Miriam Staudte: Rede zur Sicherung und zum Ausbau einer bäuerlichen Agrarstrukur in Niedersachsen

TOP 9: Entwurf eines Gesetzes zur Sicherung und zum Ausbau einer bäuerlichen Agrarstrukur in Niedersachsen

- Es gilt das gesprochene Wort -

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen!

Die Ergebnisse der Bund-Länder-Konferenz zum Bodenmarkt aus 2015 wurden bis heute von der Landesregierung ignoriert. Obwohl das Land nun allein zuständig ist, hat es sieben Jahre gedauert bis etwas passiert, aber dieses Reförmchen, was Sie heute beschließen wollen, wird die Spekulation mit landwirtschaftlichen Flächen im Agrarbereich und damit das dramatische Höfesterben nicht stoppen. Über 20 % der Haupterwerbsbetriebe haben von 2010 bis 2020 aufgegeben.

Dabei hatte die Groko schon in ihrem Koalitionsvertrag von 2017 formuliert, dass sie eine „Zukunftsfähige Agrarstruktur sichern“ wolle. Konkret haben Sie sich auf die Fahnen geschrieben „zu verhindern, dass Investoren die wirtschaftenden Betriebe bei Kauf und Pacht vom Markt drängen“, dafür sollte es „Maßnahmen zur Sicherung der niedersächsischen Agrarstruktur mit zukunftsfähigen Familienbetrieben“ geben.

Doch vier lange Jahre nach Unterzeichnung des Koalitionsvertrages ist gar nichts passiert.

Erst als wir als Grünen-Fraktion im August 2020 einen Gesetzentwurf eingebracht haben, kam wieder Bewegung ins Thema. Ein gutes Jahr später wurde eine kleine Novellierung des Grundstückverkehrs auf den Weg gebracht, die heute zur Abstimmung vorliegt.

Ohne unseren Gesetzentwurf hätten sie das Thema ganz in der Versenkung verschwinden lassen. 

Die Entwicklung, dass branchenfremde Investoren im Agrarbereich immer weiter auf den Bodenmarkt drängen, ist damit noch nicht einzudämmen.

Es geht ja nicht um die kleinen Grundstücke, die sie jetzt ins Visier genommen haben, sondern um die großen, für Investoren interessanten Landflächen.

Ihr Ansatz in Ihrem Gesetzentwurf ist die Absenkung der Genehmigungsfreigrenze für

-Veräußerung von 1 auf ½ ha, Verpachtung von 2 auf ½ ha (Anzeigepflicht), Grundstücksmindestgröße für siedlungsrechtlichem Vorkaufsrecht von 2 auf ½ ha, Modifizierung Voraussetzung für Erlaubnis Vorkaufsrecht (muss aktuell kein Landwirt da sein, Pool), Weiterveräußerungsauflage.

 

Ex-Bundesagrarministerin Julia Klöckner mahnte zum Thema Bodenmarkt schon letztes Jahr:

Der Bund hat alles zur Verfügung gestellt, was die Länder brauchen. Sie müssen es nur noch in ein Gesetz gießen.“ 

Das ist Ihnen mit diesem kleinen Gesetz eindeutig nicht gelungen.

Es gibt im Gegensatz zu unserem Gesetzentwurf keine Preisbremse; Shared Deals und Verkäufe an Großinvestoren können nicht untersagt werden.

Dabei gibt es ein immensens Höfesterben:

Zwischen 2010 und 2020 haben 6.200 landwirtschaftliche Betriebe in Nds aufgegeben, heute haben wir nur noch 35.500 Höfe. Bei den Haupterwerbsbetrieben ist die Zahl im genannten Zeitraum sogar um 21,4% zurückgegangen. Und einer der Hauptgründe für diese Existenzaufgaben sind die immens angestiegenen Bodenpreise. Die Kaufpreise haben sich nämlich im gleichen Zeitraum mehr als verdoppelt. Allein im Jahr 2019 wurden in Niedersachsen 12.500 Hektar verkauft. Bei einem durchschnittlichen Kaufpreis von ca. 38.400€ sind das fast 240 Millionen, die die landwirtschaftlichen Betriebe mehr auf den Tisch legen mussten als 10 Jahre zuvor. Und das sind Zusatzkosten, die jedes Jahr anfallen!

Was wäre mit einem richtigen Agrarstrukturgesetz möglich:

Wir haben Ihnen einen Gesetzentwurf vorgelegt, der die Grundstücksverkehrsausschüsse bei den Landkreisen und kreisfreien Städten ermächtigt, Verkäufe an branchenfremde Investoren oder an Betriebe, die schon doppelt so viel Fläche wie der Durchschnitt besitzen, zu untersagen bzw. Auflagen zu erteilen. Eine Preisbremse ist vorgesehen, Verkäufe, die mehr als 15% über den Bodenrichtwerten liegen, können untersagt werden. Zunächst sollen aufstockungsbedürftige Betriebe zum Zuge kommen und nicht diejenigen, die eh schon am größten sind. So genannte Share Deals, mit denen Grundstücksverkäufe verschleiert werden, sollen vom Ministerium untersagt werden können.

Wenn die zunehmende Konzentration der Agrarflächen nicht gestoppt wird, werden wir in weniger als 2 Generationen keine selbstständigen Bauern und Bäuerinnen mehr haben, sondern nur noch Angestellte von riesigen Agrarholdings. Dann sind wir mit der Agrarstruktur ungefähr da, wo wir unter der Feudalherrschaft aufgehört haben.

Inzwischen ist es so, dass ein landwirtschaftlicher Arbeitsplatz mehr Investitionen voraussetzt als ein Arbeitsplatz in der Industrie. Über 600.000€ müssen investiert werden für einen Arbeitsplatz in der Landwirtschaft. Diese Aufwärtsspirale muss ein Ende haben. Kinder vom Bauernhof übernehmen die Betriebe nicht mehr automatisch, und junge Leute, die eine tolle landwirtschaftliche Ausbildung haben, aber keinen Hof erben, können nicht einsteigen, weil sie nicht die Millionen locker machen können, um sich einzukaufen. 

Einen kleinen Eindruck von der Haltung des Ministeriums haben wir in einer Anhörung im Agrarausschuss zum Thema Höfesterben bekommen:

Eine „gesunde Agrarstruktur“ besteht bei der CDU immer noch aus wenigen, möglichst großen Betrieben. Sie verfahren immer noch nach dem Prinzip „Wachse oder weiche“, der Unterschied zu früher ist, dass Sie das nur noch verklausuliert sagen.

Die Arbeitsgemeinschaft Bäuerliche Landwirtschaft hat den Hashtag #JederHofZählt eingeführt. Diesem Motto fühlt sich die Landesregierung nicht verpflichtet.

Bewirtschaftung des eigenen Bodens befördert das Interesse an einer fachlich guten, auf Erhalt und Verbesserung der Bodenqualität ausgerichteten Bewirtschaftungsweise. Nachhaltigkeit hat bei Eigentum eine höhere Relevanz als bei überteuerten Pachtverhältnissen.

Und deswegen brauchen wir eine Reform im Bodenmarkt, die diesen Namen auch verdient.

Dieses Thema liegt auf Wiedervorlage.

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