Rede Andreas Meihsies: : Leukämiefälle in der Elbmarsch müssen geklärt werden – Bürgerinnen und Bürger in Elbmarsch nicht allein lassen

Anrede,

Seit 1990 sind in der Elbmarsch 16 Kinder an Leukämie erkrankt, vier von ihnen sind bisher am Blutkrebs gestorben.

 Das Leukämiecluster Elbmarsch stellt die welthöchste regionale Leukämierate bei Kindern dar. Nirgendwo auf der Welt gibt es eine solche Häufung von Leukämie-Erkrankungen wie dort an der Elbe.

Die Ursache ist aber bis heute unbekannt.

 Jahrelang forschten Wissenschaftler im Auftrag unserer Landesregierung und der Schleswig-Holsteins nach den Gründen für die unheimliche Leukämie-Serie – bis heute ohne eindeutiges Ergebnis und mit einem falschen Ziel..

 Als möglichen Verursacher der Erkrankungen hatten Anwohner und einige Wissenschaftler zunächst das AKW Krümmel  im Verdacht. 1984 ging der Reaktor ans Netz, fünf Jahre später wurden die ersten Leukämiefälle bekannt. Vier bis acht Jahre beträgt bei Leukämie die Zeitspanne zwischen Einleitung und Ausbruch der Erkrankung.

 Ein Indiz, kein Beweis, wie auch wir Grüne selbstverständlich einräumen.

 Auch die immer wieder geäußerten Vermutungen, im Reaktor sei es zu einem größeren Unfall gekommen, lassen sich ebenso wenig beweisen wie die Behauptung, die Betriebsmannschaft des Kraftwerks habe im Schatten der Tschernobyl-Katastrophe große Mengen radioaktiver Gase einfach in die Luft geblasen.

Doch sicher ist eines:

 Immer wieder wurden in der Umgebung des AKW Spuren radioaktiver Substanzen gefunden. Mal in einem Trinkwasserbrunnen oder in Regenwassermessstellen, mal auf Hausböden und mal in Baumwurzeln.

 Über zehn Jahre haben Wissenschaftler, Politiker und Juristen über die Ursachen dieser weltweit einmaligen Häufung von Leukämie bei Kindern gestritten.

Ohne Ergebnis, ohne Erklärung, ohne, dass alles geprüft worden ist. Die niedersächsische Expertenkommission hat Ende 2004 ihren Abschlußbericht vorgelegt, der nur von zwei Mitgliedern unterzeichnet wurde. Den anderen 16 Mitgliedern wurde keine Gelegenheit zur Kommentierung gegeben, ein sehr ungewöhnlicher Vorgang.

 Mit dem Rücktritt von sechs der acht Mitglieder der Expertenkommission, die im Auftrage der schleswig-holsteinischen Landesregierung den Ursachen des Leukämie-Clusters in der Umgebung der Atomanlage nachging, hat dieser Streit auch dort einen wenig erfreulichen Abschluss gefunden.

 Für den damaligen Kommissionsvorsitzenden, den Kieler Toxikologen Prof. Otmar Wassermann, versuchen die zuständigen Landesbehörden, eine unzulässige radioaktive Kontamination der Umgebung des Atomkraftwerks Krümmel und des Kernforschungszentrums Geesthacht (GKSS) zu verschleiern.

 So habe es laut Prof. Wassermann bereits während der Arbeit der Kommission wiederholt Behinderungen gegeben. Weder die Staatsanwaltschaft noch das Landeskriminalamt hätten die Untersuchungen unterstützt. Auch von der Kommission geforderte engmaschige Messungen und Probenentnahmen im betroffenen Gebiet seien von der Landesregierung abgelehnt worden

Die zurückgetretenen Wissenschaftler sind mittlerweile überzeugt, dass nicht das AKW Krümmel, sondern ein mutmaßlicher Unfall im benachbarten GKSS-Forschungszentrum zu den Krebserkrankungen geführt habe.

 2000 und 2001 fanden zwei Wissenschaftler der Arbeitsgemeinschaft Physikalische Analytik und Messtechnik aus Gießen bei Untersuchungen im Auftrage der Bürgerinitiative gegen Leukämie Partikel, die stark Alpha-Strahlen aussandten. Die heißen Teilchen wurden an verschiedenen Stellen gefunden, ihre Radioaktivität überstieg den natürlichen Pegel um mindestens das Zehnfache.

 Für die ZDF-Dokumentation "Tod an der Elbe" und auf Initiative der "Bürgerinitiative Leukämie" und der "Internationalen Ärzten gegen den Atomkrieg" wurden seit 2004 erneut Bodenproben genommen.

 Diese Bodenproben wurden an einer Schule in der Nähe des GKSS-Forschungszentrums und an einem Denkmal in der Gemeinde Elbmarsch genommen und durch die Internationale Sacharow-Universität in Minsk analysiert.

Die Ergebnisse sind bestürzend: Die Gegend weist eine eindeutig erhöhte künstliche Radioaktivität auf, darunter Plutonium und Thorium, die eindeutig weder aus Tschernobyl noch aus dem Fallout der Atombombenversuche stammen können.

Auch in den Proben von Dachstaub nahe gelegner Häuser wurde eine erhöhte Konzentration radioaktiver Stoffe nachgewiesen.

Bereits zuvor waren in dem Gebiet Spuren von Plutonium und Americium im Dachstaub nachgewiesen worden, die nach den Aussagen zahlreicher und anerkannt unabhängiger Experten ebenfalls nicht aus dem Unfall von Tschernobyl stammen.

Im Zusammenhang mit einer am 12. September 1986 im Kernkraftwerk Krümmel gemessenen erhöhten Radioaktivität wird von zahlreichen Wissenschaftlern ein mutmaßlicher Vorfall auf dem Gelände der GKSS gesehen.

Lügen   Vertuschungen  Ungereimtheiten was jetzt von mir vorgetragen wird liest sich wie ein Krimi:

Verschiedene Augenzeugen berichten von einem Brand auf dem Gelände des benachbarten GKSS-Forschungszentrums.

Die örtliche Zeitung meldet für diesen Tag ein Brandereignis, das nicht näher beschrieben wird.

Eine Augenzeugin erinnert sich an eine Flammensäule und kann Uhrzeit und Ort genau und nachvollziehbar einordnen.

Eine weitere Notiz der Tageszeitung berichtet von Personen in Strahlenschutzanzügen, die in dem Bereich tätig waren.

Bei einer Begehung der Örtlichkeit wird eine größere Stelle im Wald gefunden, auf der es keine alten Bäume gibt; es finden sich die verkohlten Stümpfe alter Stämme.

Nach Angaben von Nachbarn verkaufen nach 1986 mehrere Angehörige der GKSS ihre Häuser und Grundstücke in Grünhof und ziehen weg.

Auf Nachfragen zu diesem Feuer erteilen die Behörden nicht zutreffende Auskünfte und stützen sich dabei auf die Aussage des Kreisbrandmeisters. Der allerdings verneint, sich dazu geäußert zu haben.

Im Archiv der Feuerwehr ist - kurze Zeit nach Einrichtung der Untersuchungskommission - ein Feuer ausgebrochen und hat ausgerechnet den Ordner mit den Aufzeichnungen aus dieser Zeit vernichtet.

Verschiedene Stationen der Umgebungsüberwachung verzeichnen auffällige Erhöhungen radioaktiver Werte. Behördliche Erklärungen, wie die Steilkurven auf den Messschreibern zustande gekommen sind, erweisen sich als nicht belastbar. Der Papierstreifen eines Messgeräts ist erkennbar manipuliert; eine andere Station in der Nähe der fraglichen Stelle wurde "aus technischen Gründen" abgebaut.

Die Landesaufsichtsbehörde in Schleswig Holstein erklärte, dass das natürlich vorkommende radioaktive Edelgas Radon, das aus dem Erdboden austritt, sich an diesem Tag durch eine Inversionswetterlage in der Umgebung des Kernkraftwerks in Bodennähe angereichert habe und so den Alarm ausgelöst habe. Allerdings bestätigt dagegen der Deutsche Wetterdienst, dass es an diesen Tagen keine Wetterlage gegeben hat, die eine erhöhte Radonkonzentration rechtfertigen könnte.

Und dennoch, etwas muss passiert sein. Etwas was wir noch nicht wissen, etwas was wir nur vermuten können. Etwas das aber den betroffenen Menschen in der Elbmarsch Angst macht.

Wir können und dürfen nicht weiter zusehen wie Wissenschaftler über Methoden und Theorien streiten. Wir können und dürfen nicht zusehen wie dort immer wieder Kinder an Leukämie erkranken

Rico, das vierte Todesopfer wurde nicht einmal fünf Jahre alt. Die meiste Zeit seines kurzen Lebens war der Junge krank. Chemotherapie, Bestrahlungen und eine Knochenmarkstransplantation konnten ihn nicht retten.

Vor Rico, der im Januar beerdigt wurde, starben Angela mit 9, Sebastian mit 11 und Söhnke mit 21 Jahren.

Es ist die Unsicherheit die das Leben in der Elbmarsch bestimmt, die Ahnung der Menschen, dass hier versucht wird etwas zu vertuschen. Es geht daher auch das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in staatliches Handeln. Es ist unserer aller gemeinsame Aufgabe in diesem Hause dafür zu sorgen das dieses Vertrauen nicht verloren geht. Wir haben eine Fürsorgepflicht gegenüber den Menschen in der Elbmarsch wahrzunehmen.

Die Menschen brauchen Gewissheit über die Ursachen der Leukämie und wollen dass die Ursachen beseitigt werden damit nicht noch mehr Kinder an Leukämie erkranken und sterben müssen.

Die Landesregierung steht jetzt in der Pflicht, alles in ihrer Macht stehende für die Aufklärung und Beseitigung zu tun.

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