Meta Janssen-Kucz: Rede zur Erdgasförderung in Niedersachsens Küstengewässern

 

TOP 18: Aufhebung des Beschlusses des Landtages vom 13.10.2021 „Zum Schutz des Wattenmeeres: Keine Erdgasförderung in Niedersachsens Küstengewässern“ (Antrag Landesregierung)

- Es gilt das gesprochene Wort -

Anrede,

schwere Zeiten erfordern manchmal schwere Entscheidungen. Das zeigt sich, wenn Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck nach Katar fährt, um über Flüssig- und Erdgaslieferungen zu verhandeln.

Denn es sind große Mengen an Erdgas, die der Kriegstreiber Putin bislang über Pipelines nach Deutschland liefern lässt. Um diese politisch verschuldete Abhängigkeit zu lösen, gilt es Alternativen zu finden. Es gilt, die Energieversorgung der nächsten 2-3 Jahre zu sichern, das ist der Zeitraum, in dem es knirscht und eng wird.

Doch auch in schweren Zeiten gilt es, keine falsche Entscheidungen zu treffen und nicht die vermeintlich rosigen Versprechungen der Förderindustrie eins zu eins nachzuplappern.

Wichtig wäre, dass die Regierenden einen klaren Kopf behalten. Stattdessen simuliert die Große Koalition in Niedersachsen hektische Betriebsamkeit, um darüber hinwegzutäuschen, dass man außer den alten fossilen Plänen nichts in der Hand hat für eine zukunftsfähige Energieversorgung.

Anrede,

Die Aufhebung des Landtagsbeschlusses zum Schutz des Wattenmeeres ist definitiv eine falsche Entscheidung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der Regierungsfraktionen, ich habe den Eindruck, viele von Ihnen wissen das, trauen sich aber nicht den Mund in der GroKo aufzumachen.

Es ist sicher kein Zufall, dass dieser Antrag von der Landesregierung vorgelegt wird – und nicht, wie von der SPD im Wirtschaftsausschuss angekündigt, von den Regierungsfraktionen.

Die geplante Erdgasförderung ist eine Schein-Lösung, die dem Problem nicht abhilft. Die Förderung kann nach optimistischen Annahmen frühestens Ende 2024, eher 2025 starten – da sind wir schon mitten im zweiten Winter nach Kriegsbeginn.

Die Förderung wird dann ganz langsam hochlaufen, bis alle 12 Bohrungen in Betrieb sind. Bis dahin ist der Umbau der LNG Terminals zu Wasserstoffterminals schon auf dem Weg.

Anrede

Die Erdgasförderung kommt zu spät. Und die Fördermengen sind marginal. Überall ist zu lesen, in der Nordsee sollen bis zu 60 Milliarden m³ Gas gefördert werden. Wirtschaftsminister Althusmann rühmt sich, mit der Offshore-Förderung bildete Niedersachsen gemeinsam mit den Niederlanden den Eckpfeiler der europäischen Gasversorgung.

Damit führt die Landesregierung die Öffentlichkeit mit überhöhten Angaben bewusst in die Irre:

·       60 Milliarden Kubikmeter – diese Menge könnte gerade mal die russischen Gaslieferungen eines Jahres ersetzen,

·       Beantragt ist jedoch nur eine Förderung von bestenfalls 22 Milliarden Kubikmetern. Dies gilt für den optimistischen Fall, dass sich alle vermuteten Vorkommen tatsächlich bestätigen.

·       Die Hälfte der Förderung würden zudem an die Niederlande geliefert, weil sie auf niederländischem Meeresgebiet liegen.

·       Über den Förderzeitraum von 35 Jahren würde das Projekt also höchstens 11 Milliarden Kubikmeter bringen. Gemessen am aktuellen Gasbedarf der Bundesrepublik deckt das jährlich weniger als 1 Prozent der Nachfrage.

Genau so steht es auch im Landtagsbeschluss aus Oktober 2021, der vor gut einem halben Jahr mit den Stimmen von SPD, CDU und Grünen gefasst worden ist: 

Das volkswirtschaftliche Interesse an der Erdgasförderung in der Nordsee ist gering und steht nicht im Einklang mit den Zielen der Energiewende. Gegenüber den Gefahren für den Naturraum Wattenmeer hat die Erdgasförderung zurück-zustehen.

Der Beschluss verweist zudem auf das Klima-Urteil des Bundesverfassungsgesetzes und stellt fest, dass die Förderung dem Ziel der Klimaneutralität widerspricht.

Gilt das alles nicht mehr, werfen Sie jedes Maß über Bord!? Wir alle haben Verantwortung, auch in Krisenzeiten einen kühlen Kopf zu behalten. Jetzt umso mehr!

Ich protestiere entschieden dagegen, den Schutz des Wattenmeers einer Förderung zu opfern, die erst in vielen Jahren symbolische Mengen ins Gasnetz einspeisen kann.

Diese unverhältnismäßige Entscheidung ist ein Schlag ins Gesicht für die Inseln und die Küstenregion.

Und es ist ein unkalkulierbares Risiko für das Naturerbe Wattenmeer - und damit eine gefährliche Wette auf die Zukunft.

Statt für fossile Schein-Lösung zu kämpfen muss die Regierung von Ministerpräsident Weil endlich die Energiewende in Gang bringen. Nur mit erneuerbaren Energien und Maßnahmen zur Senkung des Gasverbrauchs werden wir wirklich unabhängig vom Gashahn. Die angespannte Energieversorgung in Folge des russischen Angriffskriegs ist für die Landesregierung nur ein Vorwand, dieses Projekt nun durchzuwinken.

Anrede,

Wenn Sie wenigstens den Mut hätten, dazu eine Anhörung der Verbände und der Betroffenen durchzuführen, aber nein, Sie wollen ohne ausreichende Faktenlage einfach mit dem Kopf durch die Wand, nur um auch als Macher da zu stehen und das ohne Rücksicht auf Verluste.

Wir lehnen die Aufhebung des Landtagsbeschlusses zum Schutz des Wattenmeers als unverantwortlich ab und fordern Sie auf, den ordentlichen parlamentarischen Weg zu gehen.

Und hören Sie auf, den Bürger*innen Sand in die Augen zu streuen, arbeiten Sie wenigstens mit belastbaren Zahlen und Fakten.

Wir Grünen sind es leid, permanent Ihre Halbwahrheiten mit Anfragen hinterfragen zu müssen und damit scheibchenweise die Wahrheit ans Tageslicht zu bringen.

Das Vorgehen der Landesregierung von Ministerpräsident Weil und Wirtschaftsminister Althusmann beschädigt das Vertrauen in demokratische Beschlüsse. Das können wir uns in diesen Zeiten nicht leisten.

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