Rede Enno Hagenah: Ausbildungsplatzmisere in Niedersachsen: Landesregierung muss gegensteuern

...

Der Ausbildungspakt Niedersachsens hält nicht, was er versprach. Da täuscht auch keine Schönrechnerei des Wirtschaftsministeriums und der Handwerkskammern über die dramatische Situation auf dem niedersächsischen Ausbildungsmarkt hinweg. Deshalb haben wir den gemeinsamen Antrag unterstützt, in dem auch die Regierungsfraktionen dies indirekt zugeben und zukünftig ein stärkeres Engagement von der Regierung und den Betrieben einfordern.
Wir müssen verhindern, dass immer mehr Jugendliche eine berufliche Perspektivlosigkeit erleben. Manchmal gehen fast ganze Klassen beim Kampf um die raren Lehrstellen leer aus. Und das, obwohl ungefähr die Hälfte der nicht vermittelten Jugendlichen einen Realschulabschluss vorzuweisen hat.
Der starke Anstieg der Arbeitslosigkeit gerade bei qualifizierten Jugendlichen widerlegt die häufig geäußerte Behauptung, dass vor allem wegen der schwachen Qualifikation der suchenden Jugendlichen nicht mehr Lehrstellen angeboten würden.
Während immer wieder versucht wird, diese harschen Realitäten zu überspielen, belegt die Landesarbeitsagentur mit ihren Zahlen die negativen Erfahrungen der jungen Frauen und Männer:
Trotz vieler neu begründeter Lehrverhältnisse hat es 2004 einem Rückgang der Ausbildungsplätze in Niedersachsen gegeben. Die Bilanz wird durch die vielen außerbetrieblichen Ausbildungen und Maßnahmen aber auch durch die absurde Bereinigung der Statistik geschönt.
Jugendliche, die ohne Schulabschluss oder Ausbildungsplatz sich ganz aufgeben und auch keine Sozialhilfe mehr nachfragen werden nicht mehr erfasst. Derartigen Selbstbetrug sollten wir nicht zulassen. Dort wächst eine soziale Zeitbombe, die wir dringend entschärfen müssen.
Herr Hirche und Herr Wulff, ich frage Sie, was läuft schief mit dem Pakt in Niedersachsen? Ich denke, Sie sollten ehrlich seine Schwachstellen benennen und zu den tatsächlichen Zahlen stehen.
Am 12.04. erst meldete die Braunschweiger Zeitung einen weiteren dramatischen Rückgang der Lehrstellen um 12,5 % seit dem ohnehin mageren letzten Jahr.
Setzen Sie die richtigen Signale: Bauen Sie die direkte Vermittlung von Jugendlichen weiter aus. Drängen Sie stärker als bisher auf die Zusammenarbeit zwischen Schulen, Arbeitsagenturen und Betrieben. Und drängen Sie auch darauf, dass wieder alle Jugendlichen in unser Bildungssystem integriert werden.
Der niedersächsische Ausbildungspakt hat seine Bewährungsprobe noch lange nicht überstanden. Deswegen müssen wir frühzeitig auch über andere Ansätze nachdenken – wie den der Baubranche. 1,6 Prozent der Lohnsumme eines jeden Betriebes werden dort in einem Topf gesammelt, aus dem Ausbildungsplätze unterstützt werden. Pro Lehrling gibt es für drei Lehrjahre 28.000 Euro. Das erfolgreiche Modell bietet Vorteile für alle Tarifpartner. Gegen den Trend verzeichnete die Baubranche 2004 sogar 3,3 Prozent mehr Ausbildungsplätze im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.
Meine Damen und Herren, lassen Sie uns gemeinsam nach vernünftigen Lösungen suchen. Der Pakt könnte gerettet werden, wenn sich alle Seiten anstrengen. Falls nicht, müssen wir uns im Interesse der Jugendlichen schnell über Alternativen verständigen.




Zurück zum Pressearchiv