Rede Brigitte Pothmer: Neuordnung des Friedhofs- und Bestattungswesens

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Anrede,
Das Friedhofs- und Bestattungsrecht in Niedersachsen stammt aus dem Jahr 1934 und ist derzeitig in unterschiedlichen Rechtsvorschriften geregelt. Diese Rechtsvorschriften sind veraltet und anpassungsbedürftig. Sie entsprechen den veränderten Anschauungen und Wertvorstellungen der Bürgerinnen und Bürger vielfach nicht mehr und werden auch den individuellen Wünschen Verstorbener und ihrer Angehörigen nicht mehr gerecht.
So leben in Niedersachsen immer mehr Menschen, die nicht dem christlichen Glauben angehören. Auch diesen Menschen muss die Möglichkeit eröffnet werden, eine Bestattung entsprechend ihrer Tradition und ihrer Überzeugung vornehmen zu können. Deshalb wollen wir den Sargzwang bei Erdbestattungen aufheben.
Damit nehmen wir auf die islamischen Bestattungsvorschriften Rücksicht. Denn im Islam ist die sarglose Erdbestattung die einzige erlaubte Bestattungsart. Jede andere Art ist Muslimen nur im Notfall und als Ausnahme - z.B. bei Seuchen oder Überschwemmungen - erlaubt.
Die Sargpflicht hat in der Vergangenheit dazu geführt, dass Hinterbliebene ihre Toten in die ursprünglichen Heimatländer überführt haben. Für diese Hinterbliebenen fehlt dadurch in ihrer aktuellen und dauerhaften Lebenswelt der Ort für Trauer.
Ich glaube, es gebietet der Respekt vor den Menschen nichtchristlichen Glaubens, die z.T. seit Generationen in Deutschland leben, dass wir unsere Friedhofsordnung so ändern, dass auch sie die Möglichkeit bekommen, ihre Toten nach ihrem Ritus hier zu begraben und zu betrauern.
Im zweiten Punkt unseres Antrages schlagen wir vor, den Friedhofszwang für Urnenbestattungen aufzuheben. Wie in anderen europäischen Ländern sollen auch in Niedersachsen Angehörige die Asche ihrer Verstorbenen in einer Urne an Orten ihrer Wahl aufbewahren oder an dafür vorgesehenen Orten verstreuen dürfen. Voraussetzung dafür ist, dass die Verstorbenen dies zu ihren Lebzeiten schriftlich festgelegt haben.
Mich hat überrascht, dass insbesondere von Vertreterinnen und Vertretern der Evangelischen Kirche die Aufhebung des Friedhofszwanges häufig mit der Abschaffung der Friedhöfe gleichgesetzt wird. Auch Sie, Herr Bookmeyer, warnen vor der Zerstörung einer bestehenden Friedhofskultur durch die vorgeschlagenen Änderungen im Bestattungsrecht.
Erfahrungen in anderen europäischen Ländern zeigen aber, dass nur eine kleine Gruppe der Bevölkerung die Urne mit der Asche ihrer Verstorbenen mit nach Hause nehmen möchte. In den Niederlanden sind es ca. 1% der Hinterbliebenen. Das hat sicher etwas damit zu tun, dass die christlichen Rituale seit Jahrhunderten in der Bevölkerung verwurzelt sind. Und auch ich bin der Auffassung, dass die Kirchen mit ihrem Bestattungsritus den Menschen ein Angebot machen, das sich nicht so einfach ersetzen lässt.
Aber, meine Damen und Herren,
wenn die Sorge der Kirchen berechtigt wäre und die Aufhebung des Friedhofszwanges die traditionelle Existenz der Friedhöfe gefährden würde, dann würde das bedeuten, dass tatsächlich ein großer Teil der Menschen ihre Angehörigen nur deshalb auf dem Friedhof bestattet, weil es den Friedhofszwang gibt.
Dann allerdings ist es um so notwendiger, über eine Neuregelung der Bestattungsordnung nachzudenken.
Ich meine, die Kirchen sollten durch die Qualität ihres Angebotes überzeugen – und wahrscheinlich überzeugen sie auch - und nicht über den Friedhofszwang eine längst stattfindende Debatte abwürgen.
Ein wichtiger Punkt unseres Antrages ist die Forderung nach einer Neuregelung der Bestattung bei tot- und fehlgeborenen Kindern. Deren Hinterbliebenen muss das Recht auf Bestattung eingeräumt werden, wenn sie es wünschen. Damit werden diese Kinder aus dem Status des "Operationsabfalls" herausgehoben, ihren Angehörigen wird eine echte Möglichkeit zur Trauerarbeit gegeben.
Anrede,
der Umgang mit dem Tod ist so individuell wie das Leben und bei den Regelungen für die Bewältigung sollten wir ein breites Spektrum ermöglichen.

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