Lena Nzume: Rede "Nie wieder ist jetzt! Angriffen auf Gedenkstätten entschieden entgegentreten!" (Akt. Stunde GRÜNE)

Rede Lena Nzume© Plenar TV

TOP 4b: Nie wieder ist jetzt! Angriffen auf Gedenkstätten entschieden entgegentreten, Gedenkstätten als Orte der Demokratiebildung und Erinnerung an finstere Zeiten stärken (Akt. Std. Grüne)

- Es gilt das gesprochene Wort -

Anrede,

deutschlandweit und in Niedersachsen nehmen rechtsextremistische Angriffe auf Gedenkstätten zu. Zu nennen sind hier z.B.

  • der Anschlag auf die Geschäftsstelle der Stiftung Niedersächsischer Gedenkstätten in Celle,
  • das Bekleben mit volksverhetzenden Stickern der Gedenkstätte in Ahlem
  • Hakenkreuz-Schmiereien in Oldenburg.

Dies alles sind Warnsignale!

Durch die Verschiebung der öffentlichen Diskussion und die Relativierung nationalsozialistischer Verbrechen, fühlen sich Teile unserer Gesellschaft bestärkt und ermutigt, Gedenkstätten zu schänden. Was vor kurzem nur gedacht wurde, wird jetzt offen ausgesprochen. Und: aus Worten werden Taten. Das lassen wir nicht zu!

Gedenkstätten sind Orte, die uns wichtige historische Ereignisse vor Augen führen. Sie helfen uns bei der Erinnerung. Sie sorgen für eine kritische Reflexion. Schon allein durch ihre Existenz ermöglichen Gedenkstätten einen Diskurs. Der Besuch eines Erinnerungsortes löst etwas in Menschen aus, bewusst oder unbewusst. Indem wir mittrauern, Empathie entwickeln, uns bestimmter Realitäten und Fakten bewusstwerden, oder indem wir zu Fragen aufgefordert werden. Selbst eine zunächst eintretende Abwehrreaktion kann zu späteren Denk- und Lernprozessen führen.

Menschen, die Erinnerungsorte schänden, verweigern die Erinnerung. Nun kann man sagen, das Vergessen gehört zum Erinnern dazu. Doch es ist wichtig, Verleugnung von Vergessen zu unterscheiden. Verleugnung bedeutet die Vermeidung einer (selbst)kritischen Auseinandersetzung mit Geschichte und Gegenwart.

Unsere Demokratie lebt vom Diskurs. Wir müssen uns zu gesellschaftlichen Themen verhalten. Und hierzu zählen auch historische Ereignisse, die auch nie einfach so vergangen sind, sondern deren Wirkmächtigkeit bis in unsere Gegenwart hineinreichen. Dazu benötigen wir Wissen und bei dieser Wissensvermittlung spielen unsere Erinnerungsorte eine zentrale Rolle. Sie machen Geschichte erleb- und erfahrbar.

Das kann schmerzhaft oder mit Scham behaftet sein. Ein Besuch von Gedenkstätten, die sich mit den Gräueltaten des Nationalsozialismus auseinandersetzen, ist oftmals eine tief emotionale Angelegenheit. Dies gilt auch für andere Orte: Gedenkstätten, die Zeugnis unserer kolonialen Vergangenheit, Zeugnis der Weimarer Zeit, des ersten Weltkriegs oder der DDR-Vergangenheit sind.

Historische Ereignisse können nicht ausradiert oder geändert werden. Unsere Welt ist heute, wie sie ist, weil die historischen Ereignisse sie zu dieser gemacht haben. Die Taten der Vergangenheit bringen eine Verantwortung für unsere Gegenwart und unsere Zukunft mit sich. Und Erinnerungsorte machen uns unsere Verantwortung sowie die Zerbrechlichkeit unserer demokratischen Werte und unserer Gesellschaft bewusst. Zugleich eröffnen sie Räume für eine kritische und multiperspektivische Auseinandersetzung, somit fördern sie unsere Urteils-, Handlungs-, Kritikfähigkeit und Demokratiefähigkeit.

Lange wurde Erinnerungskultur als Verdrängungskultur bezeichnet. Es war ein Kampf von vielen demokratisch-zivilgesellschaftlich Engagierten der dazu führte, eine reflexive Form der Erinnerung zu verankern. Eine Form, die wir heute kennen und die eine kritische, handlungsorientierte Auseinandersetzung mit der Geschichte ermöglicht. Und diese kritisch-reflexive Erinnerungskultur ist jetzt wieder in Gefahr. Rechtextreme intensivieren ihre Angriffe auf die Erinnerungskultur.  Ich meine hier Björn Hocke der eine erinnerungspolitische Wende um 180 Grad fordert.

Menschen, die sich an Gedenkstätten vergehen, wollen diese Geschichte nicht verstehen. Sie wollen sie umdeuten. Dabei pfeifen sie auf Fakten, Forschung und Wissen. Angriffe auf die Gedenkstätten sind Angriffe auf Erinnerungskultur und somit auf unsere Demokratie.

Liebe Kolleg*innen,

lassen wir es nicht zu, dass unser kollektives Gedächtnis in Form unserer Erinnerungsorte Schaden erleidet. Unser demokratisches Selbstbewusstsein erwartet die kritische Auseinandersetzung mit der Geschichte. Dies zu leisten und dies zu vermitteln ist unser Auftrag.

Erinnerungskultur verändert sich fortlaufend und entwickelt sich weiter. In einer pluralen und diversen Gesellschaft ist Erinnerung multiperspektivisch. Deshalb müssen uns auch immer wieder auf die Suche nach neuen Formen der Vermittlung machen und überlegen, wie die verschiedenen Perspektiven und Erinnerungen in einen Dialog treten können. Wir tragen Verantwortung für ein vielfältiges und vielstimmiges Erinnern.

Im Spiegel gesellschaftlicher Herausforderungen müssen wir deshalb eine Strategie für einen erweiterten Erinnerungsrahmen entwickeln, der die Demokratiegeschichte, die deutsche Kolonialgeschichte und andere genozidale Verbrechen umfasst.

Dazu braucht es auch eine nachhaltige Förderung der Gedenkstätten, damit sie tragfähige Konzepte (weiter)entwickeln können, um unseren Blick auf Geschichte und Zukunft zu schärfen.

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