Rede Anja Piel: Unterrichtung des Ministerpräsidenten zu VW

- Es gilt das gesprochene Wort -

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Anrede,

in der Tat steht das Unternehmen VW vor dem größten Umbau in der Nachkriegsgeschichte.

Dabei geht es nicht einfach nur darum, weniger Benziner und Dieselfahrzeuge und mehr Elektroautos zu bauen.

Es geht auch nicht allein darum, ob dort, wo jetzt noch Teile für Benziner oder Diesel hergestellt werden, bald Teile für batteriebetriebene Autos gefertigt werden.

Es geht um deutlich mehr.

Es geht um ein Unternehmen, das allein in Deutschland 108.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt. Von dem in der Zuliefererindustrie mit noch einmal viele tausend Arbeitsplätze abhängen. Und es geht um die Frage, ob dieses Unternehmen den Aufbruch in die Zukunft der Mobilität schafft.

Eine Zukunft, die schon längst begonnen hat.

Anrede,

denn schon heute ist für viele Menschen Mobilität eben auch Carsharing, öffentlicher Nahverkehr und konzentriert sich nicht mehr allein darauf, im eigenen Auto von A nach B zu fahren.

Und das ist auch gut so, meine Damen und Herren.

Denn die Menschen sind durch Abgase mit Lungenkrankheiten belastet. Und das ist kein exklusiv deutsches Problem, das geht Menschen auf der ganzen Welt so!

Und der Klimawandel ist im Gange. Wir müssen darauf Antworten finden.

Anrede,

In dieser Wirklichkeit ist auch VW jetzt angekommen.

Aber um es deutlich zu sagen: Angekommen ist VW vor allem, weil eine amerikanische Aufsichtsbehörde eine Betrügerei in noch nicht erlebtem Ausmaß aufgedeckt hat.

Mit dem Zukunftspakt lichtet sich jetzt der Nebel, der durch Dieselgate entstanden ist. Endlich gibt es einen Plan, eine Richtung, in die VW will. Und endlich haben wir eine Skizze davon, wie die Leitplanken aussehen, die sich VW für den Umbau gesetzt hat.

Anrede,

das ist erst einmal erfreulich.

Nur ist es leider nicht für alle erfreulich. 

Dieser Plan bedeutet für viele Beschäftigten große Opfer. Ein vorzeitiger Ruhestand war für sie sicher nicht, was sie sich für die nächsten Jahre vorgestellt haben.

Stellen Sie sich mal vor, sie haben jahrzehntelang für VW gearbeitet, haben sich nichts zuschulden kommen lassen und müssen jetzt gehen. Wenn Sie wissen, dass diejenigen, die für Fehlentscheidungen und hohe Klageforderungen verantwortlich sind, weiter in ihren Sesseln sitzen bleiben, dann müssen Sie doch das Gefühl haben: Sie sind das Opfer.

Anrede,

viel härter noch trifft es die Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter, die sich in den letzten Wochen und Monaten völlig unverdient im Freundes- und Bekanntenkreis die Kritik am Unternehmen anhören mussten. Diese Menschen werden jetzt wegen Zukunftsängsten um den Schlaf gebracht. Für viele von ihnen ist es wahrscheinlich, dass sie Teil des Zukunftspaktes sind.

Ich schließe mich der Hoffnung des Ministerpräsidenten an, dass diese Menschen bei ihrer Suche nach neuen Möglichkeiten nicht allein gelassen werden.

Anrede,

mir bereitet es große Sorgen, dass einzelne an der Spitze des Unternehmens den Ernst der Lage immer noch nicht begreifen.

Sie werden keinen einzigen Kunden zurückgewinnen und keinen einzigen Arbeitsplatz retten, wenn sie falsche Entscheidungen arrogant verteidigen. Das ärgert mich!

Anrede,

wir sollten doch ehrlich benennen, was geschehen ist: VW hat Verbraucherinnen und Verbraucher betrogen. In den USA und Europa. Das muss das Unternehmen auch zugeben!

Eine Frechheit ist dagegen, den Verbraucherinnen und Verbrauchern vorzuwerfen, keine Elektrofahrzeuge zu kaufen. Dem Management von VW kann ich nur sagen:

Baut ihr vernünftige Autos zu bezahlbaren Preisen! Dann verkauft ihr die auch!

Und zu den Kolleginnen und Kollegen der FDP: Der Verbrennungsmotor ist noch kein von der UNESCO zu schützendes Weltkulturerbe. German Mut heißt auch, sich vor neuer Technologie nicht zu fürchten, sondern auf die kurzen Innovationszyklen zu vertrauen.

Anrede,

am allermeisten aber regt mich auf, dass bei VW auch jetzt bei den vorliegenden Zahlen für den geplanten Stellenabbau noch immer eine ungebrochene Boni-Mentalität herrscht.

Unabhängig von Ansprüchen und Verträgen: was hätte ein gemeinsamer und zeitgleicher Verzicht auf die Boni-Zahlungen für ein Signal der Solidarität an die Belegschaft sein können!

Und wie klug wäre es gewesen, zusammen mit dem Zukunftspakt eine neue Systematik für solche Zahlungen für die Zukunft vorzulegen.

Stattdessen geht hier wieder die Schere auf!

Anrede,

dieser historische Konzernumbau wäre weit weniger schmerzhaft ausgefallen, wenn er schon vor zehn Jahren begonnen hätte.

Als der Konzern angefangen hat, Betrugssoftware zu installieren, hätte er besser Geld für die die Umstrukturierung, und für mehr Elektromobilität in die Hand genommen!

Wir Grüne stehen zu unserem Vorhaben, ab 2030 keine neuen Verbrenner mehr auf die Straßen zu lassen. Für dieses grundsätzliche Ziel hat sich auch der Bundesrat ausgesprochen. Und der Grüne Bundesparteitag sowieso!

Wir geben VW und der gesamten Automobilindustrie einen ordnungspolitischen Rahmen und hinterlegen die klimapolitischen Ziele mit konkreten Maßnahmen. Das halte ich nicht nur für richtig, sondern das ist auch mein Verständnis von ehrlicher Politik.

Das 1,5 Grad Ziel nur zu fordern ist leicht!

Aber zurück zu VW,

mich macht das zögerliche und zum Teil arrogante Verhalten des VW-Vorstandes so wütend, weil dieses Unternehmen für die Menschen in Niedersachsen und für die Zukunft der Mobilität wichtig ist.

Der Zukunftspakt ist ein Anfang. Er kommt zu spät. Er produziert Opfer, die vor ein paar Jahren vermeidbar gewesen wären. Aber er ist ein Anfang.

Ich wünsche dem Unternehmen VW im Namen der grünen Fraktion, aber auch sehr persönlich alles Gute für den nötigen Umbau.

Unsere Solidarität gilt allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die in diesen schwierigen Zeiten ihren Teil dazu leisten. Und auch denen, die ihren Teil dazu nicht mehr leisten dürfen.

Ich setze fest darauf, dass das Vorhaben der Modernisierung von VW gelingt.

Der Erfolg dieser Unternehmung ist wichtig fürs Klima, für die Mobilität der Zukunft und für das Land Niedersachsen.

Vielen Dank.

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