Meta Janssen-Kucz: Rede zur Pflegekammer (Aktuelle Stunde FDP)

- Es gilt das gesprochene Wort -

Anrede,

im Februar titelte die FDP ihre Aktuelle Stunde mit: Ministerin Reimann und die "Kammer des Schreckens" und forderte die Auflösung der Pflegekammer.

Heute wird die "olle Kamelle" mit der "Kammer des Schreckens" nochmal aus der Mottenkiste geholt. Diesmal ergänzt um die "Unendliche Geschichte". Scheinbar hat die FDP ihr liberal-soziales politisches Gespür und damit auch eine gewisse Kreativität komplett im Kampf ums politische Überleben verloren.

Aber der erweiterte Titel „Die unendliche Geschichte“ – trifft den Nagel auf den Kopf. Denn unendlich ist offenbar die destruktive Haltung der FDP zur Pflegekammer hier im Landtag. Dazu gelernt hat sie dabei offensichtlich wenig bis nichts. Und wenn Sie konsequent wären, Herr Kollege Birkner, dann würden Sie die Abschaffung aller berufsständischen Kammern fordern, einschließlich der Anwaltskammer, deren Pflichtmitglied sie selbst sind.

Anrede,

es geht bei der Pflegekammer als berufsständische Selbstverwaltung für die Pflegenden nicht um das „ob“, sondern um das „wie“.

Es geht darum, wie die Situation in der Pflege langfristig verbessert werden kann und wie eine berufsständische Pflegekammer aufgebaut sein muss, um einen bestmöglichen Beitrag zur Verbesserung der in der Pflege tätigen und der zu Pflegenden zu leisten!

Anrede,

genau deshalb müssen wir hier und heute über die reale Situation in der Pflege und die der Pflegekräfte sprechen. Am Montag wurde bekannt, dass es in einem Pflegeheim in Celle schwere Misshandlungen gegeben haben soll.

Menschen - Schutzbefohlene - wurden offenbar an ihr Bett fixiert, Toilettengänge sollen verweigert worden sein. Die ganze Nacht über sollen sie fixiert worden sein damit die Inkontinenz-Windeln nicht verrutschen. Bewohner*innen mussten mutmaßlich so stundenlang in immer gleicher Position in ihren Ausscheidungen verharren. Das „grenzt an Folter“, kommentiert der Präsident der Pflegekammer Rheinland-Pfalz treffend. Und das dürfen wir unter keinen Umständen dulden!

Wir alle sind in der Verantwortung, die körperliche und psychische Gesundheit der uns anvertrauten Menschen sicher zu stellen. Der Verantwortung hat sich diese Landesregierung mit ihrer Sozialministerin zu stellen.

Es muss jetzt eine lückenlose Aufklärung geben, aber es darf auch keinen Generalverdacht gegen alle Pflegekräfte geben.

Und es kann nicht angehen, dass der Bock zum Gärtner gemacht wird. Und es darf nicht sein, dass Pflegekräfte, die Missstände und vermeintliche Misshandlungen an die Öffentlichkeit bringen, jetzt diejenigen sind, denen Bestrafungen und im schlimmsten Fall sogar Entlassung drohen.

Wie wollen wir noch Menschen auffordern Zivilcourage zu zeigen, Mut zu beweisen, in dem sie humane und demokratische Werte, wie Menschenwürde, ohne Rücksicht auf eventuelle Folgen in der Öffentlichkeit vertreten, wenn wir Ihnen nicht den Rücken stärken!

Anrede,

die dringend notwendigen strukturellen Veränderungen, die seit vielen Jahren eingefordert werden, müssen endlich umgesetzt werden.

Hauptpunkt sind die vorherrschenden und damit auch krankmachenden Arbeitsbedingungen für die Pflegekräfte. Sie müssen grundlegend verbessert werden, mit einer besseren Entlohnung und einem einmaligen Pflegebonus ist es nicht getan.

Die Covid-19 Pandemie hat gerade in Pflegeeinrichtungen zu verheerenden Bedingungen und teils tragischen Situationen geführt. Bewohner*innen wurden abgeschottet, isoliert und vereinsamen. Da helfen auch kein Telefonat pro Woche und ein Tablet pro Einrichtung - Frau Ministerin.

Die Corona Krise, die damit verbundene zusätzliche Arbeitsbelastung der Pflegenden, die Einschränkung der Heimaufsicht und des Medizinischen Dienstes MDK und die massiven Kontaktbeschränkungen, fehlende soziale Kontakte und Entlastung durch Angehörige machen deutlich, dass gehandelt werden muss, damit Patientensicherheit und Pflegequalität sichergestellt und Pflegekräfte entlastet werden.

Anrede,

Fakt ist und das haben uns die letzten Monate und Wochen gezeigt, wir brauchen nicht nur eine unabhängige selbstverwaltete Pflegekammer, die endlich die Unterstützung bekommt, die sie verdient hat.

Nein, wir brauchen ebenso eine neutrale, unabhängige Beschwerdestelle Pflege in Niedersachsen!

Es braucht eine unabhängige Stelle, an die sich Betroffene, aber auch Kolleg*innen und das Personal vertrauensvoll und anonym hinwenden können.

Was wir nicht brauchen ist eine vermeintlich unabhängige Beschwerdestelle im Moloch des Sozialministeriums.

Anrede,

eine neutrale unabhängige Beschwerdestelle bietet die Chance, die pflegerische Versorgung und perspektivisch die strukturell schlechten Arbeitsbedingungen zu verbessern. Da bietet sich die Pflegekammer mit ihrer fachlichen Expertise direkt an, bevor man weitere neue undurchsichtige Strukturen aufbaut.

Anrede,

seit einer Ewigkeit, fast wie in der unendlichen Geschichte fordern wir hier im Nds. Landtag, in unterschiedlicher Tonalität endlich strukturelle   Verbesserungen in der Pflege. Aber passiert ist bis jetzt wenig bis gar nichts! Es bleibt bei Ankündigungen!

Im Oktober 2019 fand - nachdem Ministerpräsident Stephan Weil auf Druck der Wohlfahrtsverbände - seiner Ministerin endlich Beine gemacht hatte, die "Konzertierte Aktion Pflege in Niedersachsen" statt.  Die Vereinbarungen der Konzertierten Aktion Pflege sind nicht einmal ansatzweise umgesetzt. Und auch die geplante 2. Runde im Juni ist scheinbar erst einmal seitens des Sozialministeriums auf Eis gelegt.

Und auf das Niedersächsische Pflegegesetz wartet nicht nur der Sozialausschuss.

Frau Ministerin Reimann, wo bleibt ihr Engagement für die Pflege?  Corona ist keine Ausrede für's Nichthandeln, sondern sollte ein Antrieb sein.

Schauen Sie nicht weiterhin tatenlos zu, wie in Niedersachsen die ambulante und stationäre Pflege vor die Wand gefahren wird und damit die Qualität in der Pflege, die Pflegekräfte und die zu Pflegenden auf der Strecke bleiben! Handeln Sie!

Vielen Dank.

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