Meta Janssen-Kucz: Rede zur ambulanten Pflege (Antrag GRÜNE/FDP)

- es gilt das gesprochene Wort -

Anrede

Mit unserem gemeinsamen Entschließungsantrag fordern wir die Sozial- und Gesundheitsministerin Frau Dr. Carola Reimann und die Große Koalition auf, zu handeln. Wir haben schon heute in einigen Regionen einen Pflegenotstand, in anderen Regionen steuern wir geradewegs darauf zu.

Packen Sie deshalb endlich entschlossen an, um den Notstand in der ambulanten Pflege zu verhindern!

Nutzen Sie endlich ihre Handlungsmöglichkeiten und hören Sie auf, den Menschen in Niedersachsen zu erzählen, es gäbe keine Versorgungsgefährdung. Fragen Sie doch mal die Menschen zum im Landkreis Goslar, wie es dort aussieht. Die können Ihnen nämlich erzählen, wie schwer es ist, einen ambulanten Pflegedienst zu finden. Ihre abwartende Haltung ist fernab der Versorgungsrealität in Niedersachsen.

Anrede

Sie selbst haben die Kommunen im Sommer 2018 zu der Versorgungssituation befragt. Drei Viertel haben daraufhin Versorgungsengpässe in der ambulanten Pflege gemeldet. Das saugen sich die Kommunen doch nicht aus den Fingern! Auch die Zahlen der privaten Anbieter und der Freien Wohlfahrtsverbände aus dem letzten Jahr sprechen eine deutliche Sprache. Demnach lehnen die Pflegedienste täglich etwa 230 Anfragen von Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen ab.

Wir alle hier kennen die zugespitzte Versorgungslage aus unseren Wahlkreisen. Und das betrifft schon längst nicht mehr nur den ländlichen Regionen, sondern mittlerweile auch die Städte. Worauf gründen Sie also Ihre Einschätzung, dass die Versorgung in Niedersachsen gewährleistet ist?

Anrede

Wenn Sie ehrlich sind, haben Sie nämlich gar keine validen Daten, die eine solche Aussage rechtfertigen.

Wir erwarten deshalb, dass Sie die Versorgungssituation regionalisiert erheben.

Es kann nicht Anliegen einer sozialdemokratischen Ministerin und einer sozialdemokratisch geführten Landesregierung sein, Pflegebedürftige, Pflegekräfte und die ambulanten Dienste im Regen stehen zu lassen.

Was passiert denn, wenn Pflegebedürftige nicht mehr ambulant versorgt werden können? Sie müssen ins Heim ziehen. Das Prinzip "ambulant vor stationär" wird dadurch immer weiter ausgehöhlt.

Wir sind uns sicher, wenn die Ergebnisse einer solchen regionalisierten Erhebung vorliegen, kann die Landesregierung gar nicht anders, als eine akute Versorgungsgefährdung festzustellen. Aber weil Sie dann als Aufsichtsbehörde einschreiten müssen, erheben Sie lieber erst gar keine Daten.

Gute Pflege kostet Geld und muss von den Pflegekassen finanziert werden. Pflegedienste dürfen nicht weiter wie Bittsteller von den Kassen behandelt werden, sondern das bekommen, was Ihnen gesetzlich zusteht. Denn nur so können wir verhindern, dass immer mehr Pflegekräfte in andere Bundesländer abwandern oder ganz aus dem Beruf aussteigen. Niedersachsen trägt schon viel zu lange die rote Laterne bei der Bezahlung von Pflegekräften mit sich herum.

Anrede

Es reicht nicht, sich als Große Koalition immer wieder gebetsmühlenartig zu Tariflöhnen zu bekennen und das Pflegestärkungsgesetz zu zitieren. Und auch das schon mehrfach angekündigte Nds. Pflegegesetz liegt noch nicht einmal im Entwurf vor. Entschlossenes Handeln sieht anders aus!

Genau das brauchen wir aber, wenn wir verhindern wollen, dass aus dem Pflegenotstand eine Pflegekatastrophe wird. Und der erste Schritt dazu ist es, die Probleme ehrlich zu benennen.

Anrede

Was aber machen Sie stattdessen? Sie recyceln einen Antrag aus rot-grüner Regierungszeit, tauschen zwei Worte in der Überschrift aus und präsentieren ihn als Ihre Idee.

Ich empfehle Ihnen: schauen Sie sich einfach mal die Unterrichtung zum Antrag "Verwirklichung des Tarifvertrages Soziales begleiten" von April 2016 an, Drucksache 17/5686. Denn daraus geht klar hervor, dass die rot-grüne Landesregierung sich bereits im Rahmen ihrer Möglichkeiten für einen Tarifvertrag Soziales eingesetzt hat. Sie hat sogar mit den Kostenträgern eine "Gemeinsame Erklärung zum Einkommen der Pflegekräfte" unterzeichnet. Darin erklären die Kostenträger, Tariflöhne refinanzieren zu wollen. Sie tun es aber nicht. Was also soll die Landesregierung aus Ihrer Sicht noch zum Tarifvertrag Soziales beitragen?

Selbst die Einrichtung eines Tarifausschusses durch das Wirtschaftsministerium unter Rot-Grün hat nichts bewirkt. Um es deutlich zu sagen: ein Tarifvertrag Soziales ist absolut wünschenswert, aber er ist Sache der Tarifpartner und die Politik kann nicht mehr tun als an diese zu appellieren. Wenn Appelle aber alles sind, was Ihnen heute dazu einfällt, ist das reichlich wenig.

Anrede

Immerhin haben Sie unsere Forderung aufgegriffen, dass die Landesregierung endlich ihre aufsichtsrechtlichen Möglichkeiten gegenüber den Kostenträgern ausschöpft. Ohne eine regionalisierte Erhebung der Versorgungslage, bleibt diese Forderung aber ein zahnloser Tiger.

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