Rede Chistian Meyer: Dauergrünland in Niedersachsen: zwischen Schutz und Umbruch!

Landtagssitzung am 22.03.2012

Christian Meyer, MdL

Anrede,

zunächst möchte ich mich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Landesverwaltung für die sorgfältige Bearbeitung unserer Großen Anfrage bedanken.

Es sind dabei wirklich einige sehr interessante Erkenntnisse herausgekommen. Ich will davon nur mal zwei Aspekte ansprechen: Wenn Grünland in Acker umgewandelt wird, entweichen dadurch in den Folgejahren jährlich pro Hektar bis zu 163 Tonnen CO2. Wir können diese Folge des Grünlandumbruchs auch in Euro und Cent ausdrücken: Sowohl McKinsey wie auch das Umweltbundesamt nennen einen Preis, den die Erreichung des Ziels, bis 2020 40 Prozent der CO2- Emissionen einzusparen kosten wird. Das sind 25 Euro pro eingesparter Tonne CO2. Das heißt: Durch den Umbruch eines Hektars Grünland entsteht ein volkswirtschaftlicher Schaden von rund 4.000 €. Das ist schon sehr beachtlich. Und mit dieser Zahl wird deutlich, dass es eben auch die volkswirtschaftliche Notwendigkeit gibt, das Grünland, gerade auf den kohlenstoffreichen Moorstandorten zu erhalten und dort möglichst den Grünlandanteil zu erhöhen.

Und noch eine Zahl will ich Ihnen nennen: Mit dem Grünlandumbruch werden in den ersten fünf Jahren jedes Jahr rund 400 kg Stickstoff pro Hektar freigesetzt. Das ist so in etwa das Doppelte der Düngeempfehlung der Landwirtschaftskammer. Das heißt: von dem freigesetzten Stickstoff landet ein erheblicher Teil im Grundwasser. 59 Prozent unseres Grundwassers sind mit mehr als 50 mg/Liter mit Nitrat belastet. Bis 2013 sieht die Wasserrahmenrichtlinie vor, unser Grund- und Oberflächenwasser in einen guten Zustand zu bringen. Davon sind wir meilenweit entfernt. Das heißt: wie müssen deutlichst umsteuern. Wir müssen die Stickstoffeinträge drastisch reduzieren. Auch das heißt, Dauergrünland muss auch wegen des Gewässerschutzes erhalten werden.

Anrede,

allein diese beiden Zahlen zeigen, wie wichtig die Erhaltung des Grünlandes auch für den Klimaschutz und auch für sauberes Grundwasser ist.

Ich freue mich deshalb, dass es im vergangenen Jahr offenbar gelungen ist, den Grünlandverlust in Niedersachsen zumindest etwas zu stoppen, der zwischen 2005 und 2010 immerhin über 6,5 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche ausgemacht hat.

Aber, meine Damen und Herrn,

warum musste das so lange dauern bis überhaupt etwas passiert, bis Sie überhaupt den Grünlandumbruch unter Genehmigungsvorbehalt gestellt haben. Das hätte alles viel zügiger passieren müssen. Seit 2008 war spätestens klar, dass die Marke von 5 Prozent ab der die EU-Kommission Maßnahmen zwingend vorschreibt, überschritten wird. Aber Sie haben bis Oktober 2009 gebraucht, bis Sie eine Verordnung auf den Weg gebracht haben. Und in dieser Zwischenzeit ist der Grünlandanteil noch mal um über 1,5 Prozent zurück gegangen. Das ist typisch für die Agrarpolitik von CDU und FDP. In die ökologische Richtung müssen Sie massiv geschubst werden, von sich aus bewegen Sie sich nicht einen Millimeter und seien die Probleme auch noch so groß.

Und auch im vergangenen Jahr sind ja auf fast 3.000 Hektar Grünlandumbruch genehmigt worden. Das wurde zwar mit der Verpflichtung versehen, Ersatzflächen anzulegen, aber die eben skizzierten negativen Folgen der CO2-Freisetzung und der Stickstoff-Freisetzung gibt es eben trotzdem. Natürlich ist eine Grünlandneuansaat nicht das gleiche wie dafür verloren gegangenes jahrelanges Dauergrünland. Nicht bei der Artenvielfalt, nicht bei der Kohlenstoffspeicherung im Boden. Zudem ist auf etwa 280 Hektar ein illegaler Umbruch festgestellt worden. Ich betone "festgestellt worden", denn so intensiv sind die Kontrollen ja nicht, wenn nur 1,5 Prozent der Betriebe überhaupt kontrolliert werden. Und die vorgesehene Sanktion, 3 Prozent der Flächenprämien zu kürzen, ist auch äußerst dürftig, um es mal vorsichtig zu sagen. Sie könnten da deutlich schärfer rangehen, aber das wollen Sie nicht, weil Ihnen der Grünlanderhalt bestenfalls lästig ist.

Anrede,

lassen Sie mich auf den Naturschutzaspekt des Grünlandes eingehen.

Und da sieht es dramatisch aus, meine Damen und Herren: Niedersachsen ist trotz der europaweit besonderen Verantwortung für den Wiesenvogelschutz bundesweit Schlusslicht bei den Naturschutzausgaben ist. Das Ergebnis Ihrer verfehlten Agrarpolitik, die auf Massentierhaltung und auf Intensivproduktion setzt, können Sie in den Bestandszahlen der Wiesenvögel ablesen.

Seit 1990 hat es folgende Entwicklung gegeben:

Kampfläufer: Brutbestand erloschen

Bekassine: Rückgang um 90 Prozent,

Uferschnepfe: Rückgang um 60 Prozent,

Starke Verluste beim Kiebitz und beim Brachvogel.

Das ist die traurige Bilanz Ihrer Agrarpolitik meine Damen und Herren von CDU und FDP.

Anrede,

zu unserer Frage, wie hoch eigentlich der Grünlandanteil in den FFH-Gebieten ist, kann die Landesregierung nichts sagen. Und dabei muss Niedersachsen spätestens im Frühjahr 2013 einen umfassenden Bericht über den Erhaltungszustand seiner FFH-Gebiete vorlegen. Sie sind noch nicht einmal in der Lage, die einfachsten Strukturdaten über die FFH-Gebiete zu liefern, geschweige denn den Erhaltungszustand umfassend zu beurteilen. Und Sie wissen auch nicht, in welchem Umfang in den FFH-Gebieten Grünlandflächen umgebrochen wurde. Sie haben schlicht und einfach Ihre Hausaufgaben nicht gemacht. Und das liegt nicht zuletzt an Ihrer völlig verkorksten Verwaltungsreform, bei der Sie die Zuständigkeit für die FFH-Gebiete auf die Landkreise übertragen haben, denen Sie aber gleichzeitig massive Fesseln anlegen bei der Umsetzung der FFH-Anforderungen in Schutzgebietsverordnungen. Sie können ja noch nicht einmal die Berichtspflichten durch die Landkreise sicherstellen. Das ist Arbeitsverweigerung nach dem Motto: 2013 regieren wir eh nicht mehr, soll das doch Rot-Grün machen.

Sie geben den Verstoß gegen europäisches Naturschutzrecht offen zu. Es könne nicht prognostiziert werden, ob es gelinge, die rund 6.300 Hektar "Magere Flachland-Mähwiesen" in Niedersachsen in einem günstigen Zustand zu erhalten, schreibt die Landesregierung.

Meine Damen und Herren: Sie werden es müssen! Alles andere ist ein Verstoß gegen europäisches Recht. Und es ist ein Skandal, wie lax sie damit umgehen.

Anrede,

was mir für die Zukunft wirklich Sorgen macht, ist die Frage, wie wir die Erhaltung insbesondere extensiv genutzten Grünlandes mit der Nutzung in Einklang bringen, denn Grünlanderhalt funktioniert nur mit Nutzung dieser Flächen.

Und da wird auch in der Antwort auf unsere Anfrage deutlich: Extensive Grünlandnutzung mit vergleichsweise niedrigem Energiegehalt des Grundfutters ist mit der Milchviehhaltung kaum noch vereinbar. Weil man die Energie, die so eine Turbo-Kuh mit Milchleistungen von 7.000 und mehr Litern im Jahr einfach braucht, eben nur noch mit Intensivgrünschnitt, Mais oder Kraftfutter in das Tier hinein bringt. Das sind doch bedenkliche Auswüchse, meine Damen und Herren: Eine Milchkuh, die über Jahrhunderte traditionell auf der Weide gehalten wurde, droht inzwischen fast zu verhungern, wenn man sie auf die Weide stellt und mit artenreichem Grünfutter füttern will.

Anrede,

die Alternative zur Milchviehhaltung, die sich sehr gut mit der Nutzung von Grünland in Einklang bringen lässt, heißt Mutterkuhhaltung und Weidemast. Auf unsere Frage nach regionalen Weidefleischprogrammen in Niedersachsen kann die Landesregierung so gut wie nichts sagen: Die Programme gäbe es, heißt es und es würden auch jährlich rund 1.000 bis 2.000 Schlachttiere vermarktet. Aber darüber hinaus weiß man eigentlich gar nichts. Auch keine Ahnung davon, woher das bei uns höherpreisig vermarktete Qualitätsrindfleisch eigentlich stammt.

Mein Eindruck ist, dass da einiges an Wertschöpfungspotenzialen für die niedersächsische Landwirtschaft ungenutzt bleibt und das deshalb, weil diese Landesregierung in der Agrarpolitik eben nur eine Richtung kennt und die heißt Wachsen oder Weichen. Bauernsterben und Agrarindustrie. Kleinere Betriebe, die eben nicht auf Gunststandorten wirtschaften, die werden nicht unterstützt. Dabei verschwinden immer größere Teile unserer grünlandgeprägten Kulturlandschaft. Dafür trägt ihre einseitige Weltmarktorientierung die Verantwortung!

Um extensiv genutztes Grünland zu erhalten, müssen wir eben gerade auch Nutzungsformen stärken, die mit einer extensiven Grünlandwirtschaft in Einklang zu bringen sind. Sonst nützen uns die ganzen Programme nichts. Ein Feuchtgrünlandprogramm läuft ins Leere, wenn es keine Nutzungsoptionen für eine extensive Bewirtschaftung gibt.

Anrede,

wie setzen wir die Erkenntnisse aus der Großen Anfrage für die Zukunft politisch um? Wie muss Ordnungsrecht und wie muss vor allem Förderung gerade auch in der zweiten Säule ausgestaltet werden, damit wir das Grünland als Kohlenstoffspeicher im Sinne des Klimaschutzes und zum Schutz unseres Grundwassers erhalten? Was ist erforderlich, um die anhaltenden Probleme im Naturschutz, bei denen es sehr wesentlich um den Lebensraum Grünland geht, endlich zu lösen, um den Artenrückgang endlich zu stoppen?

Meines Erachtens geht da einiges von den Vorschlägen der EU-Kommission für die Agrarpolitik in der neuen Förderperiode ab 2014 in die richtige Richtung.

Das ist zum Beispiel ein Umbruchverbot für Grünland vor allem auf kohlenstoffreichen Standorten.

Das sind natürlich auch die vorgeschlagenen Greening-Maßnahmen, die ich mir aber noch ambitionierter vorstellen könnte. Aber leider ist ja selbst bei den bescheidenen, von der Kommission vorgelegten Ansätzen Frau Aigner, kräftig soufliert von Herrn Lindemann, momentan unterwegs und versucht das alles wieder zurück zu drehen. Ich sage Ihnen aber ganz klar: Wer, wie CDU und FDP ein "Weiter so" in der Agrarpolitik propagiert, der erweist vor allem den Bäuerinnen und Bauern einen Bärendienst. Wenn nämlich die gesellschaftliche Akzeptanz dieser Form der Landwirtschaft weiter so rasant in den Keller geht, dann wird die Frage immer lauter werden, warum wir überhaupt noch öffentliche Gelder in diesen Bereich hinein geben sollten.

Stattdessen brauchen wir eine deutliche Aufstockung der Mittel zur Erhaltung und zum Schutz extensiv genutzten Grünlandes. Wir brauchen eine Weidehaltungsprämie, eine bessere Förderung der Mutterkuhhaltung und Weidemast, auch in der Form, dass wir regionale Vermarktungsinitiativen für Qualitätsrindfleisch aus Weidehaltung fördern. Das ist eine Wertschöpfungskette, die wir wieder in Gang setzen müssen, weil diese Landesregierung das bisher sträflich vernachlässigt hat und einseitig die Industrialisierung der Landwirtschaft auf ein unverantwortliches Maß vorangetrieben hat.

Anrede,

Grünland ist ein elementarer Bestandteil unserer Kulturlandschaft. Wir Grüne stehen zum Grünland. Wir müssen und wir werden ab 2013 zusammen mit der SPD alles dafür tun, um dieses zu erhalten. Der Erhalt von Grünland ist aktive Naturschutz- und Gewässerschutzpolitik und damit Teil einer Landwirtschaftspolitik für den ländlichen Raum.

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