Rede Anja Piel: Aktuelle Stunde (SPD) zur doppelten Staatsangehörigkeit

- Es gilt das gesprochene Wort -

Anrede,

Als Politikerinnen und Politiker benutzen wir gern Metaphern. Beim Thema der heutigen Aktuellen Stunde dominieren die Bezüge zu Leibesübungen. Zur Rolle rückwärts, die im Titel der Aktuellen Stunde erwähnt ist, komme ich gleich. Beginnen möchte ich aber mit dem Doppelpass. Das, was wir beim CDU-Parteitag erlebt haben, ist ein Musterbeispiel des Passspiels.

Als erstes frage ich mich: Auf welches Tor wird eigentlich gespielt?

Auf das der betroffenen Menschen, die wegen nichts und wieder nichts zu einer Entscheidung gezwungen werden sollen?

Weil die CDU – mit knapper Mehrheit zwar, aber eben doch – für die Betroffenen entschieden hat: zwei Pässe sind ein Loyalitätskonflikt.

Ehrlich gesagt, ich glaube, auf das Tor wird gar nicht gespielt. Und wenn, dann eher so nebenbei. Hier geht es mal wieder um Symbolpolitik: Die kleine Gruppe der Betroffenen wird nur angespielt, damit die CDU ihrer eigenen Vorsitzenden und Kanzlerin eins auswischen kann. Und auch dem Koalitionspartner, der SPD, mit der man sich eigentlich schon geeinigt hatte.

Und das, meine Damen und Herren, ist nicht nur ein Eigentor. Es ist auch schäbig.

Dabei geht es mir nicht so sehr um die Kanzlerin und auch nicht um den Frieden in der großen Koalition. Sie setzen mit Ihrem Richtungsstreit nicht bloß das Vertrauen derjenigen auf’s Spiel, die sich nach Meinung der CDU entscheiden müssen.

Sie verunsichern auch alle übrigen Menschen im Land, denen Sie weißmachen wollen, dass sich mit der doppelten Staatsangehörigkeit gerade ein wahnsinnig relevantes Problem auftut! Das ist es nämlich nicht!

Kommen wir zur zweiten Frage: Wer spielt hier eigentlich mit wem im Doppelpass?

Ich sage Ihnen was: Es ist die rechte Sturmspitze der AfD, die Jens Spahn die Steilvorlage auf Merkels Tor gegeben hat. Die CDU ist doch inzwischen getrieben.

Als Volkspartei läuft sie mittlerweile denjenigen hinterher, die mit Ressentiments Stimmen fangen.

In der CDU glauben offenbar viele, dass sie sich den Ball nur oft genug mit den Populisten hin- und herspielen müssen, damit – Ja, wofür eigentlich? Weil sie annehmen, dass am Ende der AfD die Luft ausgeht? Oder vielleicht doch der Kanzlerin?

Sehr geehrte Damen und Herren von der CDU,

ich nehme Ihnen nicht ab, dass es Ihnen um die Doppelte Staatsbürgerschaft geht.

Sie haben einfach Angst vor den nächsten Wahlen. Sie haben Angst vor den unzufriedenen Mitgliedern in der eigenen Partei. Und einer knappen Mehrheit unter Ihnen fehlt der Mut, sich auf eine Gesellschaft einzulassen, die sich bereits gewandelt hat.

Dass Merkel nun die Beschlüsse des eigenen Parteitags nicht umsetzen will, begrüße ich inhaltlich ausdrücklich. Über die innere Verfasstheit ihrer eigenen Partei sagt das allerdings nichts Gutes.

Angela Merkel hat außerhalb ihrer eigenen Partei inzwischen mehr Fans als in der CDU.

Statt gemeinsam mit ihr den Weg in eine offene Gesellschaft mit Toleranz und Integration beherzt anzutreten, verspielen Sie als Christdemokraten ihre Chance. Sie überlassen nicht nur die Menschen ihrer Angst vor den scheinbar Fremden, sie schüren diese Ängste auch noch.

Bemerkenswert finde ich dazu auch die Aussagen Ihres designierten Spitzenkandidaten Herrn Althusmann: Der Beschluss sei zwar ein Thema für Koalitionsverhandlungen in der Zukunft. Er eignet sich aber nicht für den Wahlkampf. Kündigt hier bereits jemand an, sich im Wahlkampf um schwierige Fragen zu drücken, nur um dann womöglich nach einem Wahlsieg unliebsame Themen schnell abzuarbeiten? Will Herr Althusmann die doppelte Staatsbürgerschaft, oder will er sie nicht? Von einem Spitzenkandidaten erwarte ich klare Positionen!

Ein bisschen so verhält es sich ja auch mit Ihrer Sympathie für Verträge mit den muslimischen Verbänden. Sie, Herr Thümler, sagen doch selbst, dass solche Verträge wichtig sind. Sie blockieren sie jetzt doch offensichtlich nur, um vorübergehend Härte zu demonstrieren. Oder in der Hoffnung, dass Sie diesen Vertrag 2018 nach der Wahl in eigener Regie abschließen können. Was es auch nicht besser macht. Denn: Sie machen ihre Spielchen zu Lasten der Betroffenen. Wären Sie einfach reaktionär, wäre das schon schlimm genug. Wir könnten uns damit aber auseinandersetzen. Sie verfolgen aber nur ein machtpolitisches Kalkül.

Ob es aufgeht, ist die eine Frage. Ob es redlich ist, ist keine Frage. Es ist zynisch.

Noch mal zur Rolle rückwärts. Von der würde ich Ihnen aus den verschiedensten Gründen abraten.

Der Wichtigste darunter: Sie lassen damit alle diejenigen im Regen stehen, die sich längst für eine offene Gesellschaft entschieden haben. Diejenigen, die Solidarität für ein Land und die Selbstverpflichtung zur Verteidigung seiner Werte und seiner Demokratie eben nicht daran messen, ob ein Mensch einen oder zwei Pässe besitzt.

Und sie lassen die zurück, die in sich verändernden Zeiten auf eine verlässliche Politik für mehr Menschlichkeit setzen. Ob das klug ist? Das zu entscheiden überlasse ich Ihnen.

Vielen Dank.

Zurück zum Pressearchiv