Nicolas Mülbrecht Breer: Rede zum Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen für psychisch Kranke (GE CDU)

Rede Nicolas Mülbrecht Breer© Plenar TV

TOP 5: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Gesetzes über Hilfen und Schutzmaßnahmen für psychisch Kranke (GE CDU)

- Es gilt das gesprochene Wort -

Die Würde des Menschen ist unantastbar. Um Würde kann man nicht feilschen. Menschen haben Würde. Immer. Ohne Voraussetzung. Unabhängig davon, was sie tun, welche Hautfarbe, Religion, Nationalität oder welches Geschlecht sie haben. Auch wenn sie krank sind. In der Zeit des Nationalsozialismus war das nicht so! Zwischen 1933 und 1945 wurden fast 400.000 psychisch Erkrankte und Menschen mit Behinderung zwangssterilisiert. Und Über 250.000 durch das Hitler-Regime, im sogenannten Euthanasieprogramm, getötet.

Der Anspruch jedes Menschen auf Würde garantiert Artikel 1 unseres Grundgesetzes. Nicht Artikel 5, nicht Artikel 30 und auch nicht Artikel 100. Nein –  ganz bewusst haben die Mütter und Väter unserer Verfassung diesen Artikel als ersten Satz im Grundgesetz so niedergeschrieben und an vorderster Stelle platziert. Die Menschenwürde ist die wichtigste Regel in unserer Verfassung. Niemand darf die Würde eines Menschen verletzen. Selbstverständlich auch nicht unser Staat. Es ist sogar staatliche Aufgabe diese zu schützen. Gleichzeitig kommt es vor, dass eine unmittelbare Anwendung von Zwang zum Schutz der Patient:innen und zum Schutz unserer Bevölkerung angewendet werden muss.

Die Psychisch-Kranken-Gesetze der jeweiligen Bundesländer schaffen die gesetzliche Grundlage für Hilfen bei akuter Fremd- und Eigengefährdung von psychisch erkrankten Menschen. Wie die folgenden Daten zeigen, sind von dieser gesetzlichen Regelung nur ein Bruchteil der Menschen betroffen. Deutschlandweit erfüllen circa 18 Millionen Menschen im Zeitraum eines Jahres die Kriterien einer psychischen Erkrankung. Das sind fast 30 Prozent der Erwachsenen und über 20 Prozent der Kinder und Jugendlichen. Auf unser Parlament würden demnach fast 44 betroffene Abgeordnete entfallen.

Auch wenn nicht jede bzw. jeder von Ihnen betroffen ist, werden sie früher oder später im Familien- oder Freundeskreis auf Hilfesuchende treffen. Psychische Erkrankungen sind nicht direkt sichtbar, wie ein Arm oder Beinbruch. Psychische Erkrankungen sind keine Charakterschwäche, sondern oft eine komplexe Wechselwirkung aus Erbanlagen, belastenden Lebensumständen und chemischen Veränderungen im Gehirn.

Psychische Erkrankungen sind für große Teile unserer Gesellschaft noch immer ein Tabuthema. Betroffene empfinden Scham, aufgrund einer vermeintlichen Schwäche. ABER viele psychische Erkrankungen sind behandelbar und können in vielen Fällen sogar geheilt werden. In unserer Gesellschaft treten am häufigsten Angststörungen, Depressionen und Störungen durch Alkohol- oder Medikamentengebrauch auf. Die aktuellen Daten zeigen, dass die allermeisten Gewalttaten nicht auf eine psychische Erkrankung zurückzuführen und die weit überwiegende Mehrheit der Menschen mit psychischen Erkrankungen nicht gewalttätig sind. Manche Erkrankungen wie Psychosen oder Suchterkrankungen können das Risiko für Gewalt erhöhen – vor allem, wenn Betroffene keine Behandlung erhalten oder beispielsweise Drogen oder Alkohol missbrauchen. Die meisten schweren Gewalttaten werden von Menschen verübt, die vielleicht auffällig, aber nicht im engeren Sinne psychisch krank sind.

Personen, die aufgrund einer psychischen Erkrankung eine Straftat begehen, zum Tatzeitpunkt nicht oder nur vermindert schuldfähig waren und eine weitere Gefährdung zu erwarten ist, können im Maßregelvollzug untergebracht werden. Gegenwärtig sind deutschlandweit etwa 13.000 Plätze belegt. Schwere Gewalttaten aufgrund einer psychiatrischen Diagnose bleiben seltene Ereignisse und eine verlässliche individuelle Vorhersage ist nicht möglich. Weshalb allein aus einer psychiatrischen Diagnose niemals auf die individuelle Gewaltbereitschaft geschlossen werden kann.

Warum braucht es eine Novelle des Niedersächsischen-Psychisch-Kranken-Gesetzes? Wir als Rot-Grüne Koalition wollen dieses Gesetz erneuern, um eine bessere Planung, Koordination und Steuerung der psychiatrischen Versorgung in Niedersachsen zu ermöglichen. Deshalb freue mich, dass die CDU unserem Anliegen gefolgt ist und einen Gesetzesentwurf einbringt. Ich bin mir sicher, dass das Sozialministerium dem zeitnah ebenfalls nachkommen wird, sodass wir beide Entwürfe gemeinsam beraten können.

Lassen Sie uns gemeinsam für ein menschenwürdiges Psychisch-Kranken-Gesetz eintreten, das nicht von Angst getrieben und den Schutz und die Rechte psychisch Erkrankter sicherstellt.

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