Rede Dorothea Steiner: Liberalisierung der Trinkwasserversorgung stoppen

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Anrede,
die Welthandelsorganisation (WTO) in Genf wartet derzeit auf Post aus Brüssel. Das Thema: Ihre Mitgliedsländer sollen die Liberalisierungsangebote für die laufende Verhandlungsrunde über den Dienstleistungssektor auf den Tisch legen. Nach den bisher bekannten Verhandlungspositionen der EU-Kommission ist vorgesehen, die Dienstleistung Trinkwasserversorgung in das Liberalisierungspaket mit aufzunehmen. Vereinbarungen hierzu würden tief in die Innenpolitik der Nationen eingreifen und auch in den deutschen Bundesländern wesentliche Strukturen tiefgreifend verändern. Bisher wird der Wasserbereich als grundlegende Aufgabe der staatlichen Daseinsvorsorge wahrgenommen. Mit der Debatte um unseren Antrag wollen wir dazu beitragen, dass diese Daseinsvorsorge als staatliche Verpflichtung erhalten bleibt. Wir wollen sicherstellen, dass der Staat für den Zugang zu Wasser, die Verteilung und für den Erhalt der Ressourcen verantwortlich ist. Würde man auch im Bereich der Trinkwasserversorgung uneingeschränkte Liberalisierung verordnen, würde Wasser nicht mehr als ein Lebensmittel von höchstem Rang behandelt, sondern als eine Handelsware und ein Objekt des Welthandels.

Die Bestrebungen in dem Welthandelsabkommen über den Dienstleistungssektor GATS den internationalen Wassermarkt liberalisieren zu wollen, werden sich vor allem für die Länder des Südens und die Schwellenländer verheerend auswirken. Wird die Vergabe von Krediten durch die Weltbank an die Öffnung von Märkten, in diesem Fall an die Öffnung des Wassermarkts geknüpft, werden davon vor allem die multinationalen Konzerne aus den USA und der EU profitieren.

Nach bisherigen Prognosen wird Wasser bis 2025 weltweit zur Mangelware. 60% der Weltwasserbestände sind im Besitz von neun Staaten, 80 Länder leiden bereits jetzt unter Wassernot. Wasserknappheit, Grundwasserübernutzung und Senkung des Grundwasserpegels, Wasserverschmutzung stellen viele Länder vor riesige Aufgaben, wenn sie Wasserversorgung und Gesundheit der Bevölkerung auf einem erträglichen Niveau sichern wollen. Trinkwasserknappheit stellt nach Auffassung der UNO-Menschenrechtsorganisation in Zukunft die größte Bedrohung dar, der die Menschheit je ausgesetzt war. Kofi Annan hat deshalb gute Gründe, wenn er das Menschenrecht auf Wasser postuliert.

Es handelt sich aber keineswegs um einen Anfall von Gutmenschentum in Bezug auf die Länder des Südens, wenn wir dieses Thema aufgreifen und die Liberalisierung und völlige Privatisierung ablehnen. Auch die Wasserversorgungsstrukturen in Deutschland und in Niedersachsen würden einer tiefgreifenden Umstrukturierung unterworfen.
Seit drei Jahren wird in Deutschland über die Liberalisierung und Privatisierung des Wassermarkts diskutiert. Bisher hat das GWB – das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, als Ausnahme einen Gebietsschutz festlegt. Damit wird die Grundlage der regionalen Strukturen der Trinkwasserversorgung gesichert.
Die großen Energiekonzerne sind allerdings schon dabei, den Markt aufzurollen. Es gibt genügend Kommunen, die wegen chronischer Geldknappheit ihre Wasserwerke oder Teile an große Konzerne oder ihre Töchter – wie z.B. Gelsenwasser veräußern. EON steigt gerade groß in den hessischen Wassermarkt ein, Eurowater, Vivendi, Suez Lyonnaise des Eaux, streben nach größeren Anteilen am 25-Milliarden-Wassermarkt in Deutschland.
Bisher ist in Niedersachsen die Qualität des Trinkwassers durchweg sehr gut, die regional verfügbare Wassermenge ist ausreichend, die Anlagenqualität ist am höchsten und die Wasserverluste in Anlagen und Leitungen sind am geringsten. Im internationalen Vergleich der Industrieländer liegt der Verbrauch in Deutschland im unteren Drittel.
Wir Grüne wollen, dass diese Position erhalten wird. Dazu müssen die regionalen Versorgungsstrukturen bestehen bleiben und der uneingeschränkten Liberalisierung und Privatisierung ein Riegel vorgeschoben werden. Das ist die Basis, um die bisherige Qualität und Versorgungssicherheit zu erhalten. Nur so kann gesichert werden, dass im Wasserbereich Ressourcenmanagement betrieben wird statt Schadstoffentsorgung. Nur so können die Preise für die Verbraucher stabil gehalten werden.
Ich möchte das zusammenfassen: Wir wollen die Rahmenbedingungen erhalten, um eine nachhaltige Wasserbewirtschaftung zu verbessern und auch in Zukunft betreiben zu können.
Warum sind diese Rahmenbedingungen nicht mehr gegeben, wenn der Markt völlig freigegeben wird, wenn der Gebietsschutz aufgehoben wird?
Viele bei der Wasserversorgung erbrachten Leistungen für den Naturschutz, den Umwelt- und Gesundheitsschutz werden bei einem liberalisierten Wassermarkt zurückgefahren werden oder ganz wegfallen. Naturgemäß ist die Zielsetzung großer Energie- und Wasserkonzerne an anderen Zielen ausgerichtet als Daseinsvorsorge und Nachhaltigkeit. Sie arbeiten nach unternehmerischen Grundsätzen; eine angemessene Rendite muss erzielt werden. Hoher Umsatz - sprich hoher Wasserverbrauch- und Zwang zur Kostenminimierung sind Grundlagen des unternehmerischen Handelns. Solche Zielvorgaben können aber im Bereich der Versorgung mit Wasser, dem Lebensmittel Nummer 1 nicht bestimmend sein. Wir können nicht zulassen, dass Shareholder Value auch noch in der Küche regiert. Es kann nicht sein, dass wesentliche Entscheidungen über die Qualität der Wasserversorgung an der Börse getroffen werden.
Das heißt natürlich nicht, dass sich die Wasserwirtschaft in Deutschland schon in Bestform befindet. Das gilt auch für Niedersachsen. Auch die kommunale Wasserwirtschaft muss zu Kooperationen und Fusionen kommen, um Synergieeffekte zu erzielen. Die Zusammenarbeit kommunaler Wasser-. und Abwasserbetriebe in Flusseinzuggebieten muss zum Bestandteil eines integrierten Flusseinzugsgebietsmanagements werden. Dezentrale Anlagen müssen organisatorische Verbünde eingehen, um den Personaleinsatz zu senken. Benchmarking ist auch in diesem Bereich angesagt. Die Aufgabe heißt: Umbau zu effizienten und kundenorientierten Dienstleistungsunternehmen, die sich einer nachhaltigen, ökologisch ausgerichteten Gewässerbewirtschaftung verpflichtet fühlen.
In der politischen Konsequenz bedeutet das: Wir erwarten von der niedersächsischen Landesregierung, dass sie in Niedersachsen eine regional orientierte und nachhaltige Wasserpolitik fortsetzt und weiterentwickelt. Wir haben die Grundsätze in unserem Antrag genannt:
- Die Trinkwasserversorgung bleibt Teil der Daseinsvorsorge der Kommunen und Regionen.
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- Das System der Gebietsmonopole und das Prinzip der Regionalität bleibt erhalten.
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- Die Kooperation der Trinkwasserunternehmen untereinander wird gefördert.
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- Die Trinkwasserversorgungsunternehmen werden bei der Einführung neuer Techniken durch das Land unterstützt.
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Auf nationaler und EU-Ebene bedeutet das: Die Bundesregierung wird unterstützt bei ihren Bemühungen, die Verhandlungsposition der EU so festzulegen, dass eine globale Liberalisierung der Trinkwasserversorgung nicht durchgesetzt wird. Wir erwarten, dass – entsprechend dem Prinzip der Subsidiarität – die Stellungnahmen demokratischer Organe der Staaten der EU wie der Bundestag, aber auch der Landtage der Bundesländer berücksichtigt werden. Denn es ist vor allem ein regionales Interesse der Bevölkerung der EU, wie die Organisation und Struktur der Trinkwasserversorgung ausgestaltet werden.
Deshalb, meine Damen und Herren, ist es notwendig, dass der Niedersächsische Landtag sich auf eine Position verständigt, wie wir sie in unserem Antrag formuliert haben und wir bitten alle Fraktionen um Unterstützung.


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