Rede Anja Piel: Regierungserklärung "Auf dem Weg zu einer rationalen Endlagersuche - Castor- und Erkundungsstopp für Gorleben"

Es gilt das gesprochene Wort!

Anrede,

es ist jetzt 36 Jahre und fast 2 Monate her, dass ein niedersächsischer Ministerpräsident auf Gorleben zeigte und entschied:

Hier wird ein Nukleares Entsorgungszentrum gebaut! Ernst Albrecht wollte hier ein Nationales Entsorgungszentrum bauen, mit Wiederaufarbeitung, Zwischenlager und Endlager. Dafür hatte Albrecht keine wissenschaftlichen, sondern vor allem politische Gründe. Schließlich lag Gorleben direkt an der Grenze zur DDR im wenig besiedelten Wendland. 

Vier Jahrzehnte später erreichen uns überraschende Nachrichten aus dem Gorleben-Ausschuss des Bundestages. CDU und FDP zweifeln nach Durchsicht der Akten nicht, dass sich Gorleben als Standort für ein Endlager eignet und eigentlich sei da alles ganz vorbildlich gelaufen. Das ist wenige Wochen vor dem Konsens für den Neustart für eine ergebnisoffene Suche eine kühne Ansage…

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP hier im Landtag, gestatten Sie mir an dieser Stelle eine kritische Anmerkung:

Zu dieser Einschätzung passt natürlich, dass das Bundesumweltministerium den Verbänden und Initiativen ganze 48 Stunden einräumt, um den Entwurf des Endlagersuchgesetzes zu prüfen, 48 Stunden für ein 75-Seiten-Papier, dessen Auswirkungen eine Million Jahre in die Zukunft reichen.

Vertrauensbildende Maßnahmen für die zu Recht wachsamen Menschen im Wendland sehen anders aus!  

Von der „großen Lösung“, dem Albrecht`sche Traum von einem Nuklearzentrum, ist dank des Widerstandes und des großen Gorleben-Trecks 1979 weniger geblieben; ein Zwischenlager und ein Erkundungsbergwerk, und die Idee, dass sich Gorleben wie das Modell Asse zur Endlagerung von Atommüll eignet.

Die grünen Bedenken gegen den Standort Gorleben sind übrigens durch die Erfahrung mit dem Modell Asse nicht weniger geworden.

Aber lassen Sie uns besser nach vorne schauen:

Nach all den Jahrzehnten Risikotechnologie ohne Unterbringung für die verstrahlten Hinterlassenschaften könnte ein Suchverfahren, das ganz Deutschland und alle Wirtsgesteine umfasst, endlich Ernst Albrechts fragwürdige Auswahl beerdigen.

Dies ist zumindest das vorläufige Ergebnis des Bund-Länder-Gesprächs vom Dienstag der vorigen Woche.

Ministerpräsident Stephan Weil und Umweltminister Stefan Wenzel haben bei den Nachverhandlungen in Berlin erreicht, was zu erreichen war.

Für diesen persönlichen Einsatz für den dringend notwendigen Neuanfang haben beide meinen tiefempfundenen Respekt.

Ob es im Verlauf der weiteren Beratungen zu einem Verfahren mit wirklich offenem Ausgang kommt,  ist die große Hoffnung, getrübt aber nicht nur durch die neusten Bekenntnisse von CDU und FDP, sondern auch weil Gorleben als einziger Standort schon jetzt für das Suchverfahren benannt ist.

Die nächsten Wochen werden zeigen, ob es gelingen kann, die „Nicht-bei-uns“-Haltung aufzubrechen, die das Thema seit Jahren lähmt.

Die aktuelle Diskussion um die Aufbewahrung der restlichen Castorbehälter beweist: Die Zeit der organisierten Verantwortungslosigkeit, in der eine nationale Aufgabe - nämlich Atommüll sicher unterzubringen - einzig auf niedersächsischem Rücken ausgetragen wurde, muss vorbei sein! 

Um das Misstrauen abzubauen, mit dem vor allem das Wendland  das politische Berlin betrachtet, muss es andere, neue Signale geben.

Angesichts der Hinterzimmer-Politik,  der Tricksereien und angesichts der Kriminalisierung der Proteste, die sich die Lüchow-Dannenberger seit Jahrzehnten gefallen lassen müssen, ist dieses Misstrauen berechtigt.

Diese Skepsis kann nur überwunden werden, wenn jede Bürgerin und jeder Bürger künftig nachvollziehen kann,  wie die Kriterien der Standort-Suche festgelegt werden.

Vorausgesetzt, dass zum einen die Kommission die Kraft findet, wissenschaftliche Kriterien festzulegen, und die Politik dann die Ergebnisse der Kommission ernst nimmt, und ein ergebnisoffenes Verfahren zulässt.

Der Weg zu einer Lösung, die möglichst viele Bürgerinnen und Bürger akzeptieren, ist noch sehr weit.

Und ich will ehrlich sein, aus meiner Sicht kann das ergebnisoffene  Suchverfahren erst beginnen, wenn der Standort Gorleben nicht mehr Teil einer vergleichenden Suche ist.  

Bei der aktuellen Diskussion um die verbliebenen 26 Castoren zeigt sich bereits, was für eine Herausforderung die Übernahme der nationalen Verantwortung ist;

Mit hohem Aufwand und unter erheblichen Kosten für die Niedersachsen hat man die Castoren von La Hague nach Gorleben gekarrt, von links unten in Deutschland nach rechts oben in Deutschland. 113 Castorbehälter stehen in Gorleben.

Dass jetzt endlich und zum ersten Mal darüber diskutiert wird, andere Bundesländer an der finanziellen und politischen Last der Transporte zu beteiligen, ist ein enormer Fortschritt und unseren grünen Freundinnen und Freunden in Schleswig-Holstein und Baden Württemberg hoch anzurechnen.

Grüne und Sozialdemokraten gehen in die Verantwortung, jetzt ist es Sache der Bundesregierung, ein politisches Konzept vorzulegen:

Die Frage der Zwischenlagerung der letzten Castoren, die noch in der Wiederaufarbeitung stehen, muss mit den Energieversorgern gelöst werden, die in den vergangenen Jahren den maximalen Profit aus dieser risikoreichen Stromerzeugung gezogen haben.

Ganz am Ende muss auch mit den Bundesländern verhandelt werden.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, auf ihnen ruht jetzt die Verantwortung. Signalisieren Sie den Kolleginnen im Bund, Kanzlerin Merkel und Umweltminister Altmaier, dass es jetzt darauf ankommt, die Suche nach einem Endlager-Standort neu zu starten. Machen Sie es wie wir, sprechen Sie ruhig auch mal mit den Kolleginnen in Hessen und in Bayern! 

Und lassen Sie sich in ihrem gemeinsamen Bemühen mit uns nicht beirren, es ist keine unzumutbare Härte, die großen Stromerzeuger bei den Kosten für die Suche nach einem Endlager in die Pflicht zu nehmen.

Diese Suche muss sich auf dem aktuellen Stand der Wissenschaft bewegen. Für einen Vergleich braucht es mehr als einen Standort und sicher auch mehr als ein Wirtsgestein.

 Verehrte Kolleginnen und Kollegen, bei allem Willen zum Aufbruch: 

Die grüne Zustimmung ist kein Blankoscheck, und Verantwortung werden wir am Ende nur für ein Verfahren übernehmen, das den Namen ergebnisoffen verdient und Transparenz garantiert.

Darum mein Appell an die CDU- und die FDP-Abgeordneten hier im niedersächsischen Landtag: Helfen Sie Ihren Parteifreunden in der Bundesregierung, diesmal den richtigen Weg einzuschlagen!

Vielen Dank! 

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