Rede Enno Hagenah: Abschließende Beratung Haushalt 2012/2013 – Wirtschaft, Arbeit, Verkehr

 

Anrede,

diese Landesregierung ist auch in der Wirtschafts- und Verkehrspolitik mit ihren Konzepten und Idealen im vergangenen Jahrtausend hängen geblieben.

Ihr Glaube an Fortschritt und Wohlstand mit Hilfe von Luft- und Raumfahrt sowie natürlich des Automobils sind ungebrochen. Da setzen Sie Schwerpunkte im Haushalt, auch wenn dadurch andere von Ihnen verbal auch vertretene Ziele wie Mittelstandsförderung, Klimaschutz und die Bewältigung des demografischen Wandels unter die Räder kommen.

Da wären zunächst die unwirtschaftlichen Fördermillionen. Anders lässt sich die absurde Situation wohl kaum erklären, dass Minister Bode mehr als 30 Millionen Euro reinen Landesgeldes neu in die Luft- und Raumfahrt pumpt und gleichzeitig in 2013 auf mehr als 10 Millionen Euro GRW-Förderung des Bundes verzichten will, weil er das Bundesgeld mit einer gleichen Summe vom Land gegen finanzieren müsste.

Zur Erinnerung: Nach millionenteuren Fehlsubventionen einigten sich der Rechnungshof und das Wirtschaftsministerium erst vor wenigen Monaten bei der GRW-Förderung auf Absprachen, um sicherzustellen, dass künftig das GRW-Geld nur die erhalten, die es auch brauchen. Das Einigungspapier scheint Minister Bode die Lust genommen zu haben, die für das Land finanziell günstige Wirtschaftsförderung mit GRW-Mitteln im bisherigen Umfang weiterzuführen.

Seine Spendierlaune will der Minister jetzt in der Luft- und Raumfahrt ausleben und schenkt der Branche noch einmal zusätzlich 30 Millionen Euro aus der Landeskasse – nach dem Förderpaket über 100 Millionen Euro vor drei Jahren!  Mehrfachförderung und Förderung von Unternehmen, die selbst in der Lage sind, ausreichend zu investieren– nach GRW-Kriterien und Hauhaltsvernunft müsste das eine Förderung eigentlich ausschließen. 

Offensichtlich haben Sie, Herr McAllister und Herr Bode, bzw. Ihre inzwischen anderweitig engagierten Vorgänger im Amt die 100 Millionen Euro Förderung der vergangenen Jahre ohne ausreichende Absicherung von Gegenleistungen aus der Industrie verpulvert, sonst müsste nach diesem enormen öffentlichen Anstoß in eine gut verdienende Branche die Forschung und Entwicklung in den öffentlich neu geschaffenen Einrichtungen jetzt von alleine laufen.

Anrede,

es ist ein großer Fehler bei der engen Haushaltslage das sinnvoll für den Mittelstand einsetzbare Bundesgeld liegen zu lassen und stattdessen so viel Landesgeld erneut nur für eine Branche in die Hand zu nehmen.

Wir Grüne stehen dagegen für transparente Förderung unter Beteiligung der Verbände und ohne Mitnahmeeffekte. Dazu wollen wir die Umwandlung in verbilligte Kredite oder Beteiligungskapital.

Das Gegenteil geschieht beim neuen Programm "Zukunft und Innovation Niedersachsen" von Minister Bode. Nachdem 2011 der gescheiterte Innovationsfonds aufgelöst worden war, fließen nun jährlich 2 Millionen Euro in diesen neuen Wirtschaftsförderfonds. Minister Bode setzte sich selbst an die Spitze der dafür geschaffenen Mini-Vergabe-Institution und wählte sich aus handverlesenen Unternehmen einige wenige Vertreter als Beirat. Wie die Kammern kritisieren wir Grüne das als Förderung "nach Gutsherrenart" gepaart mit "wenig Lust an Transparenz".

Unsere Haushaltsvorschläge korrigieren diese Fehlentwicklungen liberaler Förderpolitik und stärken die N-Bank als Zentrale Förderbank, bei der wir auch N-Global eingliedern wollen, anstatt immer neue halbprivate Gesellschaften zu schaffen, die nicht mehr ausreichend kontrolliert und gesteuert werden können. 

Anrede,

der augenblickliche Höhenflug auf dem Arbeitsmarkt sollte Ihnen auch nicht den Blick auf das überproportionale Anwachsen von Teilzeitjobs und prekärer Beschäftigung verstellen. Trotz des regional demografisch bedingt bereits angezeigten Fachkräftemangels, ist weiterhin eine große Zahl junger und älterer Menschen in Niedersachsen auf der Suche nach auskömmlich bezahlter Arbeit und Qualifizierung. 

Deshalb ist es dringend geboten, das Rotstift-Diktat von Frau von der Leyen in Niedersachsen abzufedern. Es kann nicht sein, dass wir bei einem unverändert hohen Sockel an Langzeitarbeitslosen, 74.000 im November 2011, weiterhin viele Jugendliche in Übergangssystemen parken. Es ist ebenso falsch, dass die Regierung die Mittel für Arbeitsmarktförderung und Qualifizierung streicht (3 Mio. Euro DIA-Mittel) wenn hierzulande mehr als ein Drittel der offenen Stellen auf Leiharbeitsplätze entfallen.

Jährlich qualifizieren unsere Jugendwerkstätten rund 5.000 Jugendliche, an die fast niemand mehr geglaubt hat. Das "von der Leyen-Streichkonzert" gefährdet diese wertvolle Arbeit. Und das schwarz-gelb geführte Niedersachsen schaut zu.

Wir Grüne legen dagegen ein Programm auf, damit alle Menschen über Arbeit an Gesellschaft teilhaben können und der Platz für Ausbildung von Benachteiligten gesichert wird.

Anrede,

bei den Haushaltsberatungen stießen wir auch an anderer Stelle auf einen schwarz/gelb gemachten Systemfehler zum Vorteil des Straßenausbaues alter Schule und zum Nachteil des zukunftsträchtigen Schienenverkehrs in Niedersachsen, die versteckten Autobahnzuschüsse.

Bisher  glaubten wir bei der Begrifflichkeit "Auftragsverwaltung des Bundes" zum Bau und Betrieb der Bundesstraßen und Autobahnen immer an einen klar definierten Auftrag mit Leistung und angemessener Gegenleistung. In Wirklichkeit ist das System aber in Niedersachsen in kompletter Schieflage zu Lasten der Landeskasse.

Von den 197 Millionen Euro Jahreskosten dieser sogenannten Auftragsverwaltung beträgt der Finanzierungsbeitrag des Landes mit 90,6 Millionen Euro gut 45 %.  Damit gibt Niedersachsen für Straßen des Bundes mehr eigenes Geld pro Jahr aus als für den Erhalt der Landesstraßen. –Das ist absurd.

Zu allem Überfluss nimmt sich die Landesregierung auch noch jedes Jahr einen weiteren Betrag dieser Größe aus den Regionalisierungs-mitteln des Bundes zur Finanzierung des Schienennahverkehrs, um damit den Landesanteil für den Schülerverkehr, der zum Großteil über unsere Straßen läuft, zu bezahlen. - Einseitige Straßenorientierte Politik zu Lasten  der Schiene und des ÖPNV hat in Niedersachsen zwei Farben: Schwarz und Gelb.

Nicht genug damit, dass allein daraus mehrere 100 Millionen Euro dem Ausbau des Schienenverkehrs in den vergangenen Jahren vorenthalten wurden, selbst die am Ende nicht nur für die Schublade erstellten Straßenplanung gehen fast voll auf Kosten des Landes.

Während das Land mit nur 2 bis 3 Prozent der Baukosten für seine Planungs- und Bauleitungstätigkeit im Straßenbau vom Bund abgespeist wird, verhandelt z.B. das inzwischen zur Wirtschaftlichkeit verpflichtete Unternehmen DB gerade mit dem Bund über einen 18 % Anteil für Planungs- und Bauleitungskosten von der jeweiligen Bausumme. – Ja ist denn Niedersachsen nicht zur Wirtschaftlichkeit im Handeln verpflichtet, Herr Minister Bode? -

Nun leben wir nicht in Zeiten, wo durch eine nachträgliche finanzielle Gleichstellung von Schiene und Wasserwegen mit der bisherigen Bevorzugung der Straße ein Ausgleich herstellbar wäre. Dazu fehlt schlicht das Geld. Deshalb ist angesichts des wachsenden Problems beim Gütertransport im Hafenhinterlandverkehr nötig, dass wir Geld aus der bisherigen Straßenplanung abziehen, um den weit effizienteren und klimafreundlicheren Ausbau von Schiene und Binnenwasserstraßen damit als Land endlich angemessen voran treiben zu können.

Die vorhandenen Straßen werden durch diese Umschichtung nicht in Mitleidenschaft gezogen. Wir Grüne wollen die verbleibenden Straßenbaumittel sogar zu einem besseren Substanzerhalt und mehr Radwegebau einsetzen, damit das bewusste Kaputtsparen durch Schwarz-Gelb aufgrund ihrer fatalen Liebe zu Neubauprojekten endlich beendet wird.

Anrede,

unsere Einsparungen und vielen weiteren Umschichtungen, zum Beispiel für mehr Verbraucherberatung oder für einen Altlastenfond der den Kommunen bei der Bewältigung ihrer zum Teil gewaltigen Altlastenprobleme hilft, sind mehr als Kostendeckend im Vergleich zum Entwurf der Regierungsfraktionen. –

Es wäre gut für unser Land, wenn die grünen Vorschläge schon am Freitag eine Mehrheit erhalten würden. Wenn nicht, dann spätestens in 15 Monaten, wenn wir Kassensturz gemacht haben und neu anfangen! 

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