Rede Elke Twesten: Das Recht auf Unversehrtheit gilt auch für intersexuelle Menschen

Landtagssitzung am 18.07.2012

Rede Elke Twesten, MdL

Meine Damen und Herren,

in seinem Ausblick auf diese Plenarwoche zählte der uns wohlbekannte Rundblick einige Themen auf, die uns heute beschäftigen. Eher nebenbei und vielleicht auch nur zufällig, wurde der Antrag erwähnt, der uns heute, fraktionsübergreifend unterstützt, vorliegt.

Dabei verdient dieser Tagesordnungspunkt weit mehr Aufmerksamkeit, denn es geht hierbei um nicht weniger als die Rechte und die endlich zu verwirklichende Akzeptanz unserer intersexuellen Mitmenschen.

Meine Damen und Herren,

seit mehreren Jahrzehnten kämpfen nicht nur die Grünen vehement für die gesamtgesellschaftliche Akzeptanz und konsequente Gleichstellung von Lesben, Schwulen, Bi-, Trans- und Intersexuellen in dieser Republik. Bündnisgrüner Politik ist es jedoch maßgeblich zu verdanken, dass unsere Gesellschaft offener und pluralistischer geworden ist. So hat zum Beispiel das Gesetz zur eingetragenen Lebenspartnerschaft zu mehr Toleranz gegenüber Lesben und Schwulen geführt. Damit können wir uns aber nicht zufrieden geben.

Meine Damen und Herren,

in den letzten Jahren ist des den intersexuellen Menschen in unserer Gesellschaft gelungen, sichtbarer zu werden und ihre Forderungen lautstark zu artikulieren. Sie haben es geschafft eine breitere Öffentlichkeit für sich herzustellen, die die starre Geschlechtszugehörigkeit zu Recht hinterfragt. Es ist in erster Linie ihrem Mut und ihrem Engagement zu verdanken, dass ihre allzu berechtigten Anliegen enttabuisiert wurden und den Weg in den öffentlichen Diskurs gefunden haben.

Als Grüne stellen wir uns jeder Art von Ausgrenzung aktiv und engagiert entgegen. Wir bekämpfen nicht nur alle Formen von Homo- und Transphobie, sondern fordern Bund und Länder zu einem entschiedenen Vorgehen gegen die Diskriminierungen von Intersexuellen auf. Aus Politik und Gesellschaft und nicht zuletzt vom Deutschen Ethikrat wurden klare Forderungen aufgestellt, denen es jetzt nachzukommen gilt.

Mit dem fraktionsübergreifenden Antrag wird die Landesregierung aufgefordert, sich aktiv in die Diskussion um das Personenstandsgesetz einzubringen. Ziel muss ebenso sein, dass medizinisch nicht notwendige Operationen unterbleiben, um die Identitätsfindung, insbesondere während der Pubertät, nicht negativ zu beeinflussen – alles andere wäre ein Vergehen an Körper und Psyche, eine Praxis, die leider viel zu lange vollzogen wird und daher dringend gestoppt werden muss.

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir alle können dafür sorgen, dass intersexuelle Menschen zu ihren Rechten kommen, dass allein sie darüber entscheiden, welches Geschlecht sie nicht nur fühlen, sondern auch leben möchten. Dabei müssen wir auch dafür sorgen, dass das Thema in das Bewusstsein unserer Mitbürger_innen rückt und dort auch verbleibt.

Wir Grüne hätten es begrüßt, wenn die Beratungen auch dazu geführt hätten, dass das Thema Intersexualität neben den Themen Sexualität, Liebe und Partnerschaft in die schulischen Kerncurriculae verankert worden wäre. Denn es ist wichtig den Schülerinnen und Schülern Kompetenzen auch gegenüber Vorurteilen zur Homosexualität und zur Intersexualität zu vermitteln. Wir brauchen keine Unverbindlichkeit, sondern ein klares Bekenntnis, dass in Zukunft Lehrerinnen und Lehrer nicht nur für das Thema sensibilisiert werden, sondern sie ihren Schülerinnen und Schülern dieses Wissen verbindlich mit auf den Weg in ihr weiteres Leben geben können. Wenn etwas erfolgreich gegen Diskriminierung wirkt, dann ist es Aufklärung.

Wenn wir uns als Politik dazu bekennen, liegt es auch an uns, die Thematik, wo immer sie sich entwickelt, auch anzusprechen und die Initiativen zu unterstützen, die uns bei diesem Thema um unsere Unterstützung ersuchen. Und da ist es für ein Flächenland wie Niedersachsen unerlässlich, dass Lesben, Schwulen, Bi- Trans- und nicht zuletzt Intersexuelle, regionale Anlaufstellen haben, denen sie sich anvertrauen können und wo sie und ihre Angehörigen Hilfe erwarten können!

Unser Ziel ist ein diskriminierungsfreies Leben sowohl in der Stadt als auch auf dem Land. Hier stehen wir Politiker_innen in der besonderen Pflicht, in der Fläche zu sensibilisieren.

Meine Damen und Herren,

der gemeinsame Antrag ist eine erste Grundlage hin zu mehr Akzeptanz gegenüber unseren intersexuellen Mitmenschen. Es war längst überfällig, den  intersexuellen Menschen unseren Respekt und unsere Unterstützung auszusprechen. Jetzt müssen die Landes- und die Bundesregierung tätig werden und die Empfehlungen des Deutschen Ethikrates umsetzen. Wir bieten dabei unsere Unterstützung an.  

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