Rede E. Hagenah: Änderung der Geschäftsordnung des Niedersächsischen Landtages

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Anrede,
in einigen Punkten kann man alten Theoretikern immer wieder Recht geben: "Das Sein bestimmt das Bewusstsein." Nur so lässt sich der Meinungswechsel in der Frage der Parlamentsreform bei der Union erklären. Als Regierungspartei entwickeln CDU und FDP andere Interessen und blockieren die überfällige Modernisierung des Parlamentsbetriebes.
Die Ablehnung der Anträge von Grünen und SPD wirkt wie ein Misstrauensvotum gegen die Enquete-Kommission unter Vorsitz des jetzigen Innenministers Schünemann. Vor einem Jahr konnte es der CDU-Oppositionsfraktion in der Umsetzung gar nicht schnell genug gehen, heute will davon in der Union keiner mehr was wissen.
Die in unserem Antrag formulierten Ziele sind unter anderem ein weniger starrer Tagungsablauf im Plenum durch Kurzinterventionen und ein Selbstbefassungsrecht zu aktuellen Themen in den Ausschüssen.
Die Begründung für die Ablehnung unseres Antrages ist fadenscheinig: die FDP als Parlamentsneuling könne noch keine eigene Positionen beziehen und deshalb müsse die Reform verschoben werden. Wer Regierungsverantwortung übernimmt, muss auch wissen, wie es im Parlament läuft und welche Verbesserungen notwendig sind.
CDU und FDP geht es offenbar darum, über die Ergebnisse der Arbeit der Enquete-Kommission möglichst viel Gras wachsen zu lassen und möglichst wenig davon zur Umsetzung zu bringen. Das ist "Arroganz der Macht" gleich am Anfang Ihrer Regierungszeit und so etwas merken nicht nur wir hier im Hause, dafür sind auch die Bürgerinnen und Bürger sehr sensibel.
Unser Antrag zu mehr Transparenz in der Politik durch die Pflicht zur Offenlegung außerparlamentarischer Interessensbeziehungen der Abgeordneten und unser Antrag zur Einrichtung einer Kommission für Integrationsfragen, in denen Verbandsvertreter von Migranten stimmberechtigt sind, waren der CDU zugegebenermaßen schon immer suspekt. So weit geht die christliche Ethik offenbar nicht.
Von der FDP aber erwarten wir ein klares Bekenntnis. Es gab in der Vergangenheit ja durchaus mal so etwas wie ein liberales Bewusstsein. Davon scheint aber auch nur noch die verkrustete Außenhülle übrig geblieben zu sein.
Umso erfreulicher, wie engagiert die SPD in der Opposition jetzt für die Umsetzung dieser Initiativen eintritt. Da hat sich mit der Landtagswahl das Bild bei beiden großen Fraktionen im Haus gewendet.
Wir erinnern uns noch, wie mühsam diese Kompromisse mit der regierenden SPD ausgehandelt werden mussten. Das Sein bestimmt das Bewusstsein.
Für die Glaubwürdigkeit unserer Demokratie ist das zu wenig, auf allen Seiten.

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