Kleine Anfrage mit Antwort: Anbauplanung von gentechnisch verändertem Mais (MON810) im Jahr 2007 in Niedersachsen und Maßnahmen zum Schutz der gentechnikfreien Produktion

 

Laut Standortregister "Anbau und Freisetzung von GVO in Deutschland" ist in Niedersachsen  geplant, auf einer Fläche von knapp 23 Hektar (ha) gentechnisch veränderten Mais der Maislinie MON810 anzubauen. Dies ist ein sogenannter Bt-Mais, der während seiner gesamten Wachstumsphase das Insektengift des Bacillus turingiensis produziert und abgibt. Damit soll der Maiszünzler, ein Maisschädling, bekämpft werden.

Diese Maislinie wurde nach einem inzwischen veränderten EU-Zulassungsverfahren im Jahre1998 auf EU-Ebene zugelassen. Die Zulassung läuft im April 2007 aus und muss von der Firma Monsanto neu beantragt werden.

Seit Zulassung dieser Maislinie MON810 auf EU-Ebene sind Studien über ihre ökologischen und gesundheitlichen Risiken erschienen, deren Ergebnisse  Sicherheitsbedenken nahe legen.  Die zahlreichen wissenschaftlichen Studien, die den Bt-Mais zum Gegenstand haben, belegen  eine Gefährdung der Biodiversität in agrarischen, vom Menschen gestalteten, und natürlichen Ökosystemen. So wurde beobachtet, dass heimische Schmetterlinge wie der Schwalbenschwanz, das Tagpfauenauge, der kleine Fuchs, die Kohlmotte und der kleine Kohlweißling in ihrer Entwicklung beeinträchtigt oder getötet wurden, wenn ihre Nahrungspflanzen mit bt-Maispollen bestäubt waren. Im Laborversuch reagierten Raubinsekten auf Futter aus mit bt-Gift geschädigter Beute mit einer signifikant höheren Sterblichkeit. Fragen der Bodenökologie im Zusammenhang mit Bt-Pflanzenanbau sind bisher wenig untersucht, aber es gibt Hinweise, dass Bt-Mais die Fähigkeit von Mycorrhiza-Pilzen, Wurzeln zu besiedeln, beeinträchtigt.

Kritisch wird in den Studien angemerkt , dass offene Fragen zu langfristigen Auswirkungen einer Aufnahme des Bt-Mais bzw. daraus hergestellter Produkte auf die tierische und menschliche Gesundheit bestehen. (Siehe: Gutachten zu neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen hinsichtlich ökologischer und gesundheitlicher Risiken seit der EU-Zulassung der gentechnisch veränderten Maislinie MON810im Jahr 1998, Martha Mertens, Institut für Biodiversität Netzwerk e.V., August 2006, erstellt im Auftrag der Bundestagsfraktion Bündnis90/Die Grünen).

Zudem geben Ergebnisse weiterer Studien über das Koexistenzverhalten des gentechnisch veränderten Mais der Linie MON810 zur Sorge Anlass, dass ohne Auflagen beim Anbau und der Verarbeitung dieses Bt-Mais langfristig die gentechnikfreie Produktion von Mais gefährdet ist. Dabei sind Auskreuzungen bei Mais über deutlich mehr als 200 m nachgewiesen worden, sowie die Tatsache, dass Witterungsverhältnisse, v. a. D. Windereignisse, für die Auskreuzungsdistanzen von großer Bedeutung sind. Eine Einkreuzung in konventionelle oder biologische Saatgutproduktion (Schwellenwert 0) ist praktisch nicht zu verhindern, wenn der Wind aus Richtung der MON810-Maisfläche weht, es sei denn, wie unter Versuchsbedingungen getestet wurde, die gentechnikfreie Maissaatgutfläche beträgt 10 ha und mehr und hat einen Isolationsabstand von 1 000 m.

Bei diesem Risikopotential ist es nicht verwunderlich, dass der höchste Mindestabstand in einem EU-Land laut Bericht der EU-Kommission (2006) bei 800 m liegt (Luxemburg) und manche Mitgliedsstaaten wie Oesterreich, Griechenland und Ungarn den Anbau dieser Maislinie verboten haben. (Siehe: Fachgutachten zur Koexistenzproblematik - gentechnisch veränderte Maislinie MON810, Martha Mertens, Mute Schimpf, Oktober 2006, erstellt im Auftrag der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen).

Umso erstaunlicher und nicht mit dem Vorsorgeprinzip vereinbar ist es, dass in Deutschland erstmals seit dem Jahr 2006 gentechnisch veränderter Mais der Linie MON810  kommerziell angebaut wird, ohne dass es staatliche Auflagen zur guten fachlichen Praxis  gibt.

Wir fragen die Landesregierung:

1.      Welche der im Standortregister aufgeführten niedersächsischen Standorte für Mais MON810   werden von der Landwirtschaftskammer (LWK) Niedersachsen, welche werden von der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft (FAL) oder anderen öffentlichen Stellen bewirtschaftet?

2.      Mit welchen Zielen (z.B. Sortenversuch, Wertprüfung, Auskreuzungsverhalten usw.) wird jeweils der Anbau von Mais MON810 im Jahr 2007 im Freiland erfolgen, insbesondere angesichts der Tatsache, dass die EU-Zulassung dieser Maislinie laut EU-Verordnung 1829/2003 2007 im April 2007 ausläuft?

3.      Welche Sicherheitsauflagen und Maßnahmen zum Schutz der gentechnikfreien Produktion wird das Land Niedersachsen für Anbau und Ernte von MON810 vor dem Hintergrund oben aufgezeigter ökologischer, gesundheitlicher und Koexistenz-Risiken und trotz fehlender Bundesverordnung zur guten fachlichen Praxis insbesondere der LWK Niedersachsen erteilen und auferlegen, was wird das Land Niedersachsen unternehmen, um die beschriebenen Risiken einzudämmen, wenn sie von Bundeseinrichtungen, wie der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft, oder Privaten auf  Flächen in Niedersachsen ausgehen und wer trägt die Kosten in Haftungsfällen?

Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für den ländlichen Raum, Ernährung, Landwirt­schaft und Verbraucherschutz

auf die Kleine Anfrage zur mündlichen Beantwortung der

Abgeordneten Hans-Jürgen Klein, Andreas Meihsies (GRÜNE)

"Anbauplanung von gentechnisch verändertem Mais (MON810) im Jahr 2007 in Niedersachsen und Maßnahmen zum Schutz der gentechnikfreien Produktion"

Vorbemerkungen:

Die Landesregierung ist der Auffassung, dass wir uns den Potenzialen, die durch die Grüne Gentechnik geboten werden, nicht verschließen dürfen. Unbestritten ist auch, dass ein kon­ventioneller und biologischer Anbau von Pflanzen ohne Gentechnik auch weiterhin möglich bleiben muss. Diese Ziele sind zu erreichen mit entsprechenden Vorgaben für die Koexistenz, mit Schwellenwerten für Saatgut, Futter- und Lebensmittel und einem restriktivem Zulassungsverfahren für transgene Pflanzen.

Im Hinblick auf eine Überarbeitung des Gentechnikgesetzes ist ein ausgewogenes Vorgehen erforderlich. Die Eckpunkte der Änderungen des Gentechnikgesetzes wurden vor kurzem von Bundesminister Seehofer veröffentlicht. In einigen Punkten sind uns die beabsichtigten Änderungen zwar nicht weitgehend genug, aber die Ansätze gehen in die richtige Richtung.

Die Landesregierung wählt bei dem sensiblen Thema Grüne Gentechnik einen Weg, der vor allem eines beinhaltet: Sicherheit, Transparenz und Sachlichkeit. Dieser Weg wird weiter beschritten und beinhaltet beispielsweise Kontrollen in den verschiedensten Bereichen beim Saatgut, bei Lebens- und Futtermitteln - und wir halten uns hier an die internationalen, bzw. national mit den anderen Bundesländern erarbeiteten Standards.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1:

Von den im Standortregister aufgeführten Niedersächsischen Standorten für die Maissorte MON-00810-6 werden von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen die Versuchsanstel­lungen in Adelheidsdorf, Bökel und Neustadt-Vesbeck betreut.

Die Versuche in Beesten und Hohenhameln werden vom Bundessortenamt (BSA) angelegt.

Die Versuche in Mariensee, Braunschweig, Sickte und Lehre werden von der Biologischen Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft (BBA), bzw. der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft (FAL) durchgeführt.

Zu 2:

Die Versuche an den Standorten Adelheidsdorf, Bökel und Neustadt-Vesbeck sind Wertprüfungen im Auftrag des BSA, die im Rahmen des gesetzlichen Prüfauftrages für die Sorten­zulassung erfolgen.

Bei den Versuchen an den Standorten Beesten und Hohenhameln handelt es sich ebenfalls um Wertprüfungen, die dort eigenständig vom BSA im Rahmen des gesetzlichen Prüfauftra­ges für die Sortenzulassung durchgeführt werden.

In Mariensee, Braunschweig, Sickte und Lehre werden Versuche für die Koexistenzfor­schung im Rahmen eines BMELV-Forschungsprogrammes durchgeführt, darüber hinaus finden dort Untersuchungen statt, die für die Koexistenz und Rückverfolgbarkeit von transg-nen Eigenschaften im Rahmen eines EU-geförderten Projektes benötigt werden.

Ich möchte darauf hinweisen, dass nach § 16a Abs. 3 des Gentechnikgesetzes (GenTG) der geplante Anbau vom Bewirtschafter frühestens neun Monate, spätestens jedoch 3 Monate vor dem Anbau unter Angabe des spezifischen Erkennungsmarkers, der gentechnisch ver­änderten Eigenschaft, des Grundstücks und der Größe des Anbaus vorzunehmen ist.

In allen Fällen ist dies erfolgt, die Standorte sind im Anbaukataster des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) dargestellt - und im Internet einsehbar.

Die Zulassung des Konstruktes MON-00810-6 läuft im April 2007 aus, der Inhaber hat aber eine Verlängerung der Zulassung beantragt, daher ist rechtlich ein Anbau zulässig.

Zu 3:

Beim Anbau werden die rechtlich vorgegebenen Auflagen eingehalten, die im Übrigen von der ehemaligen Bundeslandwirtschaftsministerin Künast eingerichtet oder vielleicht deutlicher ausgedrückt "durchgeboxt" wurden.

Da es sich bei allen Untersuchungen um Versuche handelt, die von Bundeseinrichtungen durchgeführt, bzw. von diesen in Auftrag gegeben wurden, würde im Falle von Haftungsan­sprüchen der Bund einzutreten haben.

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