Julia Hamburg: Rede zu den Haushaltsberatungen 2022/2023 – Allgemeinpolitische Debatte „Investitions-Jahrzehnt für Niedersachsen einläuten“

- Es gilt das gesprochene Wort -

Anrede:

„Der Haushalt ist symptomatisch für das, was von SPD und CDU zu erwarten ist: So gut wie nichts. SPD und CDU regieren auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner. Und deswegen geht in Niedersachsen nichts voran. Und das ist bitter.

Denn Niedersachsen befindet sich derzeit am Scheideweg: Investieren wir in die Zukunft oder verpassen wir die Abfahrt? Jedes Jahr, das wir verlieren, macht es schwerer, um wieder auf den richtigen Pfad zu gelangen. Wenn wir Pech haben, ist der Zug irgendwann abgefahren und andere sind schneller.

Und ich sage Ihnen deutlich, Herr Althusmann, Herr Hilbers, liebe CDU: Es hilft an dieser Stelle wenig, von der Schuldenbremse zu sprechen und diese hochzuhalten wie eine Monstranz. Wer den Bestand kaputtspart und Zukunftsinvestitionen – etwa in die Digitalisierung, die Klimaneutralität oder der Mobilitätswende – wissentlich unterlässt, der verschuldet sich an den künftigen Generationen. Denn diese haben keine Wahl, diese Entscheidung rückwirkend noch zu treffen, wenn der Zug abgefahren ist.

Wenn man Menschen in Niedersachsen fragt, so hört man eigentlich immer das gleiche: Niedersachsen ist schön, aber an Niedersachsens Bestand fehlt es an allen Ecken und Enden. Der Bus fährt nicht, der Radweg endet im Nirgendwo, das Breitband kommt nicht am Haus an, in der Schule bröckelt der Putz ab und die Kinder wollen nicht auf die Toiletten gehen. Dabei kann Niedersachsen mehr, wenn man es lässt.

Deshalb wollen wir ein Investitions-Jahrzehnt einläuten, um die notwendigen Veränderungen für unsere Zukunft aktiv zu gestalten. Denn: Erneuerbare Energien-Land Nummer 1 zu werden, gibt es nicht zum Nulltarif. Ebensowenig Vorreiter beim klimaneutralen Umbau unseres Industriestandorts zu werden, eine grüne Wasserstoffstrategie zu implementieren, smart mobility und eine echte Mobilitätswende bis in den ländlichen Raum umzusetzen. Landwirte machen sich auf den Weg, ihre Ställe nach Tierwohlkriterien umzubauen. Sie müssen aber auch davon leben können. Unsere Kliniken müssen saniert werden, die Schulen/Hochschulen und Forschungseinrichtungen sollen Leuchttürme werden. Wir brauchen bezahlbaren Wohnraum. Unsere maroden Landesgebäude sind vielfach schon lange nicht mehr auf der Höhe der Zeit.

All das liebe Kolleginnen und Kollegen liegt seit Jahren auf dem Tisch. Wir sind uns ob dieser vielen Handlungsbedarfe einig. Niedersachsen hat hier viel Potential.

Aber wir müssen auch bereit sein, dieses Potential zu heben. Deshalb schlagen wir einen Niedersachsenfonds in Höhe von 1 Mrd. Euro vor, mit dem wir in den nächsten 10 Jahren bis zu 10 Mrd Euro hebeln können. Diese Summe ist eigentlich für all die Bedarfe gar nicht riesig – die Wirtschaftsinstitute rechnen das sehr realistisch vor. Wir haben erhebliche Investitionsbedarfe. Und andere Länder machen vor, wir das gehen kann. Während wir gerade einmal 4,5 – 6% unseres Haushalts investieren, investieren Bayern und Baden-Württemberg etwa 12% ihres Haushaltes. Damit hängen uns diese Länder ab und wir lassen das derzeit sehenden Auges zu. Und das in Zeiten von niedrigen Zinsen und Studien, die aufzeigen, dass jeder öffentlich investierte Euro 1,50 Euro private Investitionen mit sich bringen. Trauen wir uns also und lassen Sie uns die Weichen auf Zukunft stellen.

Und Sie, Herr Weil und Frau Modder, werden mit gleich sagen: Wir würden ja gerne, aber mit der CDU ist das nicht zu machen. Wissen Sie was? Die Menschen, die eine Wohnung suchen, die Unternehmen, die klimaneutral werden müssen, wir alle, die wir unter der Klimakrise leiden, können uns nichts davon kaufen, dass Sie mit Bedauern auf ihren Koalitionspartner zeigen. Mit diesem Doppelhaushalt verliert Niedersachsen wieder zwei weitere Jahre.

Aber was haben Sie als SPD- und CDU-Fraktionen mit diesem Haushalt und Ihrer politischen Liste nun gemacht?

Wir erinnern uns: Der Haushaltsentwurf der Regierung hat im Sommer viel Protest losgetreten. Angedachte Kürzungen der sozialen Infrastruktur, der Migrationsberatung, bei der Erwachsenenbildung und den Kultureinrichtungen hätten komplette Strukturen zerstört oder nachhaltig geschwächt. Sie haben also das Geld genutzt, um richtiger Weise diese Löcher zu stopfen. Unser aller Protest hat also gewirkt. Aber ansonsten planen Sie kaum nennenswert weiter zu gestalten – und das ist fatal.

Es gibt Gelder, die Sie nutzen könnten, um zu investieren- und Bereiche, die das dringend brauchen. Das werden Ihnen Herr Heere und unsere Fachpolitiker*innen in den Debatten der nächsten Tagen deutlich machen.

Aber: Genauso mau wie im Haushalt gehen Sie ja auch mit dem Koalitionsvertrag um.

Herr Althusmann kann sich am Ende ein unzureichend finanziertes Azubi-Ticket light auf die Fahnen schreiben, dass er als Verkehrsminister für die Mobilitätswende kaum etwas auf den Weg gebracht hat und seine Digitalisierungsziele im Limbo unterschreiten kann.

Herrn Tonnes Digitalisierung der Schulen ist gefloppt, A13 für alle Lehrkräfte ist nicht umgesetzt, es gibt nicht mehr multiprofessionelle Teams und viele weitere Versprechen – von der 3. Kita-Kraft über freie Schulen bis hin zur Entlastung von Lehrkräften – werden als ungedeckte Schecks in die Zukunft verlagert. Sie glauben nicht daran, nächstes Jahr Kultusminister zu bleiben, oder?

Herr Lies ist kein Umweltminister, er ist ein Ankündigungsminister, der über die Presse regelmäßig verkündet, was er gerne machen würde – aber weder die Landeswohnungsgesellschaft noch ein richtiges Klimagesetz sind bislang irgendwo in Sichtweite. Ich sage Ihnen deutlich: Lange reden und Schlagzeilen bauen keine Wohnung und retten auch nicht unseren Planeten. Da müssen Sie handeln statt reden.

Und Herr Thümler ist der vergessene Minister in dieser Reihe. Die Hochschulen müssen sparen, die Kultur kriegt nicht die Gelder, die sie braucht, und muss künftig mit noch weniger Geld klarkommen. Herr Thümler, es ist bitter, dass Sie in den letzten Jahren für diese wichtigen Bereiche nicht viel bewegt haben in den letzten Jahren.

Ebenfalls fatal ist, dass Sie mit Ihrem Haushalt die soziale Infrastruktur nicht ausbauen. Gerade seit Corona wissen wir, wie wichtig und gefragt die vielen Angebote der Selbsthilfe, die Frauenhäuser und Gewaltschutzzentren und viele weitere. Dass Sie bei der Aidshilfe sogar kürzen, obwohl diese gerade in Corona-Zeiten für die Gesundheitsämter die Testungen übernommen haben, ist ein weiteres starkes Stück. Und auch dass Sie bei Projekten, die Verschwörungsmythen und –ideologien begegnen, kürzen, ist vollkommen an den gesellschaftlichen Entwicklungen vorbei.

Wir werden Ihnen in den nächsten Tagen also aufzeigen, wieviel man aus Niedersachsen machen könnte, wenn man es ließe. Ich freue mich deshalb auf die Haushaltsberatungen und hoffe, dass wir Sie an der ein oder anderen Stelle noch überzeugen können.

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