutz heute noch nicht überzeugen kann, dann denken Sie doch bitte in Ihren Fraktionen bei der Beratung des Antrages auch an den zunehmenden Flüchtlingsstrom gerade aus den Teilen der Welt ohne faire Arbeit und faire Preise.

Und denken Sie an die zunehmende Gewalt bis hin zum Terrorismus, die sich hauptsächlich aus dem berechtigten Ungerechtigkeitsgefühl im globalisierten Handel ohne soziale Leitplanken nährt.

Denken sie auch an den unaufhaltsamen Klimawandel mit seinen katastrophalen Folgen, wenn wir unseren Konsum nicht umgehend auf maximale Effizienz umstellen.

Auch wenn es für manche hier bisher vielleicht noch nicht klar war, der sozial verantwortliche, klimagerechte und faire Handel hat eine Schlüsselfunktion bei der schrittweisen Lösung dieser brennenden Probleme.

Immer mehr Kommunen, Städte und mittlerweile auch Bundesländer haben den Schritt gewagt. Sie werden sich angesichts großer Auftragsvolumina ihrer Verantwortung für die Produktionsketten und die Produzierenden sowie für den Klimaschutz bewusst. Anhand definierter sozialer und ökologischer Kriterien vergeben sie wie die Stadt Düsseldorf bereits Aufträge bzw. ermitteln derzeit wie die Bundesländer Bayern und Bremen, wie sie dies künftig  umsetzen können.

Auch die niedersächsische Landesregierung kann die von den Herrn Wulff, Schünemann und Sander geäußerten Forderungen selbst umsetzen. Als Großkunde kann Niedersachsen seinen eigenen Anforderungen an Handel und Klimaschutz gerecht werden und Einfluss nehmen auf das Marktgeschehen.

Nie waren dafür die Möglichkeiten in Niedersachsen besser als heute. Durch die Zentralisierung der Beschaffung der Ministerien im Logistik Zentrum Niedersachsen (LZN) ist der Aufwand für die Ermittlung produktbezogener sozialer, klimafreundlicher und fairer Standards und die Überprüfung entsprechender Labels ebenfalls zentralisiert und darum mit überschaubarem Aufwand leistbar geworden.

Das Aushandeln von Vergünstigungen ist angesichts des größeren Umfangs an Bestellungen zudem einfacher. Eventuelle anfängliche Mehrkosten werden durch die größeren Stückzahlen in Grenzen gehalten.

Zwar enthält die Betriebsanweisung für das Logistikzentrum (LZN) bereits erste Hinweise, dass "umweltbezogene und soziale Aspekte" bei der Beschaffung "Berücksichtigung finden" sollten. Damit diesem allgemeinen Bekenntnis auch Taten folgen, sind aber verbindliche Vorgaben nötig. Ebenso muss die Einhaltung überprüfbar sein und eine beständige Weiterentwicklung der neuen Beschaffungskriterien verankert werden – zum Beispiel in Form von Evaluationen und regelmäßigen Berichten über das Erreichte.

Damit "Fairness" und "Klimaschutz" nicht nur Worte in einer Betriebsanweisung sind, sondern Einfluss nehmen auf das Einkaufsverhalten des Logistik Zentrums (LZN), des Landesbetriebs für Statistik und Kommunikationstechnologie (LSKN) und des Staatlichen Baumanagements (SBN) ist es außerdem notwendig, den sozialen und energieeffizienten Einkauf zu einem Leitkriterium der Beschaffung des Landes insgesamt zu machen und ihm den gleichen Stellenwert zuzuteilen wie dem Kriterium Wirtschaftlichkeit.

Um diese Fragen auch hinsichtlich der Auswirkungen auf den hiesigen Markt und die niedersächsische Wirtschaft fundiert abzuwägen hatte der Ältestenrat auch die federführende Beratung des Antrages in den Wirtschaftsausschuss beschlossen. Darum möchte ich im Namen meiner Fraktion heute auch den Landtag bitten. Eine Mitberatung sollte sowohl im Innenausschuss, als auch im Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten sichergestellt werden.

Es ist höchste Zeit den vielen guten Worten endlich Taten folgen zu lassen. Machen Sie mit und unterstützen Sie unseren Antrag.

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