Miriam Staudte: Rede zum Gesetz zur Sicherung und zum Ausbau einer bäuerlichen Agrarstruktur

- Es gilt das gesprochene Wort -

Rede TOP 5: Entwurf eines Gesetzes zur Sicherung und zum Ausbau einer bäuerlichen Agrarstruktur in Niedersachsen

Sehr geehrte Frau Präsidentin,

liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich will mal mit einem Zitat von Bundesagrarministerin Julia Klöckner zum Thema Bodenmarkt anfangen:

 „Der Bund hat alles zur Verfügung gestellt, was die Länder brauchen. Sie müssen es nur noch in ein Gesetz gießen.“ 

Das sagte sie vor nur drei Monaten am Rande der Agrarministerkonferenz.

Und im Januar dieses Jahres sagte sie bei der Vorstellung einer Studie des Thünen-Instituts über Einflüsse von Investoren auf die Landwirtschaft:

„Setzen Sie die Ergebnisse der Bund-Länder-Konferenz zum Bodenmarkt aus 2015 endlich um! Ich habe kein Verständnis für‘s Nicht-Handeln mehr.“

Und so geht es uns Grünen auch: Wir haben kein Verständnis für das Nicht-Handeln von SPD und CDU bei diesem wichtigen Schutz vor existenzbedrohenden Bodenspekulationen.  In Ihrem Koalitionsvertrag von 2017 schreiben Sie doch selbst:

Unter dem Punkt 2. Zukunftsfähige Agrarstruktur sichern heißt es:

Steigende Bodenpreise und die Sorge, außerhalb der Landwirtschaft stehende Konzerne oder Kapitalanleger könnten sich in den Bodenmarkt einkaufen, veranlassen uns, das Grundstücksverkehrsrecht zu überarbeiten. Um zu verhindern, dass Investoren die wirtschaftenden Betriebe bei Kauf und Pacht vom Markt drängen, leiten wir Maßnahmen zur Sicherung der niedersächsischen Agrarstruktur mit zukunftsfähigen Familienbetrieben ab.

Die Grundstücksverkehrsausschüsse sind personell und praxisnah aufzustellen und in ihren Kompetenzen und Eingriffsmöglichkeiten zu stärken.

Ja, worauf warten Sie denn noch mit dem Einleiten von Maßnahmen?

Wir müssen in Niedersachsen ein immensens Höfesterben erleben:

Zwischen 2010 und 2020 haben 6200 landwirtschaftliche Betriebe in Nds aufgegeben, heute haben wir nur noch 35.500 Höfe. Bei den Haupterwerbsbetrieben ist die Zahl im gleichen Zeitraum sogar um 21,4% zurückgegangen.  Und einer der Hauptgründe für diese Existenzaufgaben sind die immens angestiegenen Bodenpreise. Die Kaufpreise haben sich nämlich im gleichen Zeitraum mehr als verdoppelt. Allein im Jahr 2019 wurden in Niedersachsen 12.500 Hektar verkauft. Bei einem durchschnittlichen Kaufpreis von ca. 38.400 € wären das fast 240 Millionen, die die landwirtschaftlichen Betriebe mehr auf den Tisch legen mussten als 10 Jahre zuvor. Und das sind Zusatzkosten, die jedes Jahr anfallen! Dieses Geld fehlt den Betrieben, das treibt sie in den Ruin. Und deswegen ist statt Aktueller Stunden im Landtag zum Höfesterben wie die FDP und CDU sie gern beantragen, Handeln gefragt!

Was ist mit einem Agrarstrukturgesetz möglich:

Wir haben Ihnen einen Gesetzentwurf vorgelegt, der die Grundstücksverkehrsausschüsse bei den Landkreisen und kreisfreien Städten ermächtigt, Verkäufe an branchenfremde Investoren oder an Betriebe, die schon doppelt so viel Fläche wie der Durchschnitt besitzen, zu untersagen bzw. Auflagen zu erteilen. Eine Preisbremse ist vorgesehen, die Verkäufe, die mehr als 15 Prozent über den Bodenrichtwerten liegen, untersagt. Zunächst sollen aufstockungsbedürftige Betriebe zum Zuge kommen und nicht diejenigen, die eh schon am größten sind. So genannte Share Deals, mit denen Grundstücksverkäufe verschleiert werden, sollen vom Ministerium untersagt werden können.

Wenn die zunehmende Konzentration der Agrarflächen nicht gestoppt wird, werden wir in weniger als 2 Generationen keine selbstständigen Bauern und Bäuerinnen mehr haben, sondern nur noch Angestellte von riesigen Agrarholdings. Dann sind wir mit der Agrarstruktur ungefähr da, wo wir unter der Feudalherrschaft aufgehört haben.

Inzwischen ist es so, dass ein landwirtschaftlicher Arbeitsplatz mehr Investitionen voraussetzt als ein Arbeitsplatz in der Industrie. Über 500.000 € müssen investiert werden für einen Arbeitsplatz in der Landwirtschaft. Diese Aufwärtsspirale muss ein Ende haben. Kinder vom Bauernhof übernehmen die Betriebe nicht mehr automatisch, und junge Leute, die eine tolle landwirtschaftliche Ausbildung haben, aber keinen Hof erben, können nicht einsteigen, weil sie nicht die Millionen locker, um sich einzukaufen. 

Wir Grünen fragen uns: Waren das nur schöne Worte in Ihrem Koalitionsvertrag, damit sie Tatkraft vermitteln können? Oder wer blockiert bei Ihnen in der Koalition diese notwendigen Schritte? Sie, Frau Ministerin Otte-Kinast haben doch den Auftrag, den Koalitionsvertrag für Ihren Bereich umzusetzen oder fühlen Sie sich nur denen verpflichtet, die Sie ins Amt gebracht haben? Und die SPD müsste ja eigentlich Druck machen, dass der Koalitionsvertrag eingehalten wird. Aber auch da hört man nichts.

Einen kleinen Eindruck von der Haltung des Ministeriums haben wir in einer Anhörung im Agrarausschuss zum Thema Höfesterben bekommen:

Eine „gesunde Agrarstruktur“ besteht bei der CDU immer noch aus wenigen, möglichst großen Betrieben. Sie verfahren immer noch nach dem Prinzip „Wachse oder weiche“, der Unterschied zu früher ist, dass Sie das nur noch verklausuliert sagen.

Die Arbeitsgemeinschaft Bäuerliche Landwirtschaft hatte gerade eine Aktionswoche mit dem Hashtag #JederHofZählt. Hören Sie endlich auf die richtigen Agrarfunktionäre, die das Höfesterben nicht als bedauerliche aber sinnvolle Marktbereinigung hinnehmen. 

 

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