Kleine Anfrage für die Fragestunde: Steht die Landesregierung hinter dem Verbot von Werkverträgen in der Fleischindustrie?

Seit vielen Jahren sind die Missstände in der deutschen Fleischwirtschaft bekannt. Die Zusammenhänge zwischen der Ausbeutung der Arbeitskräfte und den massenhaften Verstößen gegen geltendes Tierschutzrecht in niedersächsischen Schlachthöfen waren für den Landtag im letzten Jahr Anlass auf unsere Initiative hin, grundlegende Veränderungen in diesem Bereich zu beschließen.

Leider hat die Landesregierung diesen Beschluss bislang ignoriert. Otte-Kinasts Projekt der freiwilligen Videoüberwachung muss als gescheitert betrachtet werden. Auch bei dem derzeit diskutierten Punkt des Verbotes von Werkverträgen in der Schlachtindustrie, gelingt es der Landesregierung nicht, sich auf einen gemeinsamen Kurs zu verständigen. Wir fordern deswegen in der Fragestunde ein klares Bekenntnis von Ministerpräsident und Landesregierung zu den Kabinettsbeschlüssen auf Bundesebene, die ein solches Verbot bis Ende des Jahres vorsehen. Zusätzlich bringen wir einen eigenen Antrag ein, mit dem sich der Landtag für ein Verbot der Werkverträge aussprechen soll.

„Der Kampf gegen den systematischen Missbrauch von Werkverträgen ist noch lange nicht zu Ende. […] Die Behauptung aus Teilen der Branche, dass es aus wirtschaftlichen Gründen ohne Werkverträge nicht gehe, ist widerlegt. […] Wir wissen, dass der Anteil von Werkvertragsbeschäftigten in einigen Schlachtbetrieben noch immer bei 80 Prozent liegt. Wenn sich das nicht bald ändert, ist das für mich der Beweis, dass die vor einem Jahr beschlossene freiwillige Selbstverpflichtung der Branche nicht reicht. Dann sehe ich die Bundesregierung in der Pflicht, die gesetzlichen Regeln weiter zu verschärfen.“ Diese Sätze vom 22.09.2016 stammen vom damaligen niedersächsischen Wirtschafts- und heutigem Umweltminister Olaf Lies.

Fast vier Jahre später, am 12. Juni 2020, äußerte sich der amtierende Wirtschaftsminister Bernd Althusmann nach einem kurzfristig anberaumten „Fleischgipfel“ mit den Worten: „Es wäre wegen der größeren Sachnähe der Sozialpartner natürlich besser, wenn Verbesserungen ohne ein Eingreifen des Gesetzgebers – vor allem bei den Werkverträgen – […] erreicht werden könnten.“ Und weiter, „bei einem generellen Verbot von Werkverträgen für nur eine Branche bin ich aber aus verfassungsrechtlichen Gründen weiterhin skeptisch.“

Knapp 20 Minuten später erklärte Sozialministerin Carola Reimann in einer Pressemitteilung, dass im Rahmen des Runden Tisches offensichtlich „bei der Frage nach einem Verbot von Werkverträgen […] keine Einigkeit hergestellt werden“ konnte. „Ich bin nach wie vor der Überzeugung, dass ein Verbot dieser Beschäftigungsverhältnisse in der Branche notwendig ist, um die systematischen Probleme in diesem Bereich zu beseitigen.“

Kurz darauf meldete sich auch die amtierende Landwirtschafts- und Verbraucherschutzministerin Otte-Kinast zu Wort und plädierte für „eine Anpassung der Praxis der Werkverträge“.

Offenkundig existieren unterschiedliche Meinungen zum Kabinettsbeschluss der Bundesregierung zum angekündigten Verbot von Werkverträgen in der Schlachtindustrie.

Ebenso hat die Landesregierung ein Wohnraumschutzgesetz in den Landtag eingebracht, welches anders als der seit 2 Jahren im Landtag liegende Gesetzentwurf von Bündnis 90/Die Grünen explizit nicht für Arbeitnehmerunterkünfte und Sammelunterkünfte von Werkvertragsarbeiter*innen und Saisonarbeiter*innen gelten soll. Umweltminister Olaf Lies hat nun an die Regierungsfraktionen im Landtag appelliert, wie im grünen Gesetzentwurf vorgesehen, die neuen Regelungen mit Mindeststandards beim Wohnen auch für Werkvertragsarbeiterunterkünfte gelten zu lassen. Der Regierungspartner CDU hat sich im Ausschuss dazu skeptisch geäußert.

  1. Wie steht die Landesregierung zu dem Bundeskabinettsbeschluss vom 20. Mai 2020 wonach ab dem 01. Januar 2021 ein Verbot von Werkverträgen und Arbeitnehmerüberlassung in der Fleischwirtschaft gelten soll?
  2. Wird Ministerpräsident Stephan Weil im Rahmen seiner Richtlinienkompetenz auch seinen Arbeitsminister und seine Agrarministerin für ein Verbot von Werkverträgen in der Schlachtindustrie bewegen?
  3. Unterstützt die Landesregierung die Forderung von Umweltminister Lies nach einer Nachbesserung des Wohnraumschutzgesetzes, dass auch Arbeitnehmerunterkünfte von Werkvertragsarbeitern ausnahmslos unter das Wohnraumschutzgesetz fallen sollen?
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