Marie Kollenrott: Rede zu intelligenten Stromnetzen (Antrag SPD/Grüne)
Rede TOP 34: Volle Energie für Niedersachsen – Smart Grids als sinnvolle Unterstützung zum Netzausbau fördern (Antrag SPD/Grüne)
- Es gilt das gesprochene Wort -
Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Kolleg*innen, sehr geehrte Damen und Herren,
Niedersachsen ist Klimaneutral! Das würde ich als klimapolitische Sprecherin sehr gerne verkünden, doch so weit sind wir leider noch nicht. Doch wir haben einen wichtigen Meilenstein erreicht: unsere niedersächsische Stromversorgung wurde 2023 erstmals bilanziell zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien gedeckt. Dank starker Solar- und vor allem Windenergie.
Doch dieser Erfolg rot-grüner Politik bringt auch Herausforderungen für das Stromnetz mit sich, denn Sonne und Wind sind nun mal nicht konstant. Wer jetzt nach der Rückkehr der Grundlastkraftwerke schreit und den Ausstieg aus der teuren und unverantwortlichen Atomkraft bejammert, ist aber eindeutig von gestern. Denn Sonne und Wind sind überlegen, günstig und produzieren weder klimaschädliche Abgase noch radioaktiven Müll als bittere Hypothek für die nachfolgenden Generationen.
Stattdessen gilt es, die Stromnetze zukunftsfähig zu machen und auf die Volatilität der Stromerzeugung und die passgenaue Stromversorgung einzustellen. Es gilt, den Strom möglichst dann zu verbrauchen, wenn er im Überfluss vorhanden ist. Dafür brauchen wir ein flexibles, effizientes und dezentrales Energiemanagement, das den Verbrauch in Echtzeit optimiert und an die Energieerzeugung anpasst.
Smart Grids sind mehr als moderne Stromnetze. Sie sind intelligente Energieökosysteme, in denen Informations- und Kommunikationstechnologien nahtlos miteinander verschmelzen. Solche Technologien endlich flächendeckend zu nutzen ist unserer Zeit angemessen!
Durch die Integration von Smart Grids können wir die Flexibilität und Effizienz unseres Energiesystems erheblich steigern. In Zeiten hoher Stromproduktion können Energiespeicher geladen und flexible Verbraucher, wie Wärmepumpen, aktiviert werden. Wird die Wärme gerade nicht benötigt, kann sie kostengünstig in Wärmespeichern zwischengelagert werden. Solche „Sektorkopplungungen“ sind ein oft übersehener, aber bedeutender Baustein zur Lösung der Speicherproblematik. Ob im Kleinen auf Ebene von Einfamilienhäusern oder im Großen im Rahmen kommunaler Wärmeplanungen.
In Phasen niedriger Stromproduktion könnte dagegen Energie aus dezentralen Speichern, etwa aus Fahrzeugbatterien, dem Netz zugeführt werden. Oder Stromverbraucher, wie beispielsweise Kältetechnikanlagen reduzieren in diesen Phasen ihre Leistung. Diese intelligente Steuerung entlastet das Netz und ermöglicht den Bürgerinnen und Bürgern, durch gezielteres Verbrauchsverhalten von günstigen Strompreisen zu profitieren – sofern Messtechnik und entsprechende Vertragsmodelle zur Verfügung stehen.
Unser Ziel muss es sein, dass jeder Haushalt langfristig Teil eines intelligenten Netzes wird. Mit dem Gesetz zum Neustart der Digitalisierung der Energiewende hat Robert Habeck mit seinem Ministerium dafür eine wichtige Voraussetzung geschaffen.
Nun gilt es die Verbraucher*innen in ihrem Recht auf Smart Meter zu stärken und den „Smart Meter Rollout“ intelligent zu flankieren. Dagegen bringt es uns in der Sache nicht weiter, Kosten von den Unternehmen auf die Verbraucher*innen abzuwälzen, wie der CDU Entschließungsantrag fordert, wenn ich ihn richtig verstehe. Höhere Stromkosten, wie sie dadurch entstehen würden, braucht im Moment wirklich niemand.
Ihr Antrag wirkt aus meiner Sicht generell etwas dünn. Dabei hätte es zum Thema wie ich finde viele weitere wichtige Aspekte gegeben. Wie Sie nun richtig vermuten bleiben bei unserem sehr guten und umfänglichen Antrag.
Beispielsweise helfen Smart Meter nur dann bei der Verbrauchsflexibilisierung, wenn gleichzeitig attraktive dynamische Stromtarife flächendeckend angeboten werden. Solche Tarife ermöglichen es Haushalten, ihren Stromverbrauch an besonders produktive Phasen der erneuerbaren Energien zu koppeln und so von niedrigeren Strompreisen zu profitieren. Gleichzeitig wird das Stromnetz entlastet und produktive Erzeugungsphasen werden effektiver genutzt.
Mit einer PV-Anlage auf dem Dach und einem Elektroauto vor der Tür wird es besonders spannend, wenn die Batterie des Autos als Pufferspeicher genutzt werden kann. Nicht nur für die Besitzer*innen, die zumindest im Sommerhalbjahr mit solch einer Kombination nahezu autark werden könnten, sondern auch für das Stromnetz als Ganzes. Bereits heute sind in zugelassenen Elektroautos auf Deutschlands Straßen über 100 Gigawattstunden Speicherkapazität verbaut.
Das sind bereits 2 ½ mal mehr Speicherkapazität als in allen Pumpspeicherkraftwerken der Bundesrepublik zusammen. Und die Mobilitätswende zur Elektromobilität steht bekanntlich noch am Anfang. Doch das Potential verpufft bislang, denn die wenigsten auf dem Markt verfügbaren Modelle erlauben Bidirektionales Laden, obwohl dies technisch möglich wäre. Hier ist es an der Zeit voranzuschreiten, beispielsweise durch die Schaffung schnittstellenkompatibler Standards für bidirektionales Laden.
Mit dem rot-grünen Entschließungsantrag zur Förderung von Smart Grids wollen wir einen bedeutenden Schritt in Richtung einer nachhaltigen, effizienten und zukunftsorientierten Energiepolitik machen. Lassen Sie uns gemeinsam dafür sorgen, dass Niedersachsen als Energiewendeland Nr. 1 auch Vorreiter in der Nutzung intelligenter Energienetze wird und somit auch hiermit einen bedeutenden Beitrag zur Energiewende und zum Klimaschutz leistet.