Rede Christian Meyer: Aktuelle Stunde – Niedriglöhne und Inkaufnahme von Tierqual für Billigfleisch – geboren um zu schlachten?

- es gilt das gesprochene Wort -

Anrede,

kennen Sie „Eimermenschen“? So werden laut NOZ über 800 ausländische Schlachthof-Arbeiter in Sögel genannt, weil sie zu Schichtbeginn mit weißen Eimern zum Schlachthof ziehen. Sie wohnen in erbärmlichen Bruchbuden. In Sammel- und Massenunterkünften, die menschenunwürdig sind.

Dieses soziale Elend bekommt Gesicht: Etwa in Lohne: 25 Quadratmeter für eine vierköpfige Familie, im ganzen Haus nur ein Bad für 19 Menschen. Miete für das Zimmer: 450 Euro. Kalt.

In Visbek leben 70 bulgarische Werksvertragsarbeiter in Zimmern mit bis zu acht Betten. An Lohn bekommen sie gerade mal vier bis fünf Euro. Sie arbeiten in der zu Wiesenhof gehörenden Geestland-Schlachterei in Wildeshausen.

Was macht der Schlachtriese Vion in Emstek? Er schmeisst 60 Festangestellte raus und gleichzeitig werden per Werkvertrag 60 rumänische Arbeiter hereingeholt. Laut Gewerkschaftsangaben drückt das die Kosten für das Schlachten eines Schweins von 2,50 Euro auf 1,03 Euro. Lohndrückerei und Ausbeutung nennen wir das.

Anrede,

die Fleischindustrie profitiert von einem weit verzweigten Netzwerk der Ausbeutung von Mensch und Tier. Niedersachsen ist in der schwarz-gelben Regierungszeit zum Niedriglohnschlachthof Europas geworden. In Dänemark schließen Schlachthöfe und hier werden die Schlachtkapazitäten mehr als verdoppelt und CDU und FDP subventionieren das auch noch.

Allein 7 Millionen Euro bekam der Schlachthof in Wietze, mehr als 4 Millionen Steuergeld gingen an Wiesenhof, der mit etwa der gleichen Summe als Sponsor von Werder Bremen sein schlechtes Image aufzupolieren versucht.

Doch Gewerkschafter und Kirchenvertreter prangern diese sozialen Misstände im Fleischtopf Niedersachsens an.

Der Prälat Kossen predigte: „Ganz unbescholtene Bürger verdienen mitten unter uns kräftig an der Situation der Migranten mit, wenn abbruchreife Häuser für horrende Preise vermietet werden. Unternehmen können bei armselig bezahlten Werkverträglern nicht ihre Hände in Unschuld waschen, mit dem Hinweis die Entsendefirma sei zuständig.“

Recht hat der Prälat.

Die Antwort sah jedoch anders aus. Wie bei der italienischen Mafia legte man dem Kirchenmann einen Tierkadaver vor die Tür.  Diese Bedrohung und Einschüchterung kirchlicher Vertreter, dürfen wir nicht hinnehmen.

Ebenso unpassend ist auch eine Aktion des Landvolks, kritische Reden von Kirchenvertretern zu melden oder Schulbücher im Sinne der Agrarlobby von Aussagen zur Massentierhaltung zu säubern.

Weder von Minister Lindemann noch von Minister Busemann war etwas zu dieser unfassbaren Einschüchterungsaktion gegen kirchliche Vertreter zu hören.

Das zeigt viel mehr:  Die Landesregierung ist bei ihrer Verteidigung des Ausbaus der industriellen Massentierhaltung gesellschaftlich vollkommen isoliert. Das Halten von 25 Hühnern pro m² bleibt Tierquälerei. Das Abschneiden der Putenschnäbel und der Schweineschwänze auch. Noch schlimmer ist aber die soziale Ausbeutung, die die Billiglohnschlachterei nach sich zieht.

Ihre einseitige Ausrichtung auf die Massentierhaltung vernichtet auch Tausende bäuerlicher Arbeitsplätze. Schauen wir mal auf das angebliche Jobwunder der Agrarwirtschaft in Niedersachsen. Dieses Schaubild zeigt: Minus 30.000 Arbeitsplätze in der Landwirtschaft und minus 10.000 Arbeitsplätze im nachgelagerten Gewerbe. Ihre Billigfleischproduktion führt nicht nur zu Lohndrückerei und sozialem Elend, sondern auch zu massiven Arbeitsplatzverlusten. Das ist die Schattenseite der industriellen Fleischproduktion.

Anrede,

wir Grüne wollen die Agrarwende, eine bäuerliche Landwirtschaft zu fairen Preisen mit mehr Tier- und Umweltschutz. Diese schafft ordentliche Arbeitsplätze und sorgt für höhere Einkommen im ländlichen Raum.  Nach Angaben der Landesregierung kommt ein Arbeitsplatz auf 100.000 Hühner. Da bleibt Tierschutz und und die Versogung des Tierbestands oft auf der Strecke. In der artgerechten Haltung entstehen hingegen viel mehr Arbeitsplätze pro Tier. Der von Ihnen vernachlässigte Ökolandbau ist Arbeitsplatzmotor in der Landwirtschaft. Wir wollen ihn daher ausbauen.

Anrede,

gegen die eklatanten Missstände brauchen  wir aber auch neue soziale Regeln. In Niedersachsen arbeiten über 570.000 Menschen für Löhne unter 8,50 Euro.  Wir Grüne wollen einen gesetzlichen Mindestlohn und eine massive Eindämmung des Werksvertrags- und Leiharbeiterunwesens. Der CDU-Landrat in Vechta sagte: „Ein flächendeckender für Werkverträge bindender Mindestlohn von zehn Euro würde alles ändern.“  Recht hat er.

Und bevor sie jetzt wie der Vechtaer Landrat verbal Mindestlöhne fordern, sei an die Äußerung von Frau Grotelüschen, der Vorgängerin von Herrn  Lindemann, gegenüber dem NDR erinnert: „5 Euro Stundenlohn sind doch akzeptabel.“

Gestürzt ist Frau Grotelüschen nicht über die vielen Tierschutzskandale, sondern über Berichte von Arbeitern die bei ihr für Ausbeuterlöhne von 3,50 € bis zu 16 Stunden täglich gearbeitet haben sollen.  Jetzt haben Sie, meine Damen und Herren von der CDU, Frau Grotelüschen - die Frau, die 5 Euro akzeptabel findet -  wieder in den CDU-Landesvorstand gewählt und für den Bundestag aufgestellt. Das konterkariert nicht nur alle Tierschutzbemühungen, wie ja auch der Austritt der Landesvorsitzenden des Tierschutzbundes zeigt. Nein, auch sozial, haben Sie damit jede Glaubwürdigkeit verloren.

Anrede,

die Landesregierung muss endlich für menschenwürdige Arbeit sorgen. Ein eigenes Landesmindestlohngesetz ist überfällig.

Und wir brauchen mehr Kontrollen der rechtlosen Zustände in der Fleischindustrie, sowohl beim Tierschutz als auch beim Arbeitsschutz. Es ist gut, dass einige Landkreise inakzeptable Zustände auf dem Wohnungsmarkt überprüfen wollen,  aber wir fragen uns, was eigentlich die Sozial- und Wohnungsbauministerin Özkan zu diesen unhaltbaren Zuständen sagt.  Sie taucht bei dem Thema genauso weg, wie die ganze Regierung.

Für uns ist der Ausbau der industriellen Massentierhaltung durch die CDU auch sozial eine Katastrophe. 

Für uns steht die Menschenwürde an oberster Stelle. Dass kein Mensch mehr sich in einer solch verzweifelten Lage befindet, wie die Eimermenschen von Sögel. Dafür muss das Land endlich sorgen.

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