Rede Anja Piel: Gesetzentwurf (Landesregierung) zum Feiertagsgesetz

- Es gilt das gesprochene Wort -

Anrede + sehr geehrter Herr Ministerpräsident,

gefühlt reden wir in Niedersachsen schon eine Ewigkeit über einen neuen Feiertag. Aber die Art und Weise, wie Sie, Herr Ministerpräsident, dieses Thema angepackt haben, ist wenig feierlich. Dialog? Fehlanzeige. Breite Beteiligung? Fehlanzeige. Berücksichtigung berechtigter Einwände und Interessen? Fehlanzeige.

Diese Landesregierung bleibt sich selber treu und peitscht mit Tunnelblick durch, was im Hinterzimmer ausgeklüngelt wurde. Für das Vorhaben ein völlig unnötiger Fehlstart.

Heute nun, im Mai, liegt der Gesetzentwurf vor, nach dem der Reformationstag in Niedersachsen ein Feiertag werden soll. Wahrlich keine Überraschung mehr, nachdem Sie sich bereits auf der Nordländerkonferenz im Februar mit Ihren Kolleginnen und Kollegen aus Schleswig-Holstein, Bremen, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern darauf verständigt haben. Im Februar haben Sie noch beteuert, der parlamentarischen Debatte mit dieser Empfehlung nicht vorgreifen zu wollen. Heute, nachdem der Reformationstag in Schleswig-Holstein und Hamburg bereits beschlossen ist, sagen Sie, Sie wollen keine Insellösung für Niedersachsen. Welchen Spielraum also hat dieses Parlament noch? Welchen Sinn werden Anzuhörende in dem von Ihnen angepeilten Turbo-Verfahren sehen?

Ihr Vorgehen, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, hat mit der Idee der Reformation, Menschen gegenüber den Mächtigen zu stärken, nicht das Geringste zu tun. Im Gegenteil: Sie machen damit nur eines deutlich, nämlich: dass die Mächtigen auch 500 Jahre nach der Reformation Ihre Rolle gelegentlich kritisch hinterfragen sollten.

Sie wollen mit dem Reformationstag den interreligiösen Dialog stärken. Fakt ist jedoch, dass Sie damit die Jüdischen Gemeinden mit einer diplomatischen Ohrfeige aus diesem Dialog ausschließen. Das aber ist – gerade angesichts der Zunahme antisemitischer Tendenzen und Übergriffe –  ein fatales Signal. Auch die katholische Kirche und die die muslimischen Verbände haben sich kritisch zum Reformationstag geäußert. Der Reformationstag stärkt den interreligiösen Dialog also ganz offenbar nicht, das Gegenteil ist der Fall: er behindert ihn. Und die große Gruppe der Menschen in Niedersachsen, die sich keiner Religionsgemeinschaft zugehörig fühlt, bleiben bei Ihnen komplett außen vor.

Wir haben uns von Beginn an mit vielen anderen für einen weltlichen Feiertag ausgesprochen. Wir wollen einen Feiertag, der für ein weltoffenes und aufgeklärtes Niedersachsen steht. Ein Feiertag, der für alle Menschen in Niedersachsen relevant ist. Der wirklich eine Chance hat, gemeinsam begangen zu werden.

Wir haben in den letzten Monaten viele Vorschläge für einen neuen Feiertag gehört. Uns haben dabei vor allem zwei Tage überzeugt: der internationale Frauentag am 8. März ist u. A. von Frau Landtagspräsidentin Andretta ins Gespräch gebracht worden. Mit gutem Grund: Wir haben in dieser Legislaturperiode so wenige Frauen im Parlament wie seit 20 Jahren nicht mehr. Wir haben eine konstante Lohnlücke zwischen Männern und Frauen von 21 Prozent. Frauen kann man in den Führungsetagen unserer Unternehmen auch in Niedersachsen immer noch suchen. Gleichzeitig jährt sich die Einführung des Frauenwahlrechts in diesem Jahr zum hundertsten Mal. Was läge also näher, als mit dem internationalen Frauentag ein Zeichen für mehr Gleichberechtigung und Frauenrechte in Niedersachsen zu setzen?

Auch für den Europatag spricht viel. Erst letzte Woche haben verschiedene Initiativen, Verbände, Schulen, Gewerkschaften und andere mit Aktionen auf die historischen Errungenschaften der Europäischen Union aufmerksam gemacht. Sie steht seit Jahrzehnten für Demokratie, für Freiheit, für Solidarität. Und sie steht für Frieden. Frieden, der dank der Europäischen Einigung heute für uns alle selbstverständlich ist. Das, meine Damen und Herren, sind Werte, von denen alle Menschen in Niedersachsen profitieren – denn schließlich sind 100% der Menschen in Niedersachsen auch Europäerinnen und Europäer.

Anrede,

beim Thema Feiertag geht es aber auch um Gerechtigkeit zwischen den Bundesländern. Kurz zur Erinnerung: Niedersachsen hat nur 9 gesetzliche Feiertage und ist damit bisher Schlusslicht unter den Bundesländern. Bayern und Baden-Württemberg bspw. haben 13 Feiertage. Selbst wenn wir in Niedersachsen also einen weiteren Feiertag einführen, schließen wir nur unwesentlich zu den anderen Bundesländern auf. Wir schlagen daher den internationalen Frauentag und den Europatag als neue gesetzliche Feiertage in Niedersachsen vor.

Anrede,

Feiertage sind wichtig für eine Gesellschaft. Sie ermöglichen gemeinsame Unternehmungen und eine Auszeit vom oftmals stressigen Alltag. Sie ermöglichen aber auch die Besinnung auf gemeinsame Werte. Dafür muss ein Feiertag jedoch mit Leben gefüllt werden. Wie vor zwei Wochen, am 1. Mai, alljährlich funktioniert das hervorragend. Viele von uns sind da für Solidarität, Vielfalt und Gerechtigkeit auf die Straße gegangen und haben dadurch Gemeinsamkeit gelebt.

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,

wir halten den Reformationstag nicht nur deshalb für ungeeignet, weil Sie ihn hier mit beispielloser Arroganz und durchsetzen wollen. Wir halten ihn vor allem deshalb für ungeeignet, weil er für vielen Menschen in diesem Land kein Feiertag, sondern lediglich ein freier Tag sein wird. Und für manche unter uns wird er sogar eine Zumutung sein. Damit steht er schon jetzt für eine verpasste Chance.

Geschätzter Ministerpräsident, liebe Kolleginnen und Kollegen von SPD und CDU

Das kann nicht unser, und das darf nicht Ihr Anspruch sein!

 

Vielen Dank.

 

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