Michael Lühmann: Rede zur Akt. Stunde (SPD) "Umsturzfantasien, Gewalt und Hass auf unsere Demokratie: entschlossenes Vorgehen gegen Reichsbürger und Verschwörungsideologen – politische Netzwerke entlarven"

TOP 10 b: Umsturzfantasien, Gewalt und Hass auf unsere Demokratie: entschlossenes Vorgehen gegen Reichsbürger und Verschwörungsideologen – politische Netzwerke entlarven (Akt. St. SPD)

- Es gilt das gesprochene Wort -

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehrt geehrte Damen und Herren,

wir müssen – leider nicht neu in der Geschichte der Bundesrepublik – über Rechtsterrorismus reden. Und nicht über schrullige Alte, die einer wirren Ideologie folgen. Der Blick in die deutsche Geschichte negiert jede Verharmlosung. Oder der auf den Rechtsterroristen Anders Breivik, der sich ernsthaft in der Nachfolge von Tempelrittern sah. Es bedarf keiner konsistenten Logik, um aus ideologischem Hass zu töten.

Worum muss es also gehen, in Anschluss an das bereits Vorgetragene? Nun, zunächst darum, dass wir vollkommen klar haben, dass wir hier über eine Zäsur sprechen. Eine Zäsur, was die Bedrohungslage von Demokratie angeht, mithin auch um eine Zäsur, wie wir Demokratie wehrhaft verteidigen.

Denn dass die festgesetzte Terrorgruppe Demokratie angreifen wollte - und allein durch die Pläne de facto angegriffen hat - daran kann und darf nicht der leiseste Zweifel bestehen. Und da reicht der Verweis, man habe keine Reichsbürger in der Fraktion wahrlich nicht aus, werte AfD. Denn das alles hat ja einen langen Vorlauf, Pegida, Chemnitz 2018, Coronaleugung. Es ist auch und vor allem ihre politische Verantwortung.

Nun gibt es verschiedene Wege, auf solche Angriffe zu reagieren. Intuitiv nachvollziehbar ist der sicherheitsbehördliche Blick. Haben wir ausreichend Möglichkeiten in der Hand? Und, haben wir alle Möglichkeiten vollumfassend ausgeschöpft? Stichwort Entziehung von Waffenlizenzen, dienstrechtliche Konsequenzen, Sensibilisierung von Behörden.

Auch die letzten Ecken und Winkel müssen nochmals intensiv ausgeleuchtet werden. Schließlich haben sich rechte Szenen, Zusammenhänge, Netzwerke seit längerer Zeit mit dem Staat verwoben. Dass Reichsbürger:innen und andere rechte Feinde der Demokratie die Verschwörung vom tiefen Staat umdrehen und in Richterämter, Armee, Polizei, LKA und, ja, auch in Parlamente vordringen, das muss uns ernsthaft besorgen.

Und wir müssen akzeptieren, dass kein gesellschaftlicher Ort und keine Institution sicher ist. Und machen wir uns dabei bitte auch klar, dass die extreme Rechte sehr viel Boden gewonnen hat in den vergangenen Jahren. Und der rechte Terror wütet – Halle, Hanau, Walter Lübcke.

Drehen wir ihn also zurück, den rechten Kampf um die Parlamente, um die Straßen, die Köpfe und den organisierten Willen. Und lassen Sie uns dabei diesen entschiedenen Kampf auf ein gemeinsames, wissen-schaftlich abgesichertes Fundament stellen, das da lautet:

Erstens: Die größte Gefahr für die Demokratie geht vom Rechtsextremismus aus. Punkt.

Zweitens: Rechtsextremismus ist kein Phänomen eines Randes. Rechte Einstellungsmuster kommen auch aus und wirken in die sog. Mitte der Gesellschaft. Eine Mitte, die bisweilen zu gleichgültig auf Radikalisierung blickt.

Drittens: Gewalttätigen Rechtsextremismus bekämpft man mit der vollen Härte des Gesetzes. Aber Rechtsextremismus als Ideologie bekämpft man politisch – mit Haltung, mit politischer Bildung, einer starken Erinnerungskultur und einer Sensibilisierung von behördlichem Handeln.

Viertens: Demokratischen Parteien kommt eine unmissverständliche demokratische Wächterfunktion zu. An keiner Stelle darf es zu Kooperationen mit der extremen Rechten kommen und da bin ich zumindest für Niedersachsen sehr zuversichtlich, dass uns das gemeinsam gelingt.

Fünftens: Wir brauchen über die Parteipolitik hinaus das breite Bündnis mit der Zivilgesellschaft, mit allen Antifaschist:innen. Die Betonung liegt auf ‚allen‘ und auf ‚Antifaschist:innen‘. Der Weg hier ist die dauerhafte Förderung von Initiativen gegen rechts, die wir genauso verabredet haben wie die Stärkung der mobilen Beratung.

Und wir brauchen begriffliche Klarheit. Die Prämissen der Extremismustheorie, die sollten wir einer Revision unterziehen. Denn längst reden wir über einen historisch so alten wie zentralen Kitt jenseits vermeintlicher Ränder: Über Antisemitismus. Und auch das lehrt uns die Demokratieforschung: Antisemitismus ist mutmaßlich das stärkste Brückennarrativ, dass am Ende immer in die extreme Rechte führt. Und die damit verbundene gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, Rassismus und rechter Hass, sind die stärksten Triebfedern, Staat und Demokratie anzugreifen und am Ende Menschen zu töten.

Ich komme zu meinem Ausgangspunkt zurück. Meine Damen und Herren, was wir hier diskutieren, ist eine Zäsur. Wenn wir das gemeinsam vereinbaren und dann gemeinsam und ohne Scheuklappen handeln, dann werden wir beweisen, dass Demokratie das ist, als was die Mütter und Väter unseres Grundgesetzes diese gebaut haben. Nämlich wehrhaft. Das schließt im Übrigen auch die Prüfung von Parteienverboten mit ein!

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