Meta Janssen-Kucz: Rede zu den Arbeitsbedingungen in der Pflege (Antrag GRÜNE)

- Es gilt das gesprochene Wort -

Anrede,

die Weltgesundheitsorganisation hat das Jahr 2020 zum Jahr der Pflegenden und der Hebammen auserkoren.

Und heute am 12- Mai 2020 ist der Internationale Tag der Pflegenden. Das Motto lautet: Nursing the World to Health. Damit will der International Council of Nurses (ICN) die große Bedeutung der professionellen Pflege für alle Menschen dieser Welt deutlich machen.

Anrede,

und es ist offensichtlich das Jahr der Pflegenden und aller Beschäftigten im Gesundheitswesen!

Sie haben alle in den letzten Monaten und Wochen fast Unmenschliches geleistet. Während viele von uns zu Hause geblieben sind, im Homeoffice arbeiteten, waren sie dort, wo sie so dringend gebraucht wurden und werden. In den Krankenhäusern, in den Pflegeeinrichtungen, im ambulanten Dienst. Sie sind für die Menschen da, die ihre Hilfe und Unterstützung benötigen.

Anrede,

ohne die zahlreichen Pflegekräfte in unserem Land wären wir aufgeschmissen. Das dürfte nun auch dem Letzten mehr als deutlich geworden sein. Plötzlich wird über die hohe gesellschaftliche Bedeutung, die "Systemrelevanz", über die unverzichtbare Arbeit, die sie leisten, geredet. Doch, Worte reichen nicht!

Ein leises Dankeschön, ein höflicher Applaus auf dem Balkon – das ist nicht genug!

Und selbst der Applaus ist mittlerweile von den Balkonen verschwunden, dafür sind jetzt Beleidigungen und Pöbeleien gegenüber Pflegekräfte an der Tagesordnung.

Sie werden dafür verantwortlich gemacht, dass Angehörige ihre Eltern, Großeltern, aber auch Kinder in den Einrichtungen nicht besuchen dürfen. Sie werden für unklare, zum Teil nicht nachvollziehbaren politische Vorgaben, für noch nicht vorhandene Hygienepläne der Einrichtungen und vieles mehr in der Corona Krise, verantwortlich gemacht.

Das darf doch alles nicht wahr sein - Politik muss jetzt endlich handeln!

Anrede,

schon viel zu lange wird über mehr Anerkennung, bessere Entlohnung und bessere Arbeitsbedingungen, nur geredet - aber es ist fast nichts passiert. Die Konzertierte Aktion in Niedersachsen kam zu spät und bisher nur mit vielen Absichtserklärungen. Wenn die Politik bei den Pflegenden ihre Glaubwürdigkeit wiedererlangen will muss sich das dringend ändern.

Anrede,

dazu zählt aus unserer Sicht auch der viel diskutierte Pflege-Bonus bis zu 1.500 € auf Bundesebene.

Die Bundesregierung macht seit Wochen große Ansagen und diskutiert ebenso lange über die Finanzierung. Und jetzt zeichnet sich ab, dass die Versicherten die Zeche aus der Pflegekasse zahlen und dafür die dringend benötigte Demographie-Reserve geplündert wird. Das letzte Drittel sollen dann die Länder zahlen.

Den Pflegebonus erhalten nur die in der stationären und vermutlich auch die in der ambulanten Pflege Tätigen. Die Pflegekräfte in Krankenhäusern der Maximalversorgung, die an vorderster Front mit Covid-19 Patient*innen arbeiten erhalten keinen Cent mehr, genau so ergeht es Heilerziehungspflegekräften. Die ganze Debatte rund um die Pflege ist ein Armutszeugnis für so ein reiches Land wie die Bundesrepublik Deutschland.

Das ist blanker Hohn, das ist ein unwürdiges Schauspiel für die Pflegenden! Wertschätzung sieht anders aus!

Anrede,

auch unser Ministerpräsident redet lieber über einen Autogipfel und Auto-Prämien als über einen Pflegegipfel und konkrete Unterstützung für die Pflegenden.

Bayern machte es Anfang April vor und kündigte einen Corona Pflege-Bonus bis zu 500 € an. Anträge können jetzt schon für alle in der Pflege Tätigen gestellt werden. Und in Niedersachsen wird weiter rumlaviert!

Anrede,

wir Grünen fordern einen echten Niedersachsen- Pflege-Bonus. Einen Pflege-Bonus, der allen Pflegekräften in Krankenhäusern, Rettungsdiensten und ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen zu Gute kommt.

Wir fordern eine Erhöhung der Zahlung auf 500 € monatlich für 6 Monate, und zwar steuerfinanziert, so dass Pflegebedürftige und Angehörige nicht zur Kasse gebeten werden.

Ein Niedersachsen-Pflege-Bonus ist eine wichtige und richtige Geste und endlich die überfällige Anerkennung für die Pflegenden. Mehr aber auch nicht.

Anrede,

was wir jetzt brauchen, ist ein Richtungswechsel in der Pflegepolitik. Denn die Arbeitsbedingungen waren auch schon vor Corona-Zeiten schwierig. Den dringenden Handlungsbedarf in der professionellen, stationären und ambulanten Pflege, die prekären Arbeitsbedingungen und die seit Jahren geführten Diskussionen rund um das Stichwort Pflegenotstand kennen wir alle.

Es braucht also eine grundlegende Reform. Es geht darum, die unverzichtbare systemrelevante Arbeit von Pflegekräften endlich auf adäquate Weise anzuerkennen. Und es geht auch darum, Geschlechterungleichheiten, die jetzt in der Krise einmal mehr deutlich werden, aufzubrechen.

Denn machen wir uns nichts vor. Die Arbeitsbedingungen in der Pflege sind auch deshalb so prekär, weil der Beruf historisch und gegenwärtig hauptsächlich von Frauen ausgeübt wird. 4 von 5 Erwerbstätigen in Gesundheits- und Pflegeberufen sind Frauen.

Anrede,

wir fordern in unserem Antrag deshalb den zügigen Abschluss eines allgemeinverbindlichen Branchentarifvertrages, um nicht nur die Löhne zu erhöhen, sondern grundsätzlich gute Arbeitsbedingungen zu erreichen.

Höhere Löhne dürfen aber nicht zu Lasten der Pflegebedürftigen gehen. Schon jetzt sind viele Pflegebedürftige auf Sozialhilfe angewiesen. Das kann nicht sein. Es braucht deshalb eine Reform der Pflegeversicherung, indem die Versicherung einen Steuerzuschuss erhält und indem sie in eine Bürger*innenversicherung umgewandelt wird.

Anrede,

die Corona-Krise hat unser aller Leben auf den Kopf gestellt. In kürzester Zeit haben wir Maßnahmen umgesetzt, die noch vor Monaten undenkbar waren.

Jetzt ist die Zeit gekommen, die Situation in den Pflegeberufen genauso radikal umzukrempeln und endlich für grundlegend bessere Arbeitsbedingungen zu sorgen. Wenn diese Krise zu etwas nutze gewesen sein soll, dann dafür, dass die klaffende Lücke zwischen guten Worten und guten Taten endlich geschlossen wird.

Das sind wir all denjenigen Pflegekräften schuldig, die sich in den letzten Wochen einem ungeheuren Risiko ausgesetzt und tagtäglich weitergearbeitet haben. Deshalb müssen endlich die Testkapazitäten für pflegerisches Personal und Gemeinschaftsunterkünfte eingesetzt werden, ohne Wenn und Aber.

Ebenso muss mehr und ausreichend Schutzmaterial für die stationäre und ambulante Pflege zur Verfügung gestellt werden, dabei muss auch über die Refinanzierung der Unmengen an Schutzmaterialen gesprochen werden, die über einen langen Zeitraum benötigt werden.

Anrede,

dazu gehört aber auch endlich ein Bleiberecht, für Menschen aus Ost-Europa, Geflüchtete und mit unsicherem Aufenthaltsstatus, die in der Pflege tätig sind und vor allem Privathaushalte und damit Alleinlebende ältere Pflegebedürftige unterstützen.

Ohne diese Pflegekräfte würde unser Pflegesystem schon lange das Limit überschritten haben und noch mehr am Abgrund stehen.

Heute am Tag der Pflegenden und im Jahr der Pflegenden müssen wir endlich Reden Taten folgen lassen!

Vielen Dank.

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