Rede A. Meihsies: Gesundheitsvorsorge ernst nehmen ? das Spritzenaustauschprogramm fortsetzen

...

Anrede,
es wird in absehbarer Zeit keine drogenfreie Gesellschaft geben. Und es gibt nach Aussagen zahlreicher Anstaltsleitungen in Niedersachsen keinen drogenfreien Strafvollzug. Aus dieser Erkenntnis und der Tatsache das Gefangene untereinander aktiven Spritzentausch vornehmen und sich daraus einen hohes Risiko der gegenseitigen Infektion ergibt, ist das Spritzentauschprogramm entwickelt worden.
Immerhin 83% der befragten abhängigen Gefangenen, die im Rahmen des Projektes interviewt wurden, haben zugegeben, Spritzen getauscht zu haben: Eine erschreckend hohe Anzahl von Personen, die trotz der Kontrollen, im Besitz von Drogen ist und diese auch konsumiert. Keine sauberen Spritzen vergeben zu können, bedeutet jetzt für die Gefangenen, höheren Gefahren ausgesetzt zu sein.
Frau Ministerin, Sie stellen dieses Projekt ein, obwohl es in Europa 38 Haftanstalten gibt, die Spritzen an Gefangene abgeben, in Spanien zum Beispiel flächendeckend. In Finnland, Österreich und Frankreich werden den Gefangenen Desinfektionsmittel für ihre Spritzen zur Verfügung gestellt. 11 dieser 38 Haftanstalten werden wissenschaftlich begleitet. Und auch nach Linden sind Justizmitarbeiter aus ganz Europa gekommen, um sich Anregungen zu holenfür den eigenen Vollzug. Niedersachsen diente vielen als Vorbild.
Die Weltgesundheitsorganisation hat bereits 1993 in der Richtlinie "HIV-INFEKTION u. AIDS in GEFÄNGNISSEN" empfohlen, dass Präventionsmaßnahmen die außerhalb des Justizvollzuges angeboten werden auch innerhalb des Strafvollzuges ermöglicht werden sollen.
Meine Damen und Herren, Frau Ministerin,
das Spritzentauschprojekt war in der Administration von Anfang an nicht gewollt. Nach meinem Eindruck wurde es sogar massiv behindert. Statt unvoreingenommen durch neutrale Institutionen eine echte Wirksamkeitsstudie durchzuführen, haben Sie eine dubiose Ministeriumserhebung jenseits aller wissenschaftlichen Seriosität angeordnet.
Auf der zu diesem Thema durchgeführten Anhörung der niedersächsischen Aids-Hilfe ist uns Teilnehmern die Unseriösität ihres Handelns nachdrücklich vorgeführt geworden.
Es stehen drei Fragen im Raum:
1. Was ist von einer Sozialministerin zu halten, die in dieser Auseinandersetzung schweigt? Frau von der Leyen, Sie sollten schon aus Gründen des vorbeugenden Gesundheitsschutzes ein elementares Interesse am Fortbestand dieses Projektes entwickeln!
2. Was ist von einer Justizministerin zu halten die ohne Erfolgskontrolle aus rein ideologischen Gründen, anders lässt sich diese Entscheidung nicht bezeichnen, ein Projekt zerstört, das mittlerweile in ganz Europa Nachahmer gefunden hat?
3. Gibt es jetzt eine wissenschaftliche Begleitung über eine Veränderung des Infektionsrisikos, hinsichtlich HIV und Hepatitis? Wenn ja, wann und durch wen, wenn nein warum nicht ? Hierzu erwarten wir klare Aussagen!

Zurück zum Pressearchiv