Rede Elke Twesten: Landeskonferenz Prostitution initiieren - Anliegen des bestehenden Prostitutionsgesetzes besser umsetzen

Landtagssitzung am 18.07.2012

Elke Twesten, MdL

Anrede,

Anfang 2002 ist das Prostitutionsgesetz in Kraft getreten. Was wir geschafft haben: Gesellschaftlich wird über Prostitution gesprochen. In den Parlamenten, auf den Straßen, in den Medien. Das Thema, das traditionell in der Schmuddelecke hockte, ist  präsenter geworden, salonfähiger. Die Bilanz an sich fällt allerdings ernüchternd aus - nur wenige Frauen nutzen ihre Rechte.

Für eine spürbare Stärkung und Unterstützung der Prostituierten selbst reicht das Gesetz ganz offenbar nicht - es besteht weitgehende Einigkeit darüber, dass sich die Arbeitsbedingungen für Prostituierte nicht wesentlich verändert haben.

Stattdessen haben sich beunruhigende Entwicklungen etabliert

  1. Dem Bericht der Bundesregierung aus dem Jahr 2007 zufolge haben nur ein Prozent der Prostituierten einen Arbeitsvertrag. Mit und ohne Gesetz haben nur wenige Prostituierte Zugang zur Sozialversicherung.
  2. Aus einer EU-Studie mit Datenvergleich aus 150 Ländern geht hervor, dass die völlige Legalisierung der Prostitution in Deutschland dazu geführt hat, dass der Markt für käuflichen Sex stark angewachsen und zu einem massiven Anstieg des Menschenhandels geführt hat.

Einer der drei Autoren, Prof. Axel Dreher sagt dazu: "In Deutschland, wo die Prostitution legal ist, ist der Markt mehr als 60 Mal so groß wie in Schweden, wo Prostitution verboten ist. Gleichzeitig hat Deutschland rund 62 Mal so viele Opfer infolge von Menschenhandel wie Schweden, obwohl die Bevölkerung weniger als zehn Mal so groß ist." Gleichzeitig rät er entschieden davon ab, die Rolle rückwärts zu vollführen. (Taz) und das Gesetz wieder zu verschärfen.

Das Führen eines Bordells hat sich zu einer Geschäftsidee mit hohen Gewinnmargen entwickelt. Auch gutsituierte - in der Regel - GeschäftsMänner - haben den Markt nach der Legalisierung für sich entdeckt und verdienen nicht schlecht daran, dass Frauen ihre Körper verkaufen.

So wie Jürgen Rudloff mit seinem gut gehenden Club "Paradise" vor den Toren Stuttgarts, in dem jährlich 55.000 Freier ein- und ausgehen und in dem vor allem Osteuropäerinnen arbeiten sollen - das Geschäft brummt, der Bordellbesitzer will expandieren und gleich noch drei weitere Clubs aufmachen.

Wir haben uns von daher vor allem die Frage zu stellen, wem dieses schlicht gehaltene Gesetz tatsächlich dient und es drängt sich der Verdacht auf, dass es die, um die es eigentlich gehen sollte, en masse nicht erreicht.

Und selbst die wenigen, die wir erreichen, müssen das Geld jetzt zwar nicht mehr an Zuhälter, dafür aber an Bordellbetreiber mit Mietwucherpreisen abgeben. Etablierte Prostituierte berichten, dass das Angebot viel größer geworden sei und damit vor allem Lohndumping betrieben wird.

In dieser Form also scheint das Gesetz kein geeignetes Instrument zu sein, den eigentlichen Problematiken zu begegnen. Das alles wissen wir, spätestens seit der Evaluation 2007. Und was passiert? Nichts!

Baden-Württemberg hat versucht, die kollektive Lethargie in Bund und Land zu durchbrechen und zusammen mit anderen Bundesländern eine Bundesrats-Initiative gestartet, in der sehr richtig auf das überbordende Machtgefälle zwischen Zuhältern und Bordellbesitzern einerseits und der Ohnmacht von Prostituierten andererseits hingewiesen wird.

Anrede,

wir sind uns sicherlich einig, dass eine Rückkehr zur alten Gesetzeslage die Situation der Frauen nicht verbessern würde. Aber so wie es ist, geht es auch nicht! Das mag daran liegen, dass Prostitution ein hochemotionales und gleichzeitig weiterhin stark tabuisiertes Thema ist.

Deshalb also gilt es, jetzt ins Gespräch zu kommen, nichts anderes hat der Linken-Antrag zum Ziel, einen neuen rechtlichen Rahmen zu entwickeln, mit dem die bestehenden geschäftlichen Beziehungen zwischen Prostituierten und Bordellbetreibern klar definiert und einklagbar wären.

Im Sinne der Betroffenen könnte ein Runder Tisch in Niedersachsen zunächst dazu führen, eine Situationsanalyse durchzuführen und dann Handlungsempfehlungen für die Beratungen auf Bundesebene einzubringen.

Und das meine Damen und Herren, ist dringend geboten. Den Antrag der Linken sang- und klanglos abzulehnen, passt zur Haltung der Bundesministerin Schröder. Fünf Jahre nach der Evaluation sagt sie noch immer: "Die Bundesregierung prüft, welcher ergänzenden Regelungen es bedarf." Wie lange, so frage ich mich, will sie noch prüfen, in einem Jahr ist die Legislaturperiode um - wir helfen ihnen dann allerdings gerne auf die Sprünge!

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