Rede Anja Piel: Gesetzentwurf (GRÜNE) zum Kindertagesstättengesetz

- Es gilt das gesprochene Wort -

Sehr geehrte Damen und Herren,

Sie alle kennen die Berichte wie den einer Erzieherin, die sich krank zur Arbeit schleppt. Sie tut das, weil sie nicht will, dass die Einrichtung schließt. Abbummeln kann sie die Zeit später auch nicht, weil das natürlich dieselben Konsequenzen hätte.

Solche Berichte höre ich regelmäßig, liebe Kolleginnen und Kollegen. Und sie zeigen, es muss sich was tun.

Anrede,

als ich in den 90ern das Mütterzentrum in Hameln aufgebaut habe, waren die Anforderungen an eine solche Einrichtung noch ganz andere.

Da ging es meistens um Kinderbetreuung am Vormittag, ab 12 waren die Kinder wieder zu Hause. Lange Betreuungszeiten gab es zwar auch, sie waren aber die Ausnahme.

Anrede,

heute ist eine Ganztags-Kita die Regel. Mehr Eltern als früher geben ihre Kinder in eine Kita.

Weil sie arbeiten.

Und weil sie wissen, dass es gut ist, wenn ihr Kind früh Kontakt zu anderen Kindern hat.

Gleichzeitig sind aber auch die Ansprüche an die Erzieherinnen und Erzieher gestiegen.

Inklusion, Dokumentationspflichten, Elternarbeit und ein 50 Seiten dicker Orientierungsplan.

Das gehört alles zum Alltag einer Erzieherin.

Und Frau Hamburg hat es gesagt: Jetzt wollen Sie auch noch die frühe Sprachförderung an die Kitas abgeben. Haben Sie mal dran gedacht, was die Erzieherinnen jetzt schon leisten? Wie sollen die das noch schultern?

Anrede,

es hat sich also was geändert in Deutschland und in Niedersachsen. Was sich nicht geändert hat: Die Rahmenbedingungen.

Das Kindertagesstättengesetz ist von 1992. Alt ist nicht immer schlecht, aber dieses Gesetz ist in die Jahre gekommen.

Wir kennen das Problem nicht erst seit gestern.

Im Koalitionsvertrag haben wir 2013 deshalb beschlossen, dass es eine Novelle des Kindertagesstättengesetz geben soll.

Und, meine Damen und Herren, es gibt Vieles, was SPD und Grüne gemeinsam auf den Weg gebracht haben.

Dass wir aber das KitaG nicht hinbekommen haben, ist für mich eines der frustrierendsten Erlebnisse der letzten Jahre.

Das gebe ich offen zu. Da konnten wir Grüne uns nicht durchsetzen.

Anrede,

darum bringen wir heute ein Gesetz zur Novellierung des Kindertagesstättengesetzes auf den Weg.

Wir wollen die dritte Kraft in den Kindertagesstätten schrittweise auch für die Betreuung der 3-6Jährigen einzuführen.

Natürlich wissen wir um den Fachkräftemangel. Es ist nicht verwunderlich, dass es ihn gibt.

Darum wollen wir die 3. Kraft zuerst dort einführen, wo es am meisten brennt: Bei den Gruppen mit 25 Kindern.

Darüber hinaus planen wir die Verfügungszeiten zu erhöhen: Bislang stehen den Fachkräften in einer Gruppe lediglich 7,5 Stunden zur Vor- und Nachbereitung, Ausbildung und für Elterngespräche zur Verfügung. Wir wollen wir diese Zeit auf 10 Stunden pro Gruppe erhöhen.

Schließlich wollen wir eine Landeselternvertretung einführen, um endlich auch den Interessen der Eltern auf Landesebene eine Stimme zu geben.

Mit diesen Maßnahmen werden wir bereits für eine erhebliche Steigerung der Qualität an unseren Kindertagesstätten beitragen und die Erzieherinnen und Erzieher deutlich entlasten.

Anrede,

nun können Sie einwenden: Wie wollen Sie das bezahlen? Darauf haben wir eine klare Antwort.

Sie geben gerade Geld aus, um die Gebührenfreiheit für Kitas umzusetzen.

Zwar geben Sie nicht genug dafür aus. Die Kommunen befürchten schon jetzt, auf den Kosten sitzen zu bleiben.

Aber die 250 Millionen Euro, die Sie veranschlagt haben, sollten vielleicht erstmal in die Qualität unserer Kindertagesstätten stecken.

Anrede,

verstehen Sie mich nicht falsch. Ich finde es sinnvoll, die Eltern zu entlasten.

Aber sollte das nicht der zweite Schritt sein?

Was bringen kostenlose Kitas, wenn wegen der erhöhten Nachfrage die Plätze knapp werden?

Was bringen kostenlose Kitas, in denen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nur Zeit haben, den Kindern die Schuhe zuzubinden und das Essen fertig zu machen?

Das passt nicht, meine Damen und Herren! Die Kinder brauchen mehr!

Anrede,

darum verstehe ich die Haltung der SPD auch überhaupt nicht. Heute sind Vertreterinnen und Vertreter der Volksinitiative für bessere Kitas hier. Herzlich willkommen.

100.000 Unterschriften haben diese Leute damals gesammelt. Darunter war auch Frauke Heiligenstadt – als eine der Erstunterzeichnerinnen!

Wo sind die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten geblieben mit ihrem Gespür dafür, wo es brennt, und wo man zuerst löschen muss?

Sie sind doch vor Ort unterwegs. Was wird Ihnen denn eigentlich erzählt?

Anrede,

Sie haben die Wahl, wofür Sie 250 Millionen Euro ausgeben.

Für eine halbgare Beitragsbefreiung, die nicht zu Ende gedacht ist?

Oder für eine weitere Verbesserung der Kitas?

Ich weiß, was ich zuerst machen würde.

Vielen Dank.

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