Julia Willie Hamburg: Rede zum Linksextremismus (Antrag AfD)
- es gilt das gesprochene Wort -
Anrede,
in Chemnitz tobt ein rechter Mob durch die Straßen und greift Journalisten und Menschen mit Migrationshintergrund an. In Dessau darf Feine Sahne Fischfilet nicht im Bauhaus auftreten, aus Angst vor der Stimmung vor Ort. Und wir müssen gar nicht in andere Bundesländer schauen: In Niedersachsen patrouillieren rechte Bürgerwehren und versetzen BürgerInnen in Angst und Schrecken. Die rechtsextremen Straftaten in Niedersachsen sind seit einigen Jahren signifikant hoch. Ich sage Ihnen ganz deutlich: Wir sollten derzeit bei unserer Debatte über politisch motivierte Kriminalität ganz andere Schwerpunkte setzen.
Und auch das von der Großen Koalition angekündigte Landesprogramm Extremismus setzt ein komplett falsches Signal zur falschen Zeit. In diesen Zeiten in Niedersachsen Mittel für den Kampf gegen Rechtsextremismus zu kürzen, um gegen Linksextremismus vorzugehen, ist eine fatale Entscheidung! Und auch die zugrundeliegende Annahme, dass man Rechtsextremismus und ‚Linksextremismus‘ gleichsetzt und gemeinsam als zwei Pole eines Hufeisens bekämpft, ist falsch: Da habe ich nicht viel Hoffnung in den Erfolg ihrer Programme, sie gehen schon von falschen Grundvoraussetzungen aus.
Und ich möchte hierbei betonen: Ein Rechtsstaat duldet keine Straftaten, egal aus welche Motivation. Und auch wir GRÜNE stellen uns gegen jede Handlung, die den Rechtsstaat in Frage stellt. Das ist eine Selbstverständlichkeit für jede Demokratin und jeden Demokraten, liebe Kolleginnen und Kollegen. Und ich möchte Sie als AfD-Fraktion fragen: Was aus ihrem Antrag ist nicht bereits gängige Praxis und warum braucht es hierfür Ihrer Meinung nach ein Landesprogramm? Außer diesen unwirksamen Broschüren, die Sie sich zum Verteilen an Jugendliche wünschen, gibt es nichts, was da noch nicht passiert. Und aus NRW kann man ablesen, dass diese Form von Pixi-Heften, diese Andy-Hefte, kein sinnvoller Beitrag für Prävention sind.
Ich sage Ihnen ganz deutlich: Unsere Sicherheitsbehörden sind im Bereich der politisch motivierten Kriminalität sehr gut aufgestellt. Und auch die Jugendhilfe und die Bildung in diesem Land sind sehr effektiv, wenn es darum geht, gewaltfreie Konfliktlösung und die Achtung von Demokratie zu vermitteln und zu unterstützen. Natürlich geht hier immer mehr. Aber ich sehe hier in Bezug auf die politisch motivierte Kriminalität – Links überhaupt keinen zusätzlichen Handlungsbedarf. Die Arbeit läuft und die Zahlen zeigen, sie funktioniert.
Und dann muss man sich ja fragen: Wenn Ihnen das, was passiert, noch nicht ausreicht – wen haben Sie mit ihrem Programm im Blick? Wie definieren Sie eigentlich den sogenannten „Linksextremismus“? Liebe Kolleginnen und Kollegen, es muss unser Ansinnen sein, jedwede Entwicklung von Demokratie- und Menschenfeindlichkeit von Verfassungsfeindlichkeit im Keim zu ersticken. Und es muss unser Ansinnen sein, Straftaten durch Prävention und Intervention bestmöglich zu vermeiden und zu ahnden – gleich welchen Ursprungs. Wir dürfen aber nicht dazu übergehen, Menschen, die für unsere Demokratie streiten und diese Leben zu kriminalisieren. Ich möchte an dieser Stelle nicht zurück in alte niedersächsische Zeiten, in denen Anti-Atom-Gegnerinnen, Gentrifizierungskritiker*innen und Menschen, die gegen Faschismus auf die Straßen gehen kriminalisiert und eingeschüchtert werden. Wir brauchen die Zivilgesellschaft heute mehr denn je. Wir brauchen politischen Streit und eine lebendige Demokratie mehr denn je. Wir brauchen jede einzelne Demokratie heute in Aktion: Auf der Straße, am Stammtisch, bei Petitionen und in politischen Gremien. Lassen Sie uns hier keine falschen Weichen stellen – wir werden Sie bitter bereuen.
Vielen Dank.