Rede D. Steiner: Flut und Dürre ? zwei Seiten einer Medaille: Vorsorgenden Hochwasserschutz im Binnenland verbessern

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Anrede

Wir haben in Deutschland 200 Hochwasser im Jahr. Dresden wurde vor einem Jahr von einem Jahrhunderthochwasser überschwemmt. Von der Höhe her war es eher ein Jahrtausendhochwasser. Wir können zwar hoffen, dass wir in den nächsten Jahren von solchen Hochwassern verschont werden. Wahrscheinlich ist das nicht. Denn der Klimawandel erhöht in Mitteleuropa die Häufigkeit von Starkregen. Die Dürre dieses Sommers ist nur die Kehrseite der Medaille und mit hoher Wahrscheinlichkeit ebenso ein Indiz für sichtbar werdenden Klimawandel. Uns holen jetzt aber erst die Sünden der vergangenen zwei Jahrhunderte ein. Selbst bei größtmöglichen globalen Anstrengungen zur Verbesserung des Klimaschutzes sind in den kommenden Jahrzehnten vermehrt Hochwasser in der folge extremer Niederschläge in Mitteleuropa zu erwarten.
Hochwasser können durch Menschen nicht verhindert werden, sie sind Teil der Natur. Wir können lediglich durch ökologische Hochwasservorsorge und durch nachhaltige Flusspolitik das Ausmaß der Schäden verringern. Deshalb müssen wir uns aus der intensiven Nutzung der hochwassergefährdeten Gebiete zurückziehen. Das Bundesumweltministerium hat auf der Basis des 5-Punkte-Programms vom letzten Jahr ein Artikelgesetz zum vorbeugenden Hochwasserschutz erarbeitet. Dieses Gesetz beinhaltet Änderungen im Wasserhaushaltsgesetz6, im Baugesetzbuch, im Raumordnungsgesetz und im Bundeswasserstraßengesetz. Wir finden es notwendig, dass der Landtag dieses Artikelgesetz unterstützt, ebenso wie die Niedersächsische Landesregierung.
Die drei Fraktionen im Landtag hatten in einer gemeinsamen Entschließung im letzten Oktober bereits gefordert, Vorranggebiete für den Hochwasserschutz im Landesraumordnungsprogramm festzulegen. Konsequent ist aber, an allen Gewässern erster und zweiter Ordnung die Gebiete als Überschwemmungsgebiete gesetzlich zu schützen, in denen ein Hochwasser statistisch mindestens einmal in hundert Jahren zu erwarten ist.
Im August hat uns die Landesregierung mitgeteilt, dass noch Bedarf zur Ergänzung geeigneter Planungsgrundlagen bei der Abgrenzung der Überschwemmungsbereiche bestehe. Dies muss beschleunigt voran getrieben werden und dabei sollten auch die überschwemmungsgefährdeten Gebiete mit einbezogen wird. Grundsätzlich darf es in Zukunft nicht mehr möglich sein, neue Baugebiete in Überschwemmungsgebiete hinein zu entwickeln. Deshalb brauchen wir auch eine Novellierung des Niedersächsischen Wassergesetzes. Das Ziel muss einerseits sein, Schadenspotentiale bei bestehenden Nutzungen zu mindern. Entscheidend ist aber, dass es in Zukunft keine Ausnahmeregelungen mehr für neue Nutzungen und Maßnahmen geben darf, die die Retentionsfähigkeit und den Hochwasserschutz behindern.
Nach dem großen Hochwasser im August wurden die spontane Einsicht und die guten Absichten von allen formuliert. Auch die gemeinsame Landtagsentschließung im Oktober zeugt davon.
Nun wissen wir aber, dass ein Jahr den Schock und die guten Vorsätze deutlich abgemildert hat. Die gute Absicht, keine Bebauungen in Überschwemmungsgebieten zuzulassen und durchzuführen, wird immer wieder durchlöchert – Wiederbebauungen und Neuausweisungen von Wohn- und Gewerbegebieten finden statt -selbst in Sachsen, das am stärksten betroffen war.
Auch in der Stellungnahme der Landesregierung vom August sind vorsichtige Relativierungen des gemeinsam formulierten Ziels zu erkennen. Deshalb wollen wir mit unserem Antrag eine konkrete Festlegung in bezug auf die Überschwemmungsgebiete erreichen. Bisher ist es so, dass Ausnahmen beantragt werden und dem Antrag in der Regel stattgegeben wird. Hier wird § 93 NWG entsprechend ausgelegt. Beispiele sind Legion. Will man Ernst machen mit den Absichtserklärungen zum Hochwasserschutz muss man diese Ausnahmen unterbinden.
Die Renaturierung von Auwäldern ist nicht nur sinnvoller Hochwasserschutz, sondern sie dient auch dem Erhalt der Artenvielfalt. Das ist auch eine Ländersache.
Natürlich wäre es eine Illusion zu glauben, die Auen, die die Menschen den Flüssen durch Eindeichung, Begradigung, Bebauung und ackerbauliche Nutzung genommen haben, wieder vollständig der Natur zurück zu geben. Der Verlust dieser Flächen beläuft sich auf 80 bis 90 Prozent. Aber wir müssen in Niedersachsen erhöhte Anstrengungen unternehmen, den Flüssen wieder Raum zu geben. Dazu gehört, dass Altarme und Feuchtgebiete an Flüssen wieder hergestellt werden. Sie werden vermutlich sagen, das passiert alles schon. Dann schlage ich vor, Sie sehen sich mal an, wie z.B. an der Hunte südlich von Oldenburg, die ackerbauliche Nutzung (d.h. der Grünlandumbruch) stetig bis an den Uferstreifen vorangetrieben worden ist. Die Liste der Beispiele lässt sich verlängern.
Damit bin ich bei Punkt 5 unseres Antrags. Der Umbruch von Grünland zu Ackerland war immer ein Konfliktfeld. Da hängt natürlich auch damit zusammen, dass die Landwirte für alle möglichen Ackerfrüchte Prämien bekommen, für Grünland aber nichts. Die Ausnahme sind Feuchtwiesen, die für den Naturschutz interessant sind.
Andere Länder haben das durch landesfinanzierte Programme zu kompensieren versucht, Niedersachsen nicht. Wir begrüßen es, dass der Landwirtschaftsminister die neue EU-Agrarreform nutzen will und beim Flächenprämiensystem das Grünland nicht ausklammert.
Die Bundesregierung plant eine Einstellung der ackerbaulichen Nutzung von Überschwemmungsgebieten bis 2012. Jede weitere jetzt erteilte Genehmigung der Umwandlung von Grünland in Ackerland würde spätere Entschädigungsansprüche nach sich ziehen. Dies sollte die Landesregierung unbedingt vom Haushalt abwenden.
Unser letzter Punkt zielt auf die Verbesserung der Wasseraufnahmefähigkeit von Böden, den Rückbau von Entwässerungsanlagen und eine effektive Regenwasserrückhaltung in Siedlungsgebieten. Die Landesregierung weist in ihrer Stellungnahme zwar auf die besondere Funktion der Oberläufe der Gewässer und der Nebengewässer für den Hochwasserschutz hin, sie zieht aber keine Konsequenzen daraus. Dabei ist es gerade für die Reduzierung von Hochwasserspitzen unabdingbar, das Wasser länger in der Fläche zu halten. Von der bisherigen wasserwirtschaftlichen Zielsetzung, auch in unbesiedelten Bereichen das Niederschlagswasser möglichst schnell einer Vorflut zuzuführen, muss Abstand genommen werden. Ebenso müssen die Anstrengungen verstärkt werden, im besiedelten Bereich Regenwasser dezentral zurück zu halten und mehr Niederschlagswasser vor Ort versickern zu lassen.
Das alles, meine Damen und Herren, ist ein ganzes Paket großer und kleinerer Maßnahmen, die man zügig umsetzten muss. Warten wir mit der Umsetzung nicht solange, bis die nächste Flut uns wieder Beine macht.

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