Rede Christian Meyer: Artensterben bis 2010 stoppen – Land muss Aktionsplan auflegen

Herr Präsident, meine Damen und Herren,

Deutschland ist in diesem Jahr Gastgeber der 9. Weltkonferenz zum Schutz der biologischen Vielfalt in Bonn. Ende Mai werden über 5000 internationale Vertreter über Maßnahmen gegen die wachsende Zerstörung unserer Lebensgrundlagen beraten.

Wenn es nach Minister Sander gegangen wäre, hätte Niedersachsens Beitrag zu dieser Konferenz wohl vor allem in einem zeitgleich stattfindenden Hochgeschwindigkeitsrennen in der Brutzeit im Biosphärenreservat Elbe bestanden.

Die Kommunalpolitiker und Menschen in der Region haben diesen Unsinn zum Glück verhindert! Die Lage der Natur ist viel zu ernst für PS-starke Powerbootrennen im Lebensraum Elbe.

Die UN hat in ihrem jüngsten Report aufgelistet, dass über zwei Drittel der Ökosysteme von denen der Mensch abhängt, im Niedergang begriffen sind. Nicht nur Herr Töpfer und sein Nachfolger Herr Steiner schlagen Alarm, auch die Bundesregierung hat sich ehrgeizige Ziele gesteckt, die keine Luftnummern bleiben dürfen.

Das Artensterben ist danach bis 2010 zu stoppen, die Abwertung von Lebensräumen zu beenden. Die in der Roten Liste erfassten bedrohten Arten sollen sich um eine Kategorie verbessern und der Anteil von Wildnis und Naturwäldern ist deutlich zu steigern.

Doch das Gegenteil geschieht.

Nehmen wir den Flächenverbrauch. Hier ist das Ziel die Versiegelung und Zerschneidung der Natur um Drei-Viertel auf 30 Hektar pro Tag zu senken. Im Koalitionsvertrag der Landesregierung werden zwar Initiativen "zur Reduzierung des Nutzflächenverbrauchs" angekündigt, doch konkret geht die Förderung von Mammutprojekten gegen die Natur, wie Autobahnprojekte oder Schneekanonen im Harz weiter.

Wir sagen Ihnen: Der Schutz der Lebensgrundlagen muss endlich in Niedersachsen Priorität bekommen!

Mit dieser Forderung stehen wir nicht allein.

Der EU-Umweltkommissar fordert: "Der Verlust der biologischen Vielfalt ist eine größere Bedrohung als der Klimawandel, wenn man bedenkt, dass nichts und niemand eine einmal ausgestorbene Art wieder zurückbringen kann".

Oder um ihr CDU-Parteimitglied Töpfer zu zitieren: "Der vom Menschen verursachte Rückgang der Biodiversität ist wirtschaftlicher Selbstmord."

Heute liegt das weltweite Artensterben um das Zehntausendfache über der natürlichen Rate. Trotz aller Beschlüsse, ist in den letzten Jahren die Zahl der bedrohten Arten weiter gestiegen – seit 2002 um 44 Prozent. Täglich sterben 150 Arten unwiederbringlich aus. Damit geht auch viel Wissen verloren, dass wir in Zukunft nutzen könnten. So beträgt der Energiewirkungsgrad eines Glühwürmchens z.B. 99 Prozent - davon sind die Wulffschen Kohlekraftwerke weit entfernt.

Meine Damen und Herren,

in Niedersachsen sind von über 9000 heimischen Arten, mehr als die Hälfte gefährdet oder vom Aussterben bedroht. Dagegen helfen auch keine Sonntagsreden des Umweltministers. 

93 Prozent der Menschen sehen den Schutz der biologischen Vielfalt als moralische Verpflichtung. 75 Prozent glauben, dass das Artensterben auch auf die Wirtschaft fatale Folgen hat.

Die Ursachen sind bekannt: Die Zerstörung von Lebensräumen, Bodenabbau, Torfabbau, Überdüngung in der Landwirtschaft, Gentechnik und Pestizide. Dazu umweltschädliche Subventionen und der Bau von Autobahnen. 

Stoppen Sie zum Beispiel die überflüssige A 22. Bedrohte Störche, Libellen und Fischotter würden es ihnen danken!

Und stoppen Sie die Jagd auf bedrohte Wildgänse, und schützen Sie sie genauso wie die Wölfe in der Lüneburger Heide.

Der Verlust an Arten betrifft auch die Landwirtschaft: Heute essen wir überwiegend nur noch ein Dutzend Apfelsorten. Bei unseren Großeltern, zumindest meinen, waren es noch Hunderte. 75 Prozent der genetischen Vielfalt der Nutzpflanzen gelten bereits als für immer verloren! Das hat fatale Folgen.

Eine große Gefahr für die Artenvielfalt ist der Anbau genmanipulierter Pflanzen. Niedersachsen ist die einzige europäische Region, die selbst in Naturschutzgebieten giftigen Genmais zulässt, der die biologische Vielfalt nachweisbar schädigt. Brandenburg hat vor zwei Wochen Abstandsregeln von 800 Metern von Genmais zu Schutzgebieten verordnet. In Niedersachsen steckt Herr Ehlen beide Hände in die Tasche und lässt genmanipulierte Pflanzen mitten im Naturschutzgebiet Elbtalaue zu, obwohl sie nachweisbar Gefahren für bedrohte Schmetterlingsarten bringt und keine FFH-Prüfung erfolgt ist.

Das sind nur einige Beispiele der verfehlten Naturschutzpolitik in Niedersachsen.

Aber dass Sie den Schutz der Natur am liebsten anderen überlassen, haben Sie ja schon im Koalitionsvertrag aufgeschrieben:

Ich zitiere:

"Die biologische Vielfalt in Niedersachsen ist zu erhalten und weiterzuentwickeln. Die Landesregierung setzt vor allem auf die freiwillige und ehrenamtliche Teilnahme am Arten- und Naturschutz."

Wenn das alles ist -  "Ehrenamt und Freiwilligkeit" - dann gute Nacht biologische Vielfalt in Niedersachsen!

So werden wir die Ziele der Weltkonferenzen jedenfalls nicht erreichen.

Meine Damen und Herren,

Niedersachsen braucht deshalb endlich einen konkreten Aktionsplan um die internationalen Ziele endlich umzusetzen.

Oder um Frau Merkel zu zitieren: "Es zeigt sich, dass wir uns auch unserer eigenen Lebensgrundlagen berauben, wenn wir hier nicht zu einer nachhaltigen Entwicklung kommen."

Die Bundesregierung hat in der Strategie zur Biologischen Vielfalt klare Maßnahmen formuliert, die die Länder jetzt ergreifen müssen, um dem Arten- und Biotopsterben entgegenzutreten. Ich kann die Lektüre nur empfehlen, falls die Landesregierung nicht weiß was sie tun soll.

Öffentlichkeitskampagnen und "peinliche Veranstaltungen" – ich zitiere den Präsidenten des Deutschen Naturschutzrings Weinzierl auf der Veranstaltung in Braunschweig - werden da nicht ausreichen - wenn die alltägliche Regierungspraxis wie die mangelnde Umsetzung der Natura-2000-Gebiete - weiterhin den gemeinsamen Zielen entgegenstehen.

Ein landesweiter Biotopverbund muss endlich kommen. Ohne Waldbrücken werden sich zum Beispiel die Wildkatzen im Solling nie mit denen im Harz vermischen können.

Der Schutz der natürlichen Vielfalt muss daher als Querschnittsaufgabe in alle Politikbereiche integriert werden.

In Ihrer Regierungserklärung haben Sie sich zum effektivsten und kostengünstigsten Klimaschutz bekannt. Nach dem Bericht des Ökonomen Stern ist der Erhalt der natürlichen Wälder und Moore der günstigste Beitrag zum Klimaschutz.

Trotzdem torpediert Umweltminister Sander gegen die Erklärungen des Ministerpräsidenten ein Moorschutzgebiet in der Wedemark und fördert weiter den Torfabbau.

Dabei sind Moore eine unverzichtbare CO2-Senke. Die Trockenlegung der Moore in einer einzigen indonesischen Provinz, verursacht soviel Treibhausgase wie die Niederlande in einem ganzen Jahr.

Meine Damen und Herren

Der Erhalt der biologischen Vielfalt duldet keinen Aufschub. Wir Grüne sind uns dieser Verantwortung bewusst. Die CDU in Niedersachsen muss sich zwischen Sander und Töpfer – zwischen Kettensäge und Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen – entscheiden. Anders  werden wir die Umweltziele nicht erreichen.

Ich bitte sie um Unterstützung für unseren Antrag!

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