Rede Christian Meyer zur Aktuellen Stunde: Strafrabatt für Tierquäler – Scheitert Lindemanns Tierschutzplan an Agrarlobby und CDU?

Landtagssitzung am 13.04.2011

Christian Meyer, MdL

Anrede,

das Staatsziel Tierschutz ist seit 1993 in der niedersächsischen Verfassung. Dort heißt es in Artikel 6b: "Tiere werden als Lebewesen geachtet und geschützt."
Trotzdem ist dieses Staatsziel in der Wirklichkeit der Politik dieser Landesregierung noch nicht so recht angekommen.
Nach dem überfälligen Rücktritt von Ministerin Grotelüschen wegen Tierquälereien und Dumpinglöhnen versprach der neue Minister Lindemann eine grundlegende Wende für mehr Tierschutz.
Zitat: "Ich will Bedingungen schaffen, die nicht automatisch zur Tierquälerei führen." (HAZ vom 18. Januar 2011) Es gebe tierquälerische Haltungsformen, da helfe kein Leugnen, so Lindemann.

Und da hatten Sie recht, Herr Minister. Willkommen in der grausamen Wirklichkeit der "modernen Nutztierhaltung". Zu lange hat diese Landesregierung die qualvollen Zustände in den Massentierhaltungsfabriken geleugnet. Obwohl sie lange im Ministerium geheim gehalten wurden, haben die Studien von Prof. Hartung oder auch von Frau Petermann die Erkrankungen und Verletzungen insbesondere von Hühnern und Puten klar aufgedeckt.

Folgerichtig verkündete Minister Lindemann auf einer Pressekonferenz einen 38 Punkte-Plan für mehr Tierschutz in Niedersachsen. Doch wenn man nachfragt, was die 38 Punkte enthalten, stößt man auf eine Mauer des Schweigens. Das müsse erst mit der Lobby besprochen werden. Die jedenfalls sorgt schon wieder dafür, dass sich an der grausamen Realität nichts ändert.

Landvolkpräsident Hils spricht von "Amoklauf". Herr Große Macke plädiert in der HAZ vom 22.3.2011 für Zurückhaltung bei der Umsetzung des Tierschutzplans und warnt wortreich vor Schnellschüssen des Ministers.

Also, wenn es nach der CDU-Fraktion geht, Tierschutz nur auf dem Papier und nicht in der Wirklichkeit. Im Bund das gleiche: Als Frau Aigner Brandzeichen bei Pferden oder die Käfighaltung verbieten wollte, stellten sich CDU und FDP gleich wieder quer. Ebenso bei der Abschaffung der Privilegierung für industrielle Mastanlagen, wie es auch der Landkreistag fordert. Immer wenn es ernsthaft um mehr Tierschutz geht, kneifen sie und bleiben Ankündigungsregierung.

Und die Mühlen im Agrarministerium arbeiten weiter für Agrarindustrie und gegen den Tierschutz.

Beispiel Lohmann Tierzucht:
Dort wurden von 2008 bis Ende 2010 millionenfach Küken die Zehen und Kämme abgeschnitten und amputiert. Das Land und der Landkreis sehen zu und lassen sich immer wieder vertrösten. Im August 2009 schaut sich sogar eine Delegation des Agraministeriums diese klar tierschutzwidrige Verstümmelung der Tiere vor Ort an.

Aber ein Verbot, eine Anzeige, eine Weisung oder ein Erlass erfolgt nicht.

Zu Weihnachten erinnert man sich dann im Landwirtschaftministerium an den Vorgang, ich zitiere: "Wenn man zum Jahreswechsel den Schreibtisch aufräumt, fallen einem diverse Vorgänge in die Hand, die zwischenzeitlich ein wenig in den Hintergrund getreten sind." Dann wird noch mal daran erinnert, dass das Unternehmen doch mal eine Begründung für das Amputieren der Tiere vorlegen solle. "Es wäre schön, wenn sie uns diese nunmehr kurzfristig zur Verfügung stellen können." "Liebe Grüße aus Hannover", zitiert die HAZ vom 6.4.2011 aus dem Schreiben und weist darauf hin, dass es wegen des Nichthandeln des Landes nun einen Strafrabatt gäbe.

Herr Minister Lindemann,

was liegt eigentlich noch alles an Tierschutzverstößen unbearbeitet auf Ihrem Schreibtisch. Praktizieren Sie Tierschutz beim Aufräumen?

Aber es kommt noch schlimmer. Durch das jahrelange Abwarten und sich hinhalten lassen, werden die Tierquäler jetzt vermutlich nur milde bestraft. Durch den Verzicht auf ein Eingreifen per Erlass oder Weisung trägt die Landesregierung eine Mitverantwortung für die massenhafte Tierquälerei.

Und die von Herrn Lindemann im letzten Plenum vorgebrachte holländische Studie die so geheim gehaltenwurde, war auch kein Grund für das Nichtstun.

Ich habe hier ein Schreiben des Agrarministeriums, an den Landkreis Cuxhaven vom Sommer letzten Jahres. Darin heißt es "Aus dem vorgelegten Gutachten in holländischer Sprache ergibt sich, dass Hähne mit unversehrten Kämmen weniger Eier befruchtet haben. Es ist daher davon auszugehen, dass der Kammschnitt aus wirtschaftlichen Erwägungen heraus durchgeführt wird. Dieses ist mit dem Tierschutzgesetz nicht vereinbar."

Die von Minister Lindemann im letzten Plenum angestellte Behauptung von der angeblich etwas Anderes aussagenden holländischen Studie, ist also unwahr und unrichtig. Diese Fehlinformation war nur vorgeschoben, für die Kumpanei mit der Agrarlobby.

Denn trotz dieser klaren Beurteilung des Kämmeabschneidens als Tierquälerei durch das ML und nicht nur durch das LAVES unterließen sie weiterhin die Durchsetzung des Verbots.

Die Staatsanwaltschaft scheint nun genau wegen dem Verzicht auf ein Einschreiten Milde walten zu lassen, weil die Tierquäler von Lohmann ja nicht wissen konnten das ihr Tun verboten war. Hat ihnen das Ministerium ja nicht gesagt.

Dabei hatte Lohmann selbst schon 2006 in internen Protokollen eingeräumt, dass das Kämmeabschneiden "im Prinzip illegal" sei.

Anrede,

Herr Minister Lindemann, ich fordere Sie daher auf, endlich  per Erlass an die Landkreise klarzustellen, was tierschutzrechtlich erlaubt und was verboten ist. Tierquäler dürfen nicht mit fadenscheinigen Ausflüchten und geringen Geldbußen davonkommen. Auch die Kommunalaufsicht hätte jederzeit mit einer Weisung an die untergeordneten Behörden handeln können.

Anrede,

die Agrarpolitik im Lande steht genauso vor einem Kurswechsel wie die Atompolitik. Die gesellschaftliche Akzeptanz für ein Weiterso, für legitimierte Tierquälerei in immer größeren Agrarfabriken ist dahin. Die Bürgerinnen und Bürger wollen eine grundsätzlich andere Politik. Tierschutz muss endlich den Rang vor wirtschaftlichen Interessen haben, den die Niedersächsische Verfassung fordert.

Wir Grüne werden sehr genau hinschauen, ob auch hinter dem neuen Minister nur die Agrarindustrielobby steckt oder ob der Tierschutz nach all den Skandalen endlich ernstgenommen wird.
Wir fordern Sie auf, Ihre Tierschutzpläne mit konkreten Zeitangaben endlich offenzulegen.
Bringen Sie neue Gesetze und Erlasse auf den Weg.
Lassen Sie sich nicht von der Agrarlobby in den eigenen Reihen und vom Landvolk mit einem Sonderbauerntag, für den der Ministerpräsident vorgeladen werden soll, unter Druck setzen.

Sie haben beim Amtsantritt gesagt, sSie wollen nicht nur Minister für Landwirte, sondern auch für die Millionen Verbraucher sein. Diese wollen keine Tierquälereien mehr.

Misten Sie Ihren Stall aus. Praktizieren Sie realen Tierschutz und zwar noch vor 2013, sonst werden wir Grünen es tun.

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