Rede Christian Meyer: Telefonterror stoppen – Verbraucherschutz bei unerwünschter Telefonwerbung stärken

Anrede,

kürzlich wurde in meiner Lokalzeitung ein besonders perfider Fall von Gewinnspiel-Terror geschildert. In Bodenwerder wurde ein Rentner zunächst mit 15 amtlich aussehenden Schreiben bombardiert, er hätte garantiert ein Gewinnspiel gewonnen und müsse jetzt nur eine teure 0900-Nummer anrufen. Nachdem er nicht reagierte, wurde er ab Mitte Januar beinahe täglich mit Telefonanrufen vom Band terrorisiert. Zu jeder Tages- und Nachtzeit kam die Aufforderung eine bestimmte Nummer zu wählen, er hätte garantiert gewonnen. Als er nach zwei Monate eine Unterlassungsaufforderung an das Unternehmen schickte ging der Telefonterror erst richtig los. Nun klingelte auch sonntags das Telefon mehrfach. Mitte Mai – weitere zwei Monate später – erhielt er dann einen Brief, dass es in Bodenwerder sicherlich genug andere Gewinnanwärter gebe, die man beglücken könne.

Anrede,

Das ist nur ein Beispiel wie weit Werbefirmen mittlerweile gehen können.

Unerwünschte Anrufe, Telefonterror sind ein Massenphänomen. Nach Angaben der Gesellschaft für Konsumforschung gab es 2006 allein 300 Millionen unaufgeforderte und verbotene Werbeanrufe. Das sind 800.000 Belästigungen pro Tag, 800.000 Störungen der Privatsphäre und 800.000 Versuche von Unternehmen, sich mit unlauteren Praktiken einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen.

Viel zu oft geht das Kalkül der schwarzen Schafe der Werbebranche auf. Die Zahl der so genannten "Cold Calls" nimmt zu. Überrumpelte Verbraucher haben plötzlich an Gewinnspielen teilgenommen, bekommen nicht bestellte Ware zugeschickt  oder haben überteuerte Verträge abgeschlossen, die sie unter normalen Umständen niemals eingegangen  wären.

Diesem Treiben wollen wir mit unserem Antrag einen Riegel vorschieben.

Das von Rot-Grün 2004 verankerte Verbot der Telefonwerbung ohne vorheriges Einverständnis der Verbraucher war ein erster wichtiger Schritt in diese Richtung. Aber die Praxis zeigt, dass das Verbot die Werbefirmen nicht abschreckt, weil wirksame Sanktionen fehlen. Die schwarzen Schafe müssen derzeit weder empfindliche Bußgelder fürchten noch die Abschöpfung ihrer Unrechtsgewinne.

Außerdem gelten die am Telefon abgeschlossenen Verträge, auch wenn sie durch einen illegalen Anruf zustande gekommen sind. Teilweise gibt es sogar noch nicht mal ein Widerrufsrecht,  sobald man einmal am Telefon zuviel "Ja" statt "Nein" gesagt hat.

Im Bundesrat liegt nun ein Antrag aus Baden-Württemberg vor, der diese Verträge unwirksam machen will.  Danach soll das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) so ergänzt werden, dass Verträge die in unmittelbarem Zusammenhang mit unerlaubter Telefonwerbung zustande kommen, künftig nur aufgrund einer nachträglichen schriftlichen Bestätigung des Verbrauchers gültig werden. Diese Änderung sollte Niedersachsen unterstützen!

Das halten wir für einen richtigen Ansatz, um die Kosten und den Aufwand der Call-Center deutlich zu erhöhen und den überfallenen Kunden im wahrsten Sinn des Wortes mehr Bedenkzeit zu geben, als in einem hektisch aufgedrängten Telefongespräch.

Zusätzlich fordern wir ein Widerrufsrecht ohne Ausnahmen, damit die Telefonbelästigung nicht zur teuren Angelegenheit für die Verbraucherinnen und Verbraucher wird. Gerade ältere und uninformierte Marktteilnehmer werden hier oft verführt und abgezockt.

Darüber hinaus fordern wir, die  Bußgelder für unerlaubte Anrufe deutlich zu erhöhen, die Unternehmensgewinne abzuschöpfen und auch die Rufnummernunterdrückung bei Werbeanrufen zu verbieten, damit die Verbraucherinnen und Verbraucher  wirksam gegen die Störer vorgehen können.

Anrede,

Diese Forderungen finden sich auch in einem gemeinsamen Antrag im Landtag Nordrhein-Westfalen und der Bremer Bürgerschaft.

Ich hoffe, dass wir auch hier zu einer gemeinsamen Beschlussfassung zum Wohl der Verbraucherinnen und Verbraucher gegen Telefonterror kommen. Die Bundesregierung hat seit Monaten einen Kabinettsbeschluss angekündigt. Aber es klingelt weiter”¦

Und es ist nicht der Postbote”¦.

Anrede,

Für einen wirksamen Verbraucherschutz braucht es aber nicht nur wirksame Gesetze. Die terrorisierten Bürgerinnen und Bürger brauchen Informationen und unabhängige Verbraucherberatung. Niedersachsen ist hier jedoch auf dem  absteigenden Ast. Im aktuellen Verbraucherschutzindex 2008 der Bundesländer fiel Niedersachsen um ganze drei Plätze zurück. Bei den Ausgaben pro Kopf liegt Niedersachsen mit 18 Cent jährlich an vorletzter Stelle. Noch nicht einmal eine Kugel Eis jährlich ist der Landesregierung die Verbraucherberatung wert. Das ist mehr als mickrig. Die Mittel für die Verbraucherzentralen wurden trotz steigenden Bedarfs von 1,6 Millionen Euro auf 1 Million Euro gekürzt. Die Zahl der Verbraucherberatungsstellen in Niedersachsen sank von 28 auf 20 in ihrer Regierungszeit.

Anrede,

Die Bürgerinnen und Bürger in diesem Lande sind den Telefonterror durch Werbefirmen leid. Wer fairen Wettbewerb und eine soziale Marktwirtschaft will, darf diesem Treiben nicht länger tatenlos zu schauen. Das Land muss sich dafür einsetzen, den Rechtsschutz wirksam zu verbessern und die finanzielle Förderung des Verbraucherschutzes mindestens auf das Durchschnittsniveau der anderen Bundesländer heben.

Diesen Ehrgeiz sollten wir schon haben.

Ich danke für ihre Aufmerksamkeit!

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