Rede Christian Meyer: Überdüngung durch Gülle und Kot wirksam verhindern – Umweltbelastung reduzieren – Güllekataster einführen

Landtagssitzung am 22.06.2012

Christian Meyer, MdL

Anrede,

Niedersachsen hat ein massives Gülleproblem. Bereits 62 Prozent der Grundwasserkörper in Niedersachsen sind über dem Grenzwert mit Nitrat belastet. Niedersachsen kann und will die EU-Wasserrahmenrichtlinie nicht einhalten. Das ist ein Offenbarungseid gegenüber der EU.

Jetzt fordern Sie eine Ausnahmeregelung aus Brüssel um 13 Jahre. Das ist peinlich und kommt davon, wenn in Niedersachsen gleich zwei Schutzpatrone der industriellen Güllelobby am Kabinettstisch sitzen; einer nennt sich davon offiziell Umweltminister.

Eine wesentliche Ursache für die Belastung unseres Grundwassers sind überbordende Tierbestände in der Massentierhaltung und eine völlig unzureichende Güllekontrolle.

Im April 2011 bekam die Abgeordnete Tiemann auf ihre Frage, wie viele Masthühner es in Niedersachsen eigentlich gebe die Antwort, es seien 36 Millionen. Das war die Unwahrheit und die Landesregierung wusste das.

Wie aus einem Schreiben der Landwirtschaftskammer an Staatssekretär Ripke von Anfang Januar 2011 hervorgeht, gibt es in Niedersachsen viel mehr Massentierhaltung als in der offiziellen Statistik. So werden statt 36 Millionen fast das Doppelte, nämlich 63 Millionen Masthühner in Niedersachsen gehalten, die entsprechende Mengen Kot hinterlassen.

Im Kreis Cloppenburg gibt es nicht 4,8 Millionen sondern 8,7 Millionen Masthühner.

Die Daten der offiziellen Agrarstatistik, die uns auch die Landesregierung hier jahrelang vorgelegt hat, sind eklatant falsch, wie die Regierung ja eingeräumt hat.

Ein einfacher Blick in den Haushalt der Tierseuchenkasse hätte genügt um festzustellen, dass die eingehenden Beitragszahlungen nie und nimmer mit den offiziellen Tierzahlen übereinstimmen. CDU und FDP haben jahrelang wie die drei Affen gehandelt: Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen!

Auch Prof. Klohn von der Uni Vechta sieht in den zunehmenden Tierzahlen ein Problem. Er sage gestern: "Die Statistik zeigt Diskrepanzen zwischen den Tierzahlen und den Meldezahlen der Tierseuchenkasse. Das Problem wird durch diese höheren Tierzahlen noch mal verschärft, stärker als man bisher gedacht hat".

CDU und FDP tragen die Verantwortung für den großflächigen Betrug bei den Tierzahlen, der ja auch viele rechtliche Folgen, etwa bei der Berechnung von Großvieheinheiten hat. So hat Vechta laut offizieller Statistik 2,9 Großvieheinheiten pro Hektar. Laut Tierseuchenkasse sind es 4,1 und das hat Folgen für Gülle und Kot.

Würde man die überschüssigen Exkremente allein aus Cloppenburg und Vechta ordnungsgemäß entsorgen, müssten rund 3,3 Mio. t in andere Regionen verbracht werden. Nähme man einen der größten Gülletanker von 25.000 Litern, wären das 130.000 Fahrten pro Jahr.

Wie nun ein internes Schreiben der Landwirtschaftskammer an Staatssekretär Ripke zeigt, wird dieser Gülletourismus kaum kontrolliert.
Zitat: "Die Einhaltung von Grenzwerten ist unter der gegenwärtigen Rechtslage kaum zu gewährleisten. (”¦) Eine systematische Überprüfung der Doppelbelegung bei aufnehmenden Betrieben ist mit den zurzeit verfügbaren Instrumenten nicht möglich."

Denn bisher reicht es für die Genehmigung eines neuen Stalls aus, einen Vertrag mit einer sogenannten Güllebörse abzuschließen. Wo die Güllebörse die Exkremente wirklich lässt, weiß niemand. Die verschwindet im Gülle-Nirwana oder auf dem nächsten Maisacker. Wir müssen diese Blackbox im Sinne des Schutzes von Mensch und Umwelt auflösen.

Die Niederlande haben nun ihr Kontrollsystem deutlich verschärft und daher kommt Gülle aus Holland zu uns und bedroht das Grundwasser. Jeder zweite Transport ist illegal, weil bei uns keiner kontrolliert. So wird Niedersachsen zum Gülle-Eldorado.

Wir Grüne schlagen nun ein Güllekataster zur Erfassung der Nährstoffströme vor. Wir freuen uns, dass auch immer mehr Kommunen, Wasserverbände und Agrarexperten diese Forderung unterstützen.

Was sie Herr Lindemann jedoch planen, ist ein bürokratisches Monster. Sie wollen die Gülleströme erfassen, aber nicht auf welchen Feldern sie konkret bleiben. Dazu wollen Sie dann elf Kontrolleure einstellen, die rätseln müssen, wohin der von ihnen kontrollierte Gülletanker sein Zeug eigentlich ablädt und ob diese Flächen schon von anderen Unternehmen belegt wurden.

Deshalb fordern ja auch der Wasserverband OOWV und der Landkreistag eine einfache und wirksame Kontrolle.

Unser Vorschlag für ein Güllekataster ist sehr einfach und bürokratiearm umsetzbar. Die Landwirte haben bereits alle Daten der von ihnen bewirtschafteten Flächen digital vorliegen. Sie müssen nur systematisch erfasst werden, damit keine Flächen mehrfach belegt werden.

Die Behörden können das sehr einfach kontrollieren, wie es auch Wasserverbände und Kommunen fordern, aber dass will Minister Lindemann als Schutzpatron der Massentierhaltungslobby nicht.

Herr Staatssekretär Ripke hat am 18. Juni in einem Interview mit den Ostfriesischen Nachrichten auch die wahren Gründe eingeräumt. Die Zeitung schreibt: "Ripke sagte, er kenne die Forderung der Wasserverbände; sie liefen auf ein Güllekataster hinaus; danach wäre es zukünftig möglich von jedem Hektar zu sagen, mit welcher Gülle er gedüngt worden ist. Er (Ripke) habe gar nichts gegen ein solches Kataster, zumal viele Betriebe über ihre EDV und GPS diese Informationen schon besäßen. Doch, so der Staatssekretär, würde sich die Landesregierung für solch ein Kataster entscheiden, bekäme sie ein Glaubwürdigkeitsproblem." Es fehle dann das Personal, um die dann offensichtlich werdenden Widersprüche zu verfolgen. So weit der Artikel.

Anrede, 

ich fasse also zusammen: Das von uns geforderte Güllekataster ist  auch aus Sicht der Landesregierung bürokratiearm, basiert auf ohnehin vorhandenen Daten der Landwirte und wäre sehr wirksam und entspräche der berechtigten Forderung der Wasserverbände. CDU und FDP lehnen es ab, weil sie nicht wirksam das Gülleproblem angehen wollen. Stattdessen schafft Minister Lindemann mit seiner Verbringungsverordnung ein bürokratisches Monster, das für die Überwachungsbehörden kaum handhabbar ist und von allen Experten als unzureichend abgelehnt wird.

Wir Grüne fordern sie zusammen mit SPD und Linken auf: Handeln sie jetzt endlich zum Schutz unseres Grundwassers und führen sie eine wirksame Güllekontrolle ein.

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