Anne Kura: Rede zur Aussprache über die Regierungserklärung

- Es gilt das gesprochene Wort -

Sehr geehrte Frau Präsidentin,

sehr geehrte Kolleg*innen und Kollegen,

Als erstes möchte ich dem wiedergewählten Ministerpräsidenten Stephan Weil im Namen der Grünen-Landtagsfraktion herzlich gratulieren, ebenso der neuen Vize-Ministerpräsidentin Julia Willie Hamburg und der gesamten Regierung.

Danke für die Bereitschaft, in schwierigen Zeiten Verantwortung für unser Land zu übernehmen.

Ich möchte mich ausdrücklich auch bei den ausgeschiedenen Mitgliedern der vorherigen Landesregierung und des Landtags für ihren Einsatz für Niedersachsen bedanken.

Der Ministerpräsident hat es gestern in seiner Regierungserklärung auf den Punkt gebracht: Die rot-grüne Koalition beginnt ihre Arbeit in Zeiten großer Herausforderungen und Veränderungen. Diese betreffen die Menschen in ihrem Alltag massiv. Für viele Menschen und Unternehmen sind die steigenden Preise ein Riesenproblem – und das nach Jahren der Pandemie.

Anrede,

In der Krise stehen die Menschen in Niedersachsen zusammen. Das zeigt sich gerade jetzt bei der Aufnahme von Geflüchteten, insbesondere aus der Ukraine. Im Winter werden wohl noch mehr Menschen ihre Heimat verlassen müssen, um sich und ihre Familien in Sicherheit zu bringen. Wir in Niedersachsen sind bereit zu helfen. Deshalb setzen wir alles daran, sie menschenwürdig aufzunehmen. Unsere Kommunen und viele Privatpersonen leisten enormes bei der Unterbringung der Geflüchteten. Wir werden sie dabei noch besser unterstützen.

Putin und sein Regime greifen nicht nur die Ukraine an. Sie wollen uns und unsere Demokratie destabilisieren, als Instrumente dienen ihnen Energie und Propaganda.

Es ist deutlich geworden, dass wir in vielen Fragen unterschiedlicher Auffassung sind, was das Beste für unser Land ist. Die Verantwortung dafür, dass Putins Plan nicht gelingt, tragen wir gemeinsam. Wir Demokrat*innen und Demokraten in diesem Haus und im ganzen Land. Wir müssen zusammenstehen und wir werden zusammenstehen.

Ich freue mich, Herr Lechner, über Ihre Ankündigung einer konstruktiven Oppositionsarbeit und auch wir strecken die Hand zur Zusammenarbeit zum Wohle des Landes aus.

Anrede,

Dass uns die Inflation so hart trifft, liegt daran, dass wir uns zu sehr von fossilen Energien aus Russland abhängig gemacht haben. Dass die Energiewende und insbesondere der Ausbau der Erneuerbaren verschleppt ja sogar gedeckelt wurde. Das kommt uns jetzt im wahrsten Sinne des Wortes teuer zu stehen.

Wir sind auf einem guten Weg, unabhängig von russischen Energieimporten zu werden. Es ist gut, dass jetzt – fast – alle aus den Irrtümern der Vergangenheit lernen.

Kurzfristig kommen wir um fossile Ersatz- und Übergangslösungen nicht herum. Aber wir werden nicht den Fehler machen und über das Ziel hinauszuschießen. Atomkraft und Fracking sind keine Antwort, hat der Ministerpräsident gesagt. Gas, Öl oder Kohle nutzen wir nur so lange wie nötig. Die Antwort sind die Erneuerbaren: sie sind günstig und klimaneutral. Machen wir Niedersachsen zum Erneuerbare Energieland Nr.1!

Anrede,

Wir wollen den Menschen in Niedersachsen Sicherheit geben, in dieser Krise, aber auch darüber hinaus.

Die Menschen in Niedersachsen können sicher sein, dass die rot-grüne Koalition alles tut, um unsere Energieversorgung zu sichern.

Sie können sicher sein, dass wir den Klimaschutz zu einer zentralen Aufgabe in allen Bereichen der Landespolitik machen werden.

Sie können sich sicher sein, dass wir so Wertschöpfung und Arbeitsplätze in Niedersachsen zukunftsfest machen.

Sie können sich sicher sein, dass wir erhalten, was Niedersachsen ausmacht, was Niedersachsen lebenswert macht.

Sie können auch sicher sein, dass wir die Veränderungen sozial gerecht gestalten.

Gerade in der Krise gilt: Starke Schultern tragen mehr als schwache Schultern. Vor allem die Schwachen müssen wir stärken. Das werden wir bereits beim Sonderprogramm des Landes für die Energiekrise beherzigen. Rot-Grün wird das als erstes Projekt sehr schnell auf den Weg bringen, um besonders betroffenen Bürger*innen, kleinen und mittlere Unternehmen, und sozialen Einrichtungen, Kultur- und Sportvereinen kurzfristig zu helfen. Wir Grünen haben einen solchen Landesrettungsschirm in der aktuellen Krise schon früh thematisiert. Die SPD hat es vor der Wahl ebenfalls versprochen. Rot-Grün setzt dies jetzt zügig und tatkräftig um.

Das ist ein gutes Zeichen für verantwortungsvolle Politik in Krisenzeiten.

Wir haben uns jedoch mehr vorgenommen als nur kurzfristiges Krisenmanagement. Der Ministerpräsident hat ein ehrgeiziges Regierungsprogramm vorgestellt. Wir stehen vor großen Herausforderungen und die Probleme dulden keinen Aufschub.

Und es wird von uns allen Anstrengungen erfordern, denn eine Lösung zu finden, ist immer schwieriger als ein Problem zu finden.

Ganz oben auf der Agenda dieser Regierung, dass ist deutlich geworden, steht der Klimaschutz.

Gerade läuft die 27. UN-Klimakonferenz. Die erste Klimakonferenz, an die ich mich erinnern kann, war die COP3 in Kyoto, 1997 - die beiden jüngsten Abgeordneten waren da noch nicht geboren. Mit dem Kyoto-Protokoll haben die Staaten erstmals verbindliche Ziele zur Reduktion von Treibhausgasen festgelegt. Die Dringlichkeit dieser Krise fand ich da schon erschreckend. Seitdem ich Politik aktiv wahrnehme, gehört die Mahnung nach mehr Klimaschutz dazu – und sie ist immer lauter geworden. Passiert ist viel zu wenig.

Erstmals macht eine niedersächsische Landesregierung den Klimaschutz zu einer Aufgabe für alle Bereiche der Landespolitik. Das ist auch allerhöchste Zeit. Der Expert*innenrat der Bundesregierung hat Deutschland gerade vor wenigen Tagen ein schwaches Zeugnis ausgestellt: Die Klimaziele für 2030 werden wir kaum erreichen; jedenfalls nicht mit einem Weiter so.

Wir werden unser Land wieder auf den 1,5-Grad-Pfad bringen und in klaren Schritten bis 2040 klimaneutral aufstellen.

Damit die Energiewende gelingt, werden wir Genehmigungsverfahren vereinfachen, digitalisieren und beschleunigen. Auf alle neuen Dächer kommen schnellstmöglich Solaranlagen und die Vorrangflächen für die Windenergie werden wir bis 2026 verdoppeln.

Sehr geehrte Damen und Herren von der CDU, Sie sind herzlich aufgefordert, dieses Vorhaben zu unterstützen. Werben Sie vor Ort in ihren Wahlkreisen für mehr Flächen für Solar- und Windenergie. Machen sie deutlich: Das lohnt sich vor Ort und fürs ganze Land.

Anrede,

wir sorgen nun dafür, dass die Kommunen und die Menschen vor Ort von der Energiewende finanziell profitieren.

Gute Klimapolitik ist auch gute Wirtschaftspolitik: Sie ist die Voraussetzung für zukünftigen Wohlstand in Niedersachsen. Das unterstützen wir mit einem Transformationsfonds.

Und natürlich unterstützen wir ganz besonders VW beim zukunftsgewandten Kurs der Transformation: um nachhaltige Wertschöpfung hier am Wirtschaftsstandort Niedersachsen zu sichern. Dass das für uns besonders wichtig ist, unterstreichen wir gerade eben dadurch, dass unsere stellvertretende Ministerpräsidentin Julia Willie Hamburg in diesem Aufsichtsrat mitarbeiten wird.

Das wird alles eine Menge Arbeit. Dafür brauchen wir genügend Fachkräfte Wir werden deshalb eine Beschäftigungs- und Qualifizierungsoffensive starten.

Die Landesregierung setzt eine Priorität bei der Bildung. Es ist ein starkes Zeichen, dass mit Julia Willie Hamburg die stellvertretende Ministerpräsidentin das Bildungsministerin übernimmt – und ein richtiges.

Gute Bildung ist ein Schlüssel gegen den Fachkräftemangel und für Gerechtigkeit. Dafür müssen wir den Fachkräftemangel im Bildungsbereich selbst angehen. Wir machen in Niedersachsen den Beruf der Lehrerin oder des Lehrers endlich etwas attraktiver. Geld ist nicht alles, aber die schrittweise Anhebung der Einstiegsgehälter bei den Lehrkräften auf A13 ist nun einfach fällig.

Es ist wichtig, dass wir jetzt in die Ausbildung für Lehrkräfte investieren. Dazu gehört auch die Digitalisierung an den Schulen voranzubringen. Wir haben in der Corona-Pandemie erlebt, wo es überall hakt.

Anrede,

die Land- und Ernährungswirtschaft ist einer der wichtigsten Wirtschaftszweige Niedersachsens – kaum ein Beruf arbeitet enger mit der Natur und ist auf eine intakte Umwelt und fruchtbare Böden angewiesen. Da sind die Folgen der Klimakrise und des Artensterbens eine echte Gefahr. Wir wollen dazu beitragen, die Landwirtschaft zukunftsfest aufzustellen, damit Höfe sicher an die nächste Generation übergeben werden können und es gesunde und regionale Lebensmittel gibt. Wir werden den Niedersächsischen Weg sehr konsequent beschreiten.

Wir werden als Land wieder mehr investieren! Endlich! Die Schuldenbremse ist Recht und Gesetz. Aber sie darf nicht als Investitions- und Zukunftsbremse zum Schaden unseres Landes wirken. Und deshalb wird diese Koalition investieren, mit dem Niedersachsenfonds, für den es über diese Koalition hinaus bereits Unterstützung gibt, etwa beim DGB. Und ich bin sicher, auch die Wirtschaft wird gut mit einer Landesregierung fahren, die dabei hilft, den Umbau zu einer klimaneutralen Wirtschaft zu forcieren, und selbst mit Investitionen vorangeht; zum Beispiel bei der Sanierung von Sozialwohnungen; zum Beispiel beim Ausbau der Solarenergie auf eigenen Gebäuden; und natürlich auch mit direkten Hilfen gerade bei kleinen und mittleren Unternehmen mit nicht so starker Finanzkraft.

Der Alltag in Niedersachsen wird stärker noch als vom Land von der Arbeit und der Leistungsfähigkeit der Landkreise, Städte und Gemeinden bestimmt. Ihre Aufgaben sind gewachsen durch Entscheidungen von Bund und Land. Ihre Finanzen sind nicht in dem Maße gewachsen. Wir werden gemeinsam mit den Kommunen über eine bessere Finanzausstattung beraten. Ein erster Schritt aber ist, den Zugang zu den vorhandenen Fördermitteln zu erleichtern, mit deutlich weniger Bürokratie.

Anrede,

der Rechtsextremismus ist die größte Gefahr für unsere demokratische und offene Gesellschaft. Das gilt es - heute am 9. November - herauszustellen. Und dazu gehört die klare Abgrenzung von allen, die keine klare Grenze zum Rechtsextremismus ziehen, auch hier im Landtag. Wir wollen eine dauerhafte Finanzierung zivilgesellschaftlicher Initiativen gegen Rechtsextremismus sicherstellen, den Aktionsplan gegen Rassismus zügig umsetzen und die Landeszentrale für politische Bildung stärken. Und wir werden unsere Sicherheitsbehörden stärken.

Als rot-grüne Koalition haben wir noch viele weitere Punkte vereinbart, mit denen wir Niedersachsen voranbringen. Und lieber Herr Lechner, hören Sie gut zu. Das ist ein Aufbruch. Wir packen jetzt die Dinge an, die mit Ihnen in den vergangenen Jahren liegen geblieben sind. Nicht nur beim zentralen Thema Klimaschutz, wo Sie fast ständig auf der Bremse standen: 

Mit einem Partizipations- und Teilhabegesetz sorgen wir dafür, dass alle Menschen die gleichen Chancen haben: Wir sichern den Zugang zu Bildung, Ausbildung, Beschäftigung und politischer Mitbestimmung in unserer Einwanderungsgesellschaft.

Mit einem Landesantidiskriminierungsgesetz schaffen wir umfassenden Schutz vor Diskriminierung durch Landeseinrichtungen und wir schaffen Rechtsansprüche.

Wir wollen Frauenberatungsstellen und Frauenhäuser ausbauen und finanziell absichern.

Wir erhöhen die Pro-Kopf-Ausgaben für Kunst und Kultur.

Mit einer Landeswohnungsgesellschaft schaffen wir bezahlbaren Wohnraum.

Wir stärken den ÖPNV und den Radverkehr.

Wir führen ein landesweit gültiges 29-Euro-Ticket für Schüler*innen, Auszubildende und Freiwilligendienstleistende ein und erhöhen so die Mobilität junger Menschen.

Wir erproben eine Mobilitätsgarantie zunächst in zwei Modellregionen.

Ja, das ist viel und es ist auch noch nicht vollständig. Das zeigt: Diese Koalition löst endlich viele Blockaden und hat sich viel vorgenommen.

Und dafür braucht sie ein starkes Parlament mit selbstbewussten Fraktionen, die ihre Rollen zum Wohle des Landes ernst nehmen und die Regierung kontrollieren und bei Bedarf motivieren.

Klare Worte gehören dazu, Kritik muss deutlich, pointiert (und bei Bedarf selbstverständlich auch mal polemisch) vorgetragen werden – und ich bin mir sicher, das wird auch geschehen. Aber lassen Sie uns in der Sache streiten. Und lassen Sie uns einander zuhören. Das wäre auch gut fürs Land, denn gute Gedanken kommen eher selten in schlechter Atmosphäre.

Es ist übrigens ein gutes Zeichen, dass der Landtag wieder etwas weiblicher und endlich auch vielfältiger geworden ist. Aber das reicht noch nicht. Ein Frauenanteil von 34 Prozent ist noch lange nicht genug. Wir brauchen Parität.

Hier komme ich nochmal auf das Angebot der konstruktiven Opposition zurück. In unseren Nachbarländern Schleswig-Holstein und NRW trauen Daniel Günther und Hendrik Wüst und den 16-jährigen zu, zu wählen. Zu Recht! Aber hier in Niedersachsen sollen sie das nicht können, liebe CDU? Das wäre ein seltsames und schlechtes Signal, dass wir als Land aussenden. Wir stehen für Gespräche zu diesem Thema bereit.

Anrede,

Diese Koalition will Sicherheit geben, aber auch Zuversicht und Mut ausstrahlen. Dass wir die Krisen meistern – entschlossen, nachhaltig, sozial gerecht. Niedersachsen hat die Kraft dazu. Davon bin ich überzeugt.

Eine Landesregierung, die gemeinsame Ziele gemeinsam verfolgt, wird unserem Land guttun – und viel Energie freisetzen.

Dieses Signal geht von der neuen rot-grünen Koalition und ihrer Landesregierung aus. Niedersachsen hat die Chance, gemeinsam gestärkt aus dieser Krise herauszukommen. Dieses Signal muss auch von diesem Landtag ausgehen. Das erwarten die Menschen in Niedersachsen zu Recht von uns.

Vielen Dank.

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