Konsequenzen aus dem Umgang mit den Bodenbelastungen an der Ems

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Der Landtag stellt fest, dass die Landesregierung und die ihr unterstehenden Fachbehörden

  • die kommunalen Behörden, Landwirte, Anlieger und auch den Landtag unzureichend und zu spät über die ihr vorliegenden Informationen über die Bodenbelastung im Deichvorland an der Ems mit hochgiftigen und krebserregenden Chemikalien und die dort festgestellten Grenzwertüberschreitungen unterrichtet hat;
  • zumindest billigend in Kauf genommen haben, dass Fleischprodukte von Tieren zu den Verbrauchern gelangt sind, die mit schädlichen Umweltchemikalien über den zulässigen Grenzwerten belastet waren, weil die Tiere auf diesen Flächen geweidet und mit dort gewonnenen Futtermitteln versorgt worden sind.
  • es offensichtlich unterlassen haben, nach Vorliegen von Beprobungsergebnissen über die Bodenbelastungen an der Ems im Juli, August und Oktober 2007, eine Untersuchung von Herkunft und Ursachen der Belastungen vorzunehmen oder zu veranlassen.

Der Landtag fordert die Landesregierung auf,

  1. ein umfassendes Konzept zur Bearbeitung der Probleme der Bodenbelastung an der Ems vorzulegen. Dabei ist darzustellen, wie der Schutz der Verbraucher sichergestellt, ein weiterer Schadstoffeintrag unterbunden und mit ihren Flächen betroffene Landwirte entschädigt bzw. ihre wirtschaftliche Existenz gesichert werden sollen;
  2. eine unabhängige Untersuchungskommission zur Ursachenforschung der Belastungen an der Ems einzurichten. Hierbei sind insbesondere die betroffenen Kommunen, Umweltverbände, Vertreter der Wirtschaft und der betroffenen Landwirte, sowie niederländische Stellen einzubeziehen. Die Untersuchungskommission kann unabhängige Gutachter mit der Klärung offener Fragen betrauen.
  3. klare Regelungen und ein umfassendes Monitoring für Bodenbelastungen in Niedersachsen aufzustellen, sowie ein landesweites Messsystem einzurichten, Dabei ist aufzuzeigen, wie zukünftig die Grenzwerte und Vorsorgewerte so eingehalten werden, dass flächendeckend der Schutz von Umwelt und VerbraucherInnen vor gefährlichen Schadstoffen gewährleistet wird. Die dafür notwendigen finanziellen und personellen Voraussetzungen sind umgehend zu schaffen.
  4. dem Landtag und der Öffentlichkeit eine für alle Landesbehörden verpflichtende Handlungsanweisung vorzulegen, die Grundsätze und Verfahrensschritte festlegt, wie künftig bei neu festgestellten Bodenbelastungen vorzugehen ist, die durch Altlasten, Unfälle oder unsachgemäßen Umgang mit gefährlichen Substanzen entstanden sein können. Es muss sichergestellt werden, dass der Schutz der Verbraucher und der Anwohner gewährleistet ist und die Schutzgüter Boden, Wasser und Luft nicht dauerhaft beeinträchtigt werden. Die Zusammenarbeit aller zuständigen Landes- und Kommunalbehörden ist eindeutig zu regeln. Dabei muss auch sichergestellt werden dass betroffene Bürgerinnen und Bürger, Kommunen und die Öffentlichkeit umgehend, transparent und umfassend informiert werden.
  5. solange die Ursachenforschung der Giftfunde im Emsvorland nicht abgeschlossen ist, keine Aufstauung und andere Eingriffe an der Ems - insbesondere den für Ende September geplanten sogenannten "wissenschaftlichen Probestau" - zuzulassen, weil eine weitere Verbreitung giftiger und gesundheitsschädlicher chemischer Substanzen nicht ausgeschlossen werden kann.

Begründung

Bereits im Sommer und Herbst 2007 wurde im Vorland der Ems im Landkreis Leer eine Belastung von Grasschnitt und Boden mit dioxinähnlichen PCB durch das Laves festgestellt. Die Behörde hat aber weder den Landkreis Leer noch die Landwirte oder die Öffentlichkeit über diese Befunde informiert und damit in Kauf genommen, dass schadstoffbelastete Nahrungsmittel zu den Verbrauchern gelangen konnten. Mit Empörung hat der Landkreis und die Öffentlichkeit im Juli auf diese Tatsachen reagiert. Das Landwirtschaftsministerium wurde zu Recht für diese Informationspolitik scharf kritisiert. Bis heute ist nicht erkennbar, dass die Landesregierung systematisch und mit der gebotenen Sorgfalt das Schadstoffproblem an der Ems angeht. Informationen werden nur bruchstückhaft herausgegeben. Auch nach Bekanntwerden der Giftfunde im August 2008 erfuhren auch die Mitglieder des Landwirtschaftsausschusses nur über die Presse, dass nicht nur Flächen im Landkreis Leer betroffen sind, sondern auch der Landkreis Emsland.

In dieser Situation ist eine systematische Suche nach Schadstoffen an der Ems und darüber hinaus auch in Überschwemmungsgebieten anderer Gewässer erforderlich. Die Problematik der Schadstoffbelastung von Boden und Erntegütern muss landesweit untersucht und bearbeitet werden. Es kann nicht hingenommen werden, dass nach Zufallsfunden ein bloßes hektisches und unkoordiniertes Handeln der zuständigen Stellen erfolgt. Klare Konzepte und Handlungsanweisungen, die das Handeln der Behörden, auch untereinander, regeln sind deshalb dringend erforderlich.

Es ist festzuhalten, dass Laves, NLWKN, MU und ML nicht mehr das Vertrauen der Bevölkerung und der Kommunen besitzen. Um das Vertrauen wieder herzustellen, müssen alle Fakten auf den Tisch. Die möglichen Ursachen der Kontamination, die von Altlasten, Deponien, Schlick, Einleitungen, Industriebetrieben aber auch von Spülfeldern o.ä. ausgehen kann, sind zu untersuchen.

Wir haben nicht nur die Schadstoffe an der Ems, sondern auch die Dioxine im Elbvorland oder mit PFT-verseuchten Wirtschaftsdünger, die in den letzten Jahren als Problem in Niedersachsen aufgetreten sind. Der Umgang mit diesen Belastungen erfolgt "situationsabhängig", je nach politischem Druck der Betroffenen. Diese Situation ist zutiefst unbefriedigend und nicht hinnehmbar. Die Landesregierung hat durch ihre Verwaltungsreform die Verantwortung für die Gesundheit der Bürger und eine intakte Umwelt weitgehend auf die Kommunen verlagert. So wurde das PFT-Problem auf die Kommunen abgewälzt. An der Elbe mit der Dioxinbelastung im Vorland wurde seit Jahren viel geredet, Konzepte wurden erstellt, aber sie werden nicht wirklich umgesetzt. Offensichtlich soll hier eine Lösung nicht umgesetzt und das Problem ausgesessen werden. Es wird offensichtlich abgewartet, bis es sich durch immer weniger politische Aufmerksamkeit zwar nicht erledigt, doch aber entschärft hat. Systematisches Vorgehen sieht anders aus. Der Landtag muss deshalb klare Vorgaben beschließen, wie mit solchen Schadstoffproblemen umzugehen ist. Die Landesregierung soll klar darstellen, wie sie praktische Verbraucherschutzpoltik betreiben will.

Die ständigen Vertiefungen der Ems für die Meyerschiffe und die jeder Überführung vorangehende erneute Fahrrinnenräumung haben dazu geführt, dass der Emsschlick in einem Umfang mit dem Wasser aufgewirbelt, verlagert und transportiert wird, dass sich die Wasserqualität in den letzten 15 Jahren dramatisch verschlechtert hat. Nicht nur Häfen verschlicken, sondern das Wasser kann nicht einmal mehr zum Ausspülen von Kavernen benutzt werden. Es ist auch zu untersuchen, inwieweit Schlickablagerungen durch den Emsaufstau zu einem Schadstoffeintrag im Vorland beitragen. Der für September geplante Probestau, der zu erheblichen Überspülungen der Vordeichflächen führen wird und möglicherweise zu einer weiteren Kontamination dieser Flächen führen wird, ist deshalb und auch wegen erheblicher naturschutzrechtlicher Bedenken, zu untersagen.

Fraktionsvorsitzender

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