Rede: Christian Meyer: Entwurf eines Gesetzes zur Einführung der tierschutzrechtlichen Verbandsklage in Niedersachsen

TOP 11: Entwurf eines Gesetzes zur Einführung der tierschutzrechtlichen Verbandsklage in Niedersachsen

Anrede,

"Tiere werden als Lebewesen geachtet und geschützt", heißt in Artikel 6b unserer niedersächsischen Verfassung. 

Doch in der Realität hat der Tierschutz bei dieser Landesregierung einen äußerst niedrigen Stellenwert. Da mag Ministerpräsident Wulff noch so oft Seehunde oder Pferde knuddeln – in der Praxis wird der Tierschutz oft ignoriert.

Ein Beispiel: Da kommen der Gesetzgebungs- und Beratungsdienst der Landtags, die Bundesregierung, sowie alle Bundesländer zu dem EINDEUTIGEN Schluss, der von Minister Ehlen herausgegebene Erlass für 12 Prozent mehr Legehennen in den viel zu engen Käfigbatterien sei eindeutig rechtswidrig – aber die Regierung interessiert das nicht.

Vielmehr lässt sie in Absprache mit den Hühnerbaronen ihren Erlass über acht Monate in Kraft damit hunderte von Ställen im ganzen Land mit Millionen gequälter Hühner genehmigt werden. Diese sollen jetzt auch noch auf dieser falschen Genehmigungsgrundlage  Bestandsschutz genießen.

Das ist so was von unverfroren und tritt den Tierschutz, der in Niedersachsen Verfassungsrang hat, mit Füßen. Niedersachsen wird zum Land der Hühnerquäler und hebelt die bundesweiten Vorgaben des Tierschutzes willfährig aus. 

"Nicht nur Tierschützer, sondern jeder, der darauf Wert legt, in einem Rechtsstaat zu leben, sollte protestieren" sagt dazu die Albert-Schweitzer-Stiftung für unsere Mitwelt.

Tierquälerei, gerade massenhaft, ist kein Kavaliersdelikt, Herr Minister Ehlen.

Und für die Hühner in den engen Käfigen spielt es schon eine Rolle, wie viel Platz sie haben, ob sie die Flügel bewegen können, sich umdrehen und artgerecht leben können.

Auch das Bundesverfassungsgericht hat 1999 die bisherige Käfighaltung für verfassungswidrig erklärt und Änderungen an der bisherigen Haltung  von Legehennen gefordert.

Wenn selbst der Verband der Hühnerhalter zugibt zum Stichtag 1. Januar erst 50 Prozent der Ställe auf die neue Haltungsform umgerüstet zu haben, frage ich mich wann die Landesregierung gültiges Recht umsetzen will.

Abwarten und Eier legen – kann doch nicht die Devise zu diesen massenhaften Rechtsverstößen sein.

Anrede,

Eins ist klar: Tiere haben keinen Rechtsschutz und können gegen diese Missstände selbstverständlich nicht klagen. Also müssen das andere für sie tun. Beim Naturschutz haben wir dafür erfolgreich ein Verbandsklagerecht für anerkannte Umweltverbände geschaffen, damit diese stellvertretend für die Natur klagen können.

Bei Massentierhaltung oder Tierversuchen fehlt ein solches Rechtsmittel. Daher können Rechtsverstöße von Kommunen oder der Landesregierung so gut wie gar nicht gerichtlich überprüft werden.

Das steht im Widerspruch zu den Werten unserer Verfassung und einer Gesellschaft, in der sich eine überwältigende Mehrheit der Wählerinnen und Wähler für mehr Tierschutz ausspricht. 

Die bestehende Rechtslage ist einseitig und nicht mehr zeitgemäß. Nehmen wir das Beispiel Stallbauten: Lediglich für den Massentierhalter gibt es Rechtsschutz gegen aus seiner Sicht zu "viel Tierschutz" durch behördliche Vorgaben – zu "wenig Tierschutz" kann jedoch nicht von Dritten beklagt werden.

Dem bestehenden Ungleichgewicht zu Lasten der Tiere wollen wir durch ein Verbandsklagerecht für anerkannte Tierschutzverbände abhelfen. So kann Tierquälerei wirksam ein Riegel vorgeschoben und Missbrauch behördlicher Stellen überprüft und gegebenenfalls korrigiert werden. Damit tragen wir auch dem wachsenden Tierschutzbewusstsein der Bevölkerung Rechnung.

 Ein Verbandsklagerecht ist daher überfällig!

Die vorgeschlagenen Formulierungen bieten auch Gewähr, dass es nicht zu einer Klageflut kommen kann. Tierschutzverbände müssen mindestens drei Jahre in Niedersachsen bestehen und die Gewähr für eine sachgerechte Aufgabenerfüllung bieten.

Auch angesichts der Kosten möglicher Klagen werden sich solche Auseinandersetzungen auf vermutlich wenige Fälle von besonderer Relevanz erstrecken.

Als erstes Bundesland hat das rot-grüne Bremen seit 2007 ein solches Klagerecht mit gutem Erfolg eingeführt.

Niedersachsen sollte ebenfalls für mehr Fairness im Tierschutz eintreten und nicht ständig nach Möglichkeiten suchen, geltendes Recht zu Lasten der Tiere zu umgehen.

(Anrede)

Mit diesem Gesetzentwurf wollen wir, dass Tierschutz nicht nur auf dem Papier steht, sondern auch einklagbare Praxis wird. Noch zu oft werden Tiere aus ökonomischen oder anderen Gründen gequält, nicht artgerecht gehalten, getötet oder verstümmelt. Wir wollen den Auftrag aus Landesverfassung und Grundgesetz zum Tierschutz Wirklichkeit werden lassen.

Was im Umweltschutz Realität ist, muss auch für den Tierschutz gelten. Es ist unerträglich, dass uns Juristen wie beim Legehennenerlass sagen, dieser sei eindeutig rechtswidrig, aber niemand könne dagegen klagen.

Dass die Regierung bestehendes Recht folgenlos außer Kraft setzen kann, sorgt nicht nur für Kopfschütteln bei den Bürgerinnen, sondern ist auch ein unerträglicher Zustand für einen funktionierenden Rechtsstaat mit dem Grundsatz der Überprüfbarkeit behördlicher Entscheidungen.

Daher wollen wir diese von vielen Juristen festgestellte Rechtslücke endlich schließen und auch der gesellschaftlichen Veränderung in Bezug auf den Tierschutz endlich Rechnung tragen.

Wir Grüne sind da wieder mal Tierschutz-Vorreiter und ich hoffe, dass sich auch die Kolleginnen und Kollegen von der SPD vor dem Hintergrund der Debatte um den rechtswidrigen Ehlen-Erlass einem maßvollen Verbandsklagerecht wie in Bremen nicht verschließen werden.

 Ein solches Recht würde einen großen Fortschritt für den Tierschutz in Niedersachsen darstellen.

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