Miriam Staudte: Rede zu Bauernprotesten (Aktuelle Stunde GRÜNE)

- Es gilt das gesprochene Wort -

Anrede,

allerorten erleben wir Bauernproteste vor den Verteilzentren des Lebensmitteleinzelhandels, vor Molkereien und vor Schlachthöfen. Der Bund der Milchbauern, die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) und Land schafft Verbindung ziehen an einem Strang und schlagen Alarm gegen ruinöse Erzeugerpreise. Heute Morgen haben uns die Landesvorsitzenden der AbL und des BdM persönlich vor dem Landtag begrüßt und sie demonstrieren auch hier zu Recht:

Denn die Politik ist gefragt, endlich die Rahmenbedingungen für faire Preise zu schaffen. Marktwirtschaft beim Preis funktioniert doch nur, wenn nicht einer durch seine marktbeherrschende Stellung am längeren Hebel sitzt.

Obwohl der Lebensmitteleinzelhandel enorme Umsatzgewinne in der Corona-Zeit zu verbuchen hat, ist die Preisschlacht augenfälliger denn je. Es geht um die Marktkonzentration, die in den letzten Jahren im Lebensmittelhandel stattgefunden hat. Oligopolistische Strukturen sind entstanden. Vier Große Schwarzgruppe aus Lidl und Kaufland, Aldi, Rewe und Edeka teilen sich 80% des Markts. Das Bundeskartellamt hätte schon viel früher eingreifen müssen. Und die Konzentration geht weiter: Kaufland will einen Großteil der Real-Märkte aufkaufen. Preisabsprachen zu ungunsten der Lieferanten oder Kunden sind natürlich verboten, aber je weniger Bewerber es gibt, umso leichter sind sie natürlich möglich. Auffällig ist, dass die Vergleichs-Warenkörbe fast auf bis auf den Cent identisch sind.

Aber auch die verarbeitenden Betriebe zeigen oft diese Strukturen: Bei Molkereien ist der Milchviehbetrieb ja quasi mit einem Monopol konfrontiert, wenn nämlich nur eine Molkerei überhaupt bereit ist, die Milch in einem bestimmten Gebiet abzuholen. Das Bundeskartellamt hat schon lange darauf hingewiesen, dass ein gesunder Wettbewerb mit diesen Strukturen im Milchmarkt nicht mehr möglich ist. Milchbauern ziehen in Preisverhandlungen immer den Kürzeren gegenüber den Molkereien.

Marktwirtschaft funktioniert nur, wenn Wettbewerb möglich ist. Diesen Wettbewerb muss die Politik ermöglichen.

Die Ursachen für niedrige Erzeugerpreise sind aber vielfältiger.

Es existiert eine Überproduktion, das Verhältnis von Angebot Nachfrage funktioniert nicht mehr, ein Symptom ist die Verschwendung von Lebensmitteln. Was kann man dagegen tun? Überkapazitäten müssen geordnet abgebaut werden, anstatt Berge von Milchpulver einzulagern.

Wir fordern schon lange die Milchbeobachtungsstelle der EU zu einem echten Interventionsinstrument auszubauen. Es geht nämlich immer nur gemeinsam: Es macht keinen Sinn, dass der eine Landwirt um 5% reduziert und der andere Kapazitäten aufbaut. Auch die drastischen Überkapazitäten im Schweinemarkt Überkapazitäten müssen dringend und geordnet zurückgefahren werden.

Eine weitere Ursache sind die EU-Subventionen, die die Abwärtsspirale und die Entkopplung von Herstellungspreis und Verkaufspreis möglich gemacht haben. Es geht nicht darum von heute auf morgen die Direktzahlungen zu stoppen, aber es braucht einen Ausstiegsplan, die Landwirtinnen und Landwirte wollen lieber einen gewinnbringenden Preis statt Staatshilfe.

Es ist in der Landwirtschaft möglich sehr lange auf Abrieb zu arbeiten. Körperlich und psychisch, indem man einfach immer länger arbeitet und Familienmitglieder unbezahlt mitarbeiten. Das betrifft aber auch die Betriebsmittel. Eine notwendige Dachsanierung zum Beispiel kann noch viele Jahre aufgeschoben werden und wird so immer unwirtschaftlicher. Das Ausbluten der Betriebe ist also eingepreist.

Doch wie bekommen wir nun faire Preise?

Langfristig nur, indem wir die angesprochenen Ursachen angehen. Das setzt ein Umdenken voraus.

Wir brauchen aber auch kurzfristige Maßnahmen:

Der Vorschlag AbL lautet zum Beispiel: Preisaufschläge des Handels an Verarbeiter weiterreichen, die diese wiederum an die Erzeuger weitergeben.

Auch die Tierwohl-Abgabe muss so schnell wie möglich im kommenden Jahr umgesetzt werden.

Billigpreiswerbung und Rabattschlachten für tierische Produkte müssen verboten werden.

Wir Grünen halten auch einen Mindestpreis für Fleisch für sinnvoll.

Die unlauteren Handelspraktiken der vier großen Lebensmittelhändler müssen verboten werden: Der Gesetzentwurf der Bundeslandwirtschaftsministerin Klöckner geht in die richtige Richtung:

Kurzfristige Stornierungen, der Rückversand nicht verkaufter Ware, verspätete Zahlungen, Androhung von Vergeltungsmaßnahmen trotz gesetzestreuen Verhaltens des Lieferanten sind unlautere Methoden.

Der Mangel des Gesetzentwurfs: es geht nur um das Verhältnis zwischen Lieferanten und Lebensmitteleinzelhandel, nicht um das zwischen Lieferanten und verarbeitendes Gewerbe.

Frau Klöckner wollte sich mit Ernährungswirtschaft nicht anlegen.

Es finden sich keine ausreichenden Sanktionen und das Kartellamt muss für die Durchsetzung zuständig sein, nicht Landwirtschaftsministerium. Dieser Gesetzentwurf muss verschärft werden.

Die Politik muss sich aktiv steuernd einbringen. Moderationsrunden, in den man darauf wartet, dass sich alle am Tisch einigen, funktionieren nicht.

Vielen Dank.

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