Rede Enno Hagenah: Arbeit muss auskömmlich sein – Mindestlohn auch in Deutschland einführen

Anrede,

während der Anteil der Beschäftigten, der in Deutschland in Vollzeit zu niedrigen Armutslöhnen beschäftigt ist, wächst, streiten sich die Regierungsparteien nun schon seit über einem Jahr darüber, was dagegen getan werden soll. In unendlichen Koalitionsrunden bescheinigen sich die Koalitionäre im Bund gegenseitig ihre Uneinigkeit. Dies hat sich mit dem vorliegenden Antrag bis in den niedersächsischen Landtag fortgesetzt.

Im Ergebnis blockiert sich das Regierungslager gegenseitig zu Lasten der Betroffenen, für die sich bei steigenden Lebenshaltungskosten die Lage zuspitzt.

560.000 Menschen sind inzwischen trotz einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung auf ergänzendes Arbeitslosengeld II angewiesen, mit steigender Tendenz. Der Mindestlohn ist dabei nur ein Baustein in der Debatte über notwendige Mindeststandards im Arbeitsmarkt.

Verbindliche Mindestarbeitsbedingungen müssen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer davor schützen, ausgebeutet zu werden und trotz Arbeit arm zu sein.

Neue Regelungen für Mindestarbeitsbedingungen müssen möglichst bald kommen, um die Lohnspirale nach unten bei uns zu stoppen.

Sie dürfen aber nicht als Ersatz für Tarif-, Gleichstellungs- oder Verteilungspolitik missbraucht werden. Ein Mindestlohn soll nur die Wirkung der Marktmechanismen nach unten begrenzen, sie aber nicht grundsätzlich außer Kraft setzen.

Der Stillstand muss überwunden werden. Eine Lösung gibt es offenbar nur im Kompromiss, der mit Ausnahme der FDP, die aus ihrer ideologischen Sicht keinen Handlungsbedarf erkennt, wohl doch zwischen uns gefunden werden könnte.

Die Voraussetzungen dafür sind gar nicht schlecht, wenn wir die Kernforderungen nebeneinander stellen:

- Die CDU will die Ausweitung des Arbeitnehmer Entsendegesetzes auf Branchen, in denen es zu sozialen Verwerfungen kommt und ein Gesetz gegen sittenwidrige Löhne.

- Die SPD will die Ausweitung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes auf alle Branchen. Darüber hinaus fordert sie für bereiche ohne tarifliche Regelungen oder in denen ein Mindestniveau unterschritten wird, einen gesetzlichen Mindestlohn.

- Wir Grüne wollen flächendeckende branchen- und regionalspezifische Mindestlöhne. Erforderlich dafür sind u. a. die Einrichtung einer Mindestlohn-Kommission nach britischem Vorbild und die Ausweitung des Arbeitnehmerentsendegesetzes.

Der kleinste gemeinsame Nenner, die Ausweitung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes auf weitere Branchen darf deshalb nicht länger verzögert werden.

Die Zeitarbeitsbranche und die Weiterbildungsbranche haben dafür schon die Voraussetzungen geschaffen. Nötig wären entsprechende Regelungen aber auch für den Einzelhandel, das Hotel- und Gaststättengewerbe, die Land- und Forstwirtschaft, der Erwerbsgartenbau, das Friseurhandwerk, die Fleisch verarbeitende Industrie, die Entsorgungswirtschaft, das Bewachungsgewerbe, die Postdienstleister, die Floristik, das Metallhandwerk, das Bäckerhandwerk und das private Transportgewerbe.

Diese Branchen sollten den politischen Auftrag zur Einigung auf tariflicher Basis erhalten. Schaffen sie das bis Ende 2008 nicht, muss der Gesetzgeber für eine Lösung sorgen.

Der Vorschlag im SPD Antrag dafür dann eine Mindestlohnkommission einzusetzen, ist unseres Erachtens ohne Alternative. 

Anrede,

etwas Besseres als der derzeitige Stillstand wäre die Umsetzung dieses Kompromissvorschlages allemal. Lassen sie uns das gemeinsam versuchen.

Wenn wir heute das Thema durch kontroverse Abstimmung erneut nur vertagen, lassen wir die Betroffenen mit dem Problem allein.

"Dem Hungerlohn folgt die Hungerrente", sagte Adolf Bauer vom Sozialverband kürzlich an die Adresse der Landesregierung.

Lassen wir es nicht so weit kommen.

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