Rede Dorothea Steiner: Die Landesregierung muss umgehend die FFH-Gebietsmeldung ergänzen und vollständig nach Brüssel weiterleiten
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Herr Präsident, meine Damen und Herren,
das Thema "FFH-Gebiete" beschäftigt den Landtag inzwischen regelmäßig. Heute kommt es wieder auf den Tisch. Anlass ist das Spiel Landesregierung gegen EU-Kommission in der Frage: Wie setzt Niedersachsen die FFH-Richtlinie um? Die Landesregierung pflegt einen nachlässigen Umgang mit den Natura 2000-Gebieten und reizt hoch im Konflikt mit der EU. Die EU-Kommission sagt an, Wulff und Sander geben Kontra und hoffen das Spiel zu gewinnen, wenn die Landesregierung die geringstmögliche Meldung an FFH-Gebieten einreicht. Jeder Kundige kann prophezeien, dass die EU-Kommission Re sagen wird und am Ende wird Niedersachsen mit seiner Meldung nicht mal aus dem Schneider kommen. Das heißt erhöhten Einsatz zahlen, nämlich Zwangsgeld.
Meine Damen und Herren,
sowohl die Gespräche mit den Experten der EU-Kommission im letzten Jahr und die aktuelle Bilanzierung, die der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) letzte Woche präsentiert hat, zeigen, dass der niedersächsische Anteil am Netz Natura 2000, so wie er geplant ist, unzureichend ist.
Niedersachsen hat lediglich 7 % seiner Landesfläche für das Schutzgebietsnetz vorgeschlagen. Damit bildet es das ökologische Schlusslicht hinter allen anderen vergleichbaren Flächenländern. Selbst der Stadtstaat Bremen hat mit 9,4 % seiner Flächen mehr vorzuweisen. Für eine angemessene Meldung Niedersachsens wird ein zusätzlicher Bedarf von bis zu 100.000 Hektar gesehen.
Gleichzeitig werden häufig viel zu kleine und teilweise zerstückelte Gebiete gemeldet, ein negatives Beispiel ist Höhenzug Gehn im Osnabrücker Land. Viele Gebiete bestehen aus teilweise weit verstreuten und voneinander isolierten Teilflächen. Das entspricht gerade nicht dem Gedanken von einem zusammenhängenden europäischen Schutzgebietsnetz!
Die größten Versäumnisse sind die Nichtmeldung des Weser- und des Ems-Ästuars. Letztes Jahr waren sie noch vorgesehen, als die Vorschlagsgebiete mit den Experten der EU- Kommission erörtert wurden. Die Landesregierung meint aber, schon jetzt darüber entscheiden zu können, dass lediglich das Elbmündungsgebiet als FFH-Gebiet vorzuschlagen sei. Die Kommission war bereits letztes Frühjahr gegenteiliger Meinung.
Beschämend ist das Possenspiel mit Bremen. Bremen ist von Niedersachsen zu einer Haltung gedrängt worden, die auch der Auffassung der bremischen Umweltverwaltung widerspricht. Bekanntlich hat Bremens Umweltsenator Eckhoff vorgeschlagen, das Weserästuar zu melden. Der niedersächsische Ministerpräsident interveniert bei Ritter Henning, die rot-schwarze Landesregierung lässt ihren eigenen Umweltsenator im Regen stehen und beschließt einfach gar nichts. Herr Wulff und Herr Scherf glauben anscheinend, sie könnten vielleicht wenn es denn gar nicht anders geht, noch im März eine Korrektur vornehmen und dann die EU-Kommission für den Druck verantwortlich machen. Mit dieser Haltung werden sie sich aber in die Nesseln setzen!
Das gesamte Vorgehen in Niedersachsen zeugt von einer verfehlten Einstellung zum Netz Natura 2000 und zum Umgang mit unserem Naturerbe.
Andere Länder sind stolz auf ihre Naturschönheiten und die Artenvielfalt. Der Ansatz ist: wir haben viel zu bieten, das schützenswert ist. Dann schützen wir es auch und werben mit unseren Naturschönheiten. Die schwarzgelbe Landesregierung weiß, dass auch Niedersachsen wertvolle Natur zu bieten hat, aber gleichzeitig verkündet sie, wir schützen nur so wenig wie möglich, sonst schadet es der Wirtschaft. Der Naturschutz darf der Wirtschaft nicht ins Gehege kommen – Wirtschaftsinteressen gehen über Erhalt der Natur. Das ist eben kein Gleichgewicht von Ökonomie und Ökologie, wie es der Umweltminister so gerne propagiert.
Verschiedene Äußerungen von Mitgliedern der Landesregierung, insbesondere das letzte Interview des Umweltministers zu diesem Thema legen nahe, dass das Verfahren noch immer nicht begriffen worden ist. Der Umweltminister glaubt immer noch, dass er Schaden von der Niedersächsischen Wirtschaft abwendet, insbesondere von der Meyer-Werft, wenn er verhindert, dass das Emsmündungsgebiet für das Netz Natura 2000 vorgeschlagen wird.
Herr Sander, wenn Niedersachsen sich endlich entschließen würde, das Emsästuar als Natura 2000 Gebiet der EU vorzuschlagen und dieses in der zweiten Stufe tatsächlich FFH-Gebiet würde, dann würde sich für die Meyer Werft nichts ändern. Sie könnte weiterhin ihre Kreuzfahrtschiffe über die Ems in die Nordsee überführen. Um einmal ins Detail zu gehen: Die Tiefe der Fahrrinne ist durch Planfeststellungsbeschluss festgelegt, hier gibt es einen Bestandsschutz. Dass die ökologische Belastung der Ems durch Sommerstau oder Ausbaggern geprüft wird, war auch bisher notwendig und hat niemanden in den Ruin getrieben. Wenn jetzt im Zusammenhang mit der Meyer Werft wieder das alte Feindbild Arbeitsplätze gegen Umwelt ausgegraben wird, ist das wirklich vorsintflutlich.
Außerdem, Herr Minister, liefern Ihre rein wirtschaftlichen Argumente der EU-Kommission geradezu eine Steilvorlage für die Kritik am niedersächsischen Vorgehen.
Nächster Punkt:
Das immer wieder vorgetragene Argument, Niedersachsen brauche an der Ems nicht mehr FFH-Gebiete auszuweisen als die Niederlande, sticht auch nicht. Ein Blick auf die Karte schafft Abhilfe. Die Niederlande sind kaum betroffen, was das direkte Mündungsgebiet der Ems anbelangt, dies liegt zum weit überwiegenden Teil in deutscher Verantwortung. Sehen Sie doch mal nach, wo die Grenze im Dollart verläuft! In der Vorschlagsliste von 2004 waren immerhin noch 37 Kilometer Ems enthalten. Die hat die Landesregierung nun auch herausgenommen, weil sie der EU-Kommission mal zeigen will, wer hier am längeren Hebel sitzt.
Dabei ist die Umsetzung der FFH-Richtlinie eigentlich durchaus verständlich. In der ersten Stufe schlagen die Länder Gebiete nach naturschutzfachlichen Kriterien vor und in der zweiten Stufe entscheidet die EU-Kommission gemeinsam mit den betroffenen Ländern, welche der Vorschläge tatsächlich FFH-Gebiete werden.
Die Stellungnahme des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes lässt an Klarheit nichts zu wünschen übrig. Der GBD ist eine neutrale Instanz und hat die Rechtslage fundiert ausführlich und für jeden verständlich dargestellt.
Herr Sander hingegen verweist auf eine andere Rechtsauffassung, die im Umweltministerium entwickelt wurde und der Ministerpräsident verlässt sich darauf. Dazu kann ich nur sagen: die selbstgestrickte neue Rechtsauffassung aus dem Hause Sander biegt die FFH-Richtlinie so zurecht, dass es schon weh tut. Wenn das Umweltministerium juristisches Neuland betreten will, dann möge es sich doch bitte ein weniger folgenreiches Experimentierfeld aussuchen.
Der Regierungsmehrheit ist nicht so richtig wohl bei dieser Richtung. Man kann das daran erkennen, dass die Fraktionen von CDU und FDP nach ausführlicher Beratung im Ausschuss letzte Woche über den Antrag der SPD-Fraktion nicht mal positiv oder negativ abstimmen wollten, sondern mit ihrer Mehrheit eine erneute Verschiebung beschlossen haben. Die Abstimmung soll dann wahrscheinlich nach der EU-Reaktion stattfinden.
Meine Damen und Herren,
wir legen heute erneut einen Antrag zur fachlich notwendigen Ergänzung der FFH-Meldung vor. Noch besteht die Chance, bis zum 31. Januar die Meldung um die notwendigen Gebiete zu erweitern und ich fordere die Landesregierung mit Nachdruck auf, genau das zu tun und ihre Trotzhaltung aufzugeben.
Beim Skat hätten Sie sich überreizt. Legen Sie endlich Ihr Blatt auf den Tisch, damit es nicht noch teurer wird. Dass das Zwangsgeld für unzureichende Gebietsmeldungen aus Eichels Schatulle gezahlt würde, das glauben Sie doch wohl selber nicht. Niedersachsen hat es in der Hand und aus dem niedersächsischen Haushalt muss dann auch gezahlt werden.