Meta Janssen-Kucz: Rede zu den Haushaltsberatungen 2020 – Schwerpunkt Gesundheit, Pflege und Psychiatrie

- Es gilt das gesprochene Wort -

Zunächst möchte ich den Fraktionen von SPD und CDU dafür danken, dass sie sich nach langem Zögern und Zaudern, entschieden haben, der Pflegekammer eine echte Chance zu geben.

Seit dem Frühjahr haben wir dafür geworben, die Pflegekammer beitragsfrei zu stellen. Aus unserer Sicht ist das die einzige Möglichkeit, um die Fehler der Vergangenheit zu korrigieren und der Pflegekammer die Möglichkeit zu geben, ihrer eigentlichen Aufgabe nachzugehen: nämlich die Interessen der Pflegekräfte zu vertreten. Das ist gerade nötiger denn je.

An dem schwierigen Start der Pflegekammer haben sowohl die aktuelle, als auch die vorherige Landesregierung einen großen Anteil. Es war ein Fehler der rot-grünen Landesregierung, die Pflegekammer nicht mit einer ausreichenden Anschubfinanzierung auszustatten und so von Anfang an für eine größere Akzeptanz zu sorgen. Das Krisenmanagement der aktuellen Landesregierung aber, das im Wesentlichen daraus bestand, den Kopf einzuziehen, war aber nicht weniger folgenreich. Denn es hat den Protest der Pflegekräfte weiter angeheizt. In diesem Punkt kann ich die Unzufriedenheit der niedersächsischen Pflegekräfte durchaus verstehen.

Anrede

Sie sichern den Pflegekräften die vollständige Beitragsfreiheit zu. Ich hoffe sehr, dass die Landesregierung hier Wort hält und nicht noch mehr Vertrauen verspielt. Denn ob die vorgesehenen 6 Millionen Euro für die 90.000 Beschäftigten in der Pflege ausreichen wird, daran kann man durchaus Zweifel haben. Ich erwarte aber auch, dass die Landesregierung die Pflegekammer bei der Rückabwicklung der bereits gezahlten Beiträge unterstützt. Denn das ist in dieser Größenordnung schon eine logistische Herausforderung.

Anrede

die Pflegekammer ist schon jetzt eine wichtige Akteurin im niedersächsischen Gesundheitswesen. Ich jedenfalls möchte die Expertise der Pflegekammer bspw. in der Arbeit der Enquete-Kommission nicht mehr missen.

Die Einzige, die offensichtlich keine starke Interessenvertretung für die Pflegekräfte will, ist die FDP – auch wenn Sie bei der Pflegekammer gerne so tut, als wäre Sie die einzige Partei, die die Interessen der Pflegekräfte erst nimmt.

Als Partei, die die Privatisierung im Gesundheitswesen offensiv mit vorangetragen hat und die Tariflöhne und Arbeitnehmerrechte Profitinteressen unterordnet, ist so ein Verhalten wirklich hochgradig verwerflich. 

Anrede

die Situation in der Pflege war in 2019 das beinahe alles bestimmende Thema. Und das wird auch in 2020 so bleiben. Zwar hat die Konzertierte Aktion Pflege Niedersachsen (KAP.Ni) Vereinbarungen für Tariflöhne in der Pflege getroffen. Die helfen aber nicht weiter, wenn die Akteure sich nicht daran halten. Und das ist ganz offensichtlich der Fall. Denn ganz aktuell müssen Pflegekräfte der Diakoniestation in Burgdorf bspw. auf ihr Weihnachtsgeld verzichten, weil die Pflegekassen sich querstellen.

Sehr geehrte Frau Ministerin Reimann,

Sie haben hier immer betont, dass Sie auf Gespräche setzen statt darauf, ihre aufsichtsrechtlichen Möglichkeiten zu nutzen. Nun müssen wir zum wiederholten Male feststellen, dass Ihre Strategie nicht aufgeht.  

Ich sage es ganz deutlich: die Zeiten des Moderierens sind vorbei. Es ist Ihre Aufgabe dafür zu sorgen, dass die Akteure sich an ihre Zusagen halten. Die Pflegekräfte und die zu Pflegenden erwarte das völlig zu Recht von Ihnen.  

Anrede

Gestern schon haben wir deutlich gemacht, dass der Einstieg in die Schulgeldfreiheit für therapeutische Berufe gut gemeint, aber schlecht gemacht ist. Sie ist einfach ungerecht und selektiv. Mit dieser Art von Gesundheitspolitik wirken sie dem Fachkräftemangel im Bereich der Therapeutischen Berufe nicht entgegen. Erkennen sie nicht, dass sie mit dem Schmalspurgesetz das Ziel der Erhöhung des Anteils von Fachkräften, inclusive Heilerziehungspfleger*innen verfehlen und dazu beitragen, dass die therapeutische Versorgung in Niedersachsen noch stärker gefährdet wird.

Anrede

kommen wir jetzt zur Einführung des digitalen Notfallmanagement IVENA in Niedersachsen. Hier geht es immerhin voran, wenn auch nur in sehr kleinen Schritten. Aus den Modellregionen wissen wir, dass IVENA sich bewährt hat.

Frau Ministerin Reimann hat kürzlich in Braunschweig erklärt: "Im Notfall kann es lebensentscheidend sein, schnell in das richtige Krankenhaus zu gelangen!"

Ja, das ist richtig! Warum aber führen Sie IVENA dann nicht flächendeckend in Niedersachsen ein? Man sollte meinen, dass all Bürgerinnen und Bürger ein Recht darauf haben sollten, so schnell wie möglich in das richtige Krankenhaus zu gelangen.

Anrede

auch bei der ambulanten medizinischen Versorgung geht es nicht richtig voran. Zwar haben wir haben einige erfolgreiche Projekte aus den Gesundheitsregionen, die erfolgreich sind, die aber nach dem Ende der Projektförderung wieder eingestampft werden kaum. Kaum ein Projekt wird verstetigt.

Das gilt auch für das Gifhorner Telemedizinprojekt, bei dem Mitarbeiter*innen eines Pflegedienstes ärztliche Aufgaben mit übernehmen, z.B. Blut abnehmen oder Wunden versorgen. Die Daten werden per Tablet an den betreuenden Arzt übermittelt. Das Projekt läuft gut, alle Beteiligten sind zufrieden. Die Landesregierung aber will frühestens 2021 über eine Verstetigung nachdenken. Warum? Vielleicht, weil dann die nächsten Landtagswahlen vor der Tür stehen und man sich damit schmücken will?

Die abwartende Haltung der Landesregierung ist jedenfalls völlig inkonsequent und sorgt bei den Beteiligten für große Unsicherheit. Dabei bietet sich hier die Möglichkeit, mit einfachen Mitteln große Wirkung zu erzielen. 

Stattdessen verliert sich die Landesregierung in endlosen Diskussionen über eine Landarztquote. In regelmäßigen Abständen wird sie von der Sozialministerin gefordert und vom Wissenschaftsminister abgelehnt. Dabei liegt es auf der Hand, dass auch eine Quote die eigentliche Ursache des Problems gar nicht behebt - nämlich die Tatsache, dass der ländliche Raum und die Tätigkeit als Landärztin oder Landarzt für junge Menschen wenig attraktiv sind. Außerdem werden Sie es auch mit einer Landarztquote nicht schaffen, die bis 2030 benötigten 1.000 Hausärztinnen und Hausärzteauszubilden.

Ich plädiere deshalb dafür, den bewährten Instrumentenkasten ausbauen. Die Auswertung der Landesregierung zeigt, dass insbesondere Stipendien und Niederlassungsförderungen gut angenommen werden. Darauf können wir aufbauen. Das halte ich für vielversprechender, als über Sinn und Unsinn einer Quote zu diskutieren, nur um an Ende festzustellen, dass Ärztinnen und Ärzte trotz Quote fehlen.

Anrede

fatal ist auch, dass die gute Arbeit des Ethnomedizinischen Zentrums EMZ, die medizinische und psychosoziale Beratung von Flüchtlingen und Ausländern, trotz Bedarf, nicht mehr finanziert wird. Das gleiche gilt für die Streichung des MIMI Projektes zur transkulturellen Gesundheitsförderung des EMZ. Hier besteht weiterhin großer Handlungsbedarf, insbesondere in den Kommunen, gerade vor dem Hintergrund der Integration, ist die Fortführung unabdingbar. Sie lassen nicht nur die Menschen allein, die zu uns geflüchtet sind, nein, sie lassen auch die Kommunen allein.

Anrede

zum Schluss noch ein paar Worte zum Landespsychiatrieplan. In 2019 gab es nur einen Platzhalter im Haushalt - passiert ist jedoch nichts. In 2020 sind die eingesetzten Mittel aus meiner Sicht nicht ausreichend. So kann die Umsetzung des Landespsychiatrieplans nicht gelingen. Die Psychiatrie ist und bleibt ein absolutes Stiefkind der Landesregierung. Die beiden in Oktober endlich zugesagten Gemeindepsychiatrischen Zentren im Landkreis Cuxhaven und der Stadt Braunschweig sind wichtig – aber wir brauchen solche Angebote im ganzen Land. Gesellschaftliche Teilhabe darf nicht vom Wohnort anhängen.

 

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