Rede Elke Twesten: Entwurf eines Niedersächsischen Gleichberechtigungsgesetzes (NGG)

Anrede,

"Männer und Frauen sind gleichberechtigt". Die zentrale Frage bei der Bewertung des vorliegenden Gesetzes lautet: Trägt es zur Gleichstellung von Männern und Frauen bei? Oder ist es nur eine – eher lästige - legislative Pflichtübung. Wer den Gesetzestext liest, wird feststellen: hier bewegen wir uns in einem Politikfeld, das von der Landesregierung ambitionslos bearbeitet wird. Und – mit der falschen Zielsetzung. Nicht um Gleichstellung geht es Ihnen, es geht wieder mal und vornehmlich um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie.

Wenn es um die Verbesserung der Situation, der Lebenschancen von Frauen geht, also um wirksame Gleichstellungspolitik, macht die Landesregierung offensichtlich immer eine spezielle Entdeckung. Die Entdeckung der Langsamkeit.

Wenn Sie wenigstens die Zeit genutzt hätten, um eine ordentliche Fassung vorzulegen. Sie haben sich von der letzten Beratung im Jahre 2006  bis heute nicht einmal die Mühe gemacht, die  aktuelle Situation zu erfassen. Die alten Daten sind symptomatisch für eine Politik, die sich nicht die Mühe macht up to date zu sein.

Sie sind nicht up to date – Sie legen das vor, was Sie in der letzten Legislatur nicht fertig bekommen haben.

Zur frauenpolitischen Ignoranz Ihrer Politik passt, dass Sie die positiven Ergebnisse des Anhörungsverfahrens nicht aufgegriffen haben. CDU/FDP ignorieren die Realität. Sie tun so, als wäre Gleichberechtigung schon erreicht und nun ginge es nur noch um die Beseitigung der Benachteiligung von Frauen und Männer mit Kindern gegenüber Kinderlosen.

Ich halte das für ein unzulässiges Vorgehen.

Es sind zwei unterschiedliche Probleme, die wir angehen müssen: Und es kann nicht darum gehen, Kindererziehung gegen Frauenförderung ausspielen. Benachteiligung von Frauen darf nicht auf die Mutterrolle reduziert werden! Sie wissen so gut wie ich, dass nicht nur Mütter weniger Chancen auf gut bezahlte Führungspositionen haben. Den Frauen, die keine Kinder haben, und an denen die männlichen Kollegen trotzdem vorbei befördert werden – wie wollen Sie denen eigentlich mit dem vorliegenden Gesetzentwurf gerecht werden? Bei den höheren Besoldungsgruppen in den Ministerien liegt der Anteil der Frauen bei einem Viertel. 90 Prozent der höchsten Führungspositionen im öffentlichen Dienst sind mit Männern besetzt. Der Gesetzentwurf ist nicht geeignet hier wirksame Abhilfe zu schaffen.

Gleichstellungspläne und die Bestellung einer Gleichstellungsbeauftragten in Dienststellen mit weniger als 50 Beschäftigten fallen unter den Tisch, auf die Berichtspflicht der einzelnen Dienststellen, wie es um die Gleichberechtigung vor Ort bestellt ist, wird verzichtet.

Selbst vor der so genannten landesweiten Quote, wonach gilt,  dass Frauen bei gleicher Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung bei Auswahlentscheidungen bevorzugt zu berücksichtigen sind, haben Sie nicht Halt gemacht und geben diese sang- und klanglos auf.

Nicht länger müssen Dienststellen zur Hälfte mit Frauen besetzt werden, auch die selbstständigen Betriebe und kommunalen Eigenbetriebe fallen aus dem Geltungsbereich dieses Gesetzes heraus.

Im neuen Entwurf fehlt zudem die ausdrückliche Verpflichtung, Teilzeitstellen zu fördern. Wenn das Gleichberechtigungsgesetz kein wirksames Instrument enthält, Teilzeitstellen einfordern zu können, frage ich mich, wie ernst Sie selbst Ihren selbst gewählten Schwerpunkt -Vereinbarkeit von Beruf und Familie - tatsächlich nehmen. Damit fällt die Akzeptanz, sich auf Teilzeitstellen zu bewerben, weil sie ohne gesetzliche Flankierung als minderwertig wahrgenommen werden.

Welcher Mann würde sich für eine solche Arbeitsstelle interessieren?

Drei große Schritte  in eine falsche Richtung. Wer eine Gleichstellungspolitik will, die diesen Namen verdient – kann hier nicht mitgehen.

Sehr fragwürdig ist übrigens, dass Sie im alten und im neuen Entwurf wiederum den Hinweis auf sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz gestrichen haben. Auch ein Zeichen für Realitätsverweigerung.

Anrede,

die Gleichstellung ist eines unserer zentralen Motive der Politik von Bündnis 90/Die Grünen. Ich denke - wir sind hier Motor einer positiven Entwicklung.

Ich würde Ihnen von der Landesregierung raten wollen – seien Sie nicht so ängstlich.  Trauen Sie sich: Verbessern Sie den Entwurf, machen Sie ein Gleichstellungsgesetz, das den Namen verdient.

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