Rede Anja Piel: Aktuelle Stunde (SPD) zum Aktionsbündnis "Niedersachsen packt an"

- Es gilt das gesprochene Wort -

Anrede,

in der Flüchtlingspolitik reden wir immer vor allem darüber, wie wir die Unterbringung und Versorgung der Menschen sichern können, die zu uns kommen. Das ist wichtig, denn man muss mit den drängendsten Fragen anfangen.

Aber es reicht nicht aus: Hunderttausende Menschen aus allen Teilen der Welt bei uns unterzubringen ist nichts, was eine Gesellschaft rein administrativ regeln kann. Es geht eben nicht nur um die technische Umsetzung von Unterbringung und Versorgung und es geht auch nicht nur um die Anwendung des Rechtsstaates.

All die unzähligen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer haben bereits eine Vorstellung davon: Es sind Menschen, die zu uns kommen.

Frauen, Männer, Kinder und Jugendliche mit eigenen Vorstellungen davon, wie sie leben wollen; 
Menschen, die hier in Niedersachsen auf uns unbekannte Probleme treffen;
Menschen, die lernen, die zur Schule, zur Uni gehen oder arbeiten wollen;
Menschen, die sich einbringen wollen;
Menschen, die sich in unserer Gesellschaft, mit uns zu Recht finden wollen.

Anrede,

es sind sehr verschiedene Menschen, die bei uns ankommen. Nicht alle reagieren gleich auf neue Mitbürgerinnen und Mitbürger. Ja, klar, es gibt Sorgen, Ängste und Vorbehalte. Sumte hier in Niedersachsen ist ein gutes Beispiel dafür, wie solche Vorbehalte entstehen – aber auch aufgelöst werden können.

Es zeigt sich: Viele Menschen, mit denen wir zu tun haben, freuen sich auf eine bunte, vielfältige Gesellschaft und wollen sie aktiv mitgestalten. Wie können wir sie dabei unterstützen?

Anrede,

Unternehmerinnen und Unternehmer, Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter, Menschen, die in Kirchen organisiert sind – sie haben verstanden, dass es zusätzlich zu allem Management eine gesellschaftliche Auseinandersetzung geben muss. Dass wir miteinander reden müssen, um gemeinsam ein sich veränderndes Niedersachsen so gestalten zu können, dass es für alle funktioniert.

Darum genau  geht es beim Aktionsbündnis „Niedersachsen packt an“, das die Unternehmerverbände, der DGB, das Bistum Hildesheim und die evangelisch-lutherische Landeskirche Hannover gemeinsam mit dem Land Niedersachsen ins Leben gerufen haben.

Anrede,

Niedersachsen packt an – das klingt irgendwie nach hochgekrempelten Ärmeln. Die braucht es auch: Wir erleben derzeit ein Maß an zivilgesellschaftlichem Engagement quer durch Niedersachsen, das mich, das uns alle, tief beeindruckt. Mit der Energie, die die vielen Ehrenamtlichen an den Tag legen, wollen und müssen wir gemeinsam in die gesellschaftliche Gestaltung des Zusammenlebens gehen. Nicht alles wird einfach sein, aber einfach kann schließlich auch jeder, oder? Wir aber wollen lernen, wir wollen einander kennen lernen.

Anrede,

Teil des Aktionsbündnisses werden sogenannte Integrationskonferenzen sein. Eine Frage, um die es dort gehen soll, wird in politischen Reden derzeit sehr oft gestellt: Was sind die Grundwerte des Zusammenlebens hier in Niedersachsen?

Was heißt das für uns, was heißt das für die „anderen“? Gibt es wirklich eine Leitkultur, der sich die Zugewanderten anpassen müssen? Selbstverständlich brauchen wir eine Rechtsstaatlichkeit, aber vor allem brauchen wir eine Einigkeit in Vielfalt, etwas, von dem wir zu Beginn der Flüchtlingsbewegungen dieses Jahres weit entfernt waren, das sich in der Zwischenzeit aber entwickelt hat. Wir brauchen mehr Vertrauen in solche Dynamik!

Wer die aktuelle Ausgabe des SPIEGEL gelesen hat, wird feststellen, dass Deutschland unabhängig von der Zuwanderung eines derzeit besonders dringend braucht: Dass wir einander zuhören. Dass wir einander nicht jeweils die schlimmsten Absichten unterstellen, sondern uns in den Unterschieden respektieren, die es immer und überall gibt, schon zwischen Niedersachsen und Bayern. Dass wir fair miteinander statt ängstlich übereinander reden. Und einander etwas zutrauen.

Anrede,

Niedersachsen packt an – das kann man als Ergänzung zu Angela Merkels „Wir schaffen das“ sehen. Und geht es nicht eigentlich um viel mehr, als um Flüchtlinge und ihren Platz in unserer Gesellschaft? Möglicherweise ist dieses Aktionsbündnis eine gute Gelegenheit, das gesellschaftliche Miteinander insgesamt zu stärken. Vielleicht verstehen wir nicht nur die neuen Nachbarn, sondern uns selbst am Ende besser.

Ich wünsche mir eine Gesellschaft, die sich mutig auf Neues einlässt, die Auseinandersetzung sucht – nicht, um in einem Spiegel die eigene Nase zu betrachten und um Einheitlichkeit zu schaffen, sondern um in der Vielfalt Gemeinsames zu finden. So stelle ich es mir vor, wenn Niedersachsen anpackt. Und ehrlich, eigentlich ist das schon seit Monaten in Gange. Dieses Bündnis bündelt die Kräfte, die wir brauchen, um weiter zu machen.

Vielen Dank

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